Einzigartiges Projekt Paderborner Schüler bestimmen den Unterricht mit

Paderborn. Lustlosigkeit, keine Rückmeldung von Lehrkräften oder eine fehlende Zukunftsperspektive - die Corona-Pandemie hat Spuren bei den Schülerinnen und Schülern hinterlassen. Das Ludwig-Erhard-Berufskolleg (LEBK) will das jetzt ändern und mit ausgewählten Partnern wieder die Begeisterung für den Unterricht wecken. Das einzigartige bei dem Projekt: Die Klassen bestimmen mit, in welcher Form der Lehrplan umgesetzt wird. "Früher sind die Schüler über Bänke gelaufen, heute haben sie die Arme verschränkt und den Kopf auf den Tisch gelegt", so Stefan Werth, der das Projekt leitet und am Berufskolleg unterrichtet. Als zwei Schüler inmitten der Pandemie den Sinn zur Schule zu gehen in Frage stellen, gibt diese Aussage Anfang September den Startschuss für das Projekt. Lehrkräfte stellen zusammen mit einer Schülergruppe die zentralen Probleme heraus, die vor allem fehlende Wertschätzung, Ziellosigkeit und Sichtbarkeit thematisieren. "Ich denke oft darüber nach, ob ich den Inhalt richtig vermittel", so Werth. Um das zu ändern, sollen Schüler öfter in die Unterrichtsgestaltung eingreifen, über Konzepte diskutieren und anschließend abstimmen. "Es kann sein, dass der Lehrer überstimmt wird, aber dann ist das so", sagt Werth. App dient als Motivator Helfen soll unter anderem eine App, die vom Paderborner Unternehmen adesso mobile solutions entwickelt wird und erst seit letztem Jahr in der Domstadt ansässig ist. "Es ist unser erstes lokales Projekt und wir freuen uns, unser Wissen weiterzugeben. In erster Linie geben die Nutzer an, was sie sich wünschen", so Programmierer Thim Strothmann. Das Schlagwort heißt Gamification. "Wir werden in der App spieltypische Elemente nutzen. Motivation und Spaß sollen hier eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Felix Möbus, Senior User Experience Designer bei adesso mobile solutions. Schüler können in der App festlegen, in welchem Fach sie sich verbessern und welche Unterrichtsziele sie idealerweise selbstbestimmt erreichen wollen. Dafür erhalten die Schüler für geleistete Aufgaben virtuelle Sterne. Diese lassen sich dann gegen verschiedene Belohnungen eintauschen. Ob sie für ihre Leistungen gewisse Punkte bekommen und sich mit Mitschülern messen können, sei derzeit noch unklar. "Diesen Aspekt muss man überdenken und sich Rat vom Psychologischen Lehrstuhl der Uni Paderborn holen", so Werth. Klar ist jedoch, dass Schüler jederzeit beim Projekt miteinbezogen werden. Bei den Themen App-Design und -Bedienung sowie beim Datenschutz und der Sicherheit haben alle Beteiligten uneingeschränktes Mitspracherecht. "In der ersten Diskussionsrunde mit den Lehrern waren wir lediglich fünf Schüler. Wir hatten ziemlich verschiedene Meinungen, was am Unterricht besser werden muss. Es macht viel Spaß, sich an dem Projekt zu beteiligen und eine Stimme zu haben", sagt Boris Matveev vom Berufskolleg. Schüler werden zu Programmierer So unterstützen sie auch bei der App-Programmierung und erhalten vom Fraunhofer-Institut spezielle Schulungen. Im kommenden Jahr soll das Pilotprojekt in den Klassen für mehrere Monate getestet werden, ehe ein abschließendes Fazit gezogen wird. Ziel sei es, die App zu etablieren und stetig weiterzuentwickeln. Andere Schulen können zukünftig ebenfalls profitieren, heißt es von Werth. Da die App kostenlos heruntergeladen werden kann, tragen die Partner die anfallenden Kosten von 190.000 Euro. Einen Großteil, nämlich 136.000 Euro, trägt die Osthushenrich-Stiftung um Geschäftsführerin Claudia Holle. "Es ist zwar ein offener Prozess mit einem ungewissen Ausgang, doch wir unterstützen gerne den Mut für den Schritt, den die Verantwortlichen gehen."

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