Wirtschaft unter Druck Kriegs-Folgen: Bei Paderborner Unternehmen herrscht große Unsicherheit

Paderborn. Sie blickten gebannt auf die ukrainisch-russische Grenze: Würde es Krieg geben? Und welche Folgen würde er haben? Das fragten sich Anfang des Jahres auch die Firmen im Raum Paderborn. Mittlerweile dauert der Krieg schon mehr als ein halbes Jahr – und hat auch in der heimischen Wirtschaft Spuren hinterlassen. IHK Vor Beginn der Invasion standen rund 30 Unternehmen aus dem Raum Paderborn in Handelsbeziehungen mit der Ukraine, etwa 40 Firmen hatten Kontakt nach Russland. &bdquo;Diese Geschäftsbeziehungen liegen natürlich auf Eis“, sagt Jürgen Behlke, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer-Zweigstelle Paderborn + Höxter. Die Stimmung unter diesen Firmen sei geprägt von &bdquo;großer Unsicherheit“ – was genau so für die Lage der gesamten Wirtschaft in der Region gelte. Das liege aber weniger am Krieg direkt als an der daraus resultierenden Energiekrise. &bdquo;Sie ist der entscheidende Faktor“, weiß Behlke. Die Unternehmen treibe die Sorge um, dass Energie im Winter rationalisiert werden könnte. Dass unklar ist, was für Maßnahmen sie treffen könnten, führe zu Verunsicherung. Derzeit sei &bdquo;vieles unter Druck“. Behlke fürchtet, dass sich daran nichts so schnell ändern wird: &bdquo;Dieser Krieg wird noch dauern und die angespannte Situation bleibt über den Winter.“ Eine entscheidende Frage für die heimischen Firmen sei daher, welche Alternativen aufgebaut würden. Diebold Nixdorf Das im Bereich Geldautomaten und Kassensysteme weltweit tätige Unternehmen Diebold Nixdorf hat nach eigenen Angaben alle Aktivitäten in Russland eingestellt. Der US-Börsenaufsicht hat der Konzern außerdem mitgeteilt, dass er sich in einem frühen Stadium der Auflösung seiner russischen Einheit befinden. Sämtliche Geschäftstätigkeiten in Russland bleiben seit Beginn des Krieges in der Ukraine ausgesetzt, sagte ein Sprecher. Benteler Ähnlich sieht es bei der Benteler-Gruppe aus. In der Ukraine war sie zwar nicht tätig, verfügt aber über ein Werk im russischen Kaluga. &bdquo;Dort ruht die Produktion“, teilte ein Pressesprecher auf Anfrage mit. Durch die internationale Aufstellung des Unternehmens seien zwar einige Folgen des Krieges gemindert, &bdquo;dennoch spüren wir die Auswirkungen an verschiedenen Stellen“, sagt der Sprecher und erläutert: &bdquo;Gestörte Lieferketten, hohe Energiepreise sowie die Inflation wirken sich auf die Abrufe unserer Kunden und damit auf unsere Produktion aus.“ Generell würde die aktuelle Situation aber belegen, wie wichtig es sei, sich frühzeitig flexibler und widerstandsfähiger aufgestellt zu haben. Airport Paderborn-Lippstadt Ein großes Potenzial hatte der Airport Paderborn vor dem Krieg in Russland gesehen und auf den Aufbau einer Verbindung gehofft. Davon ist nichts mehr zu spüren: &bdquo;Aktuell ruhen die Entwicklungen zum Aufbau einer Flugverbindung nach Moskau“, sagt Pressesprecher Matthias Hack. Weder im geschäftlichen noch im touristischen Bereich gebe es derzeit eine signifikante Nachfrage. Er ergänzt jedoch: &bdquo;Wenn sich die Beziehungen zu Russland wieder normalisiert haben, werden wir diese Thematik erneut aufgreifen.“ Universal Transport &bdquo;Gravierende Folgen“ für westliche Firmen hatte Universal-Transport-Geschäftsführer Holger Dechant im Falle eines Krieges befürchtet. Und tatsächlich blieb auch der Paderborner Logistikdienstleister, der seit Langem sowohl in Russland als auch in der Ukraine tätig ist, von der Krise nicht verschont. &bdquo;Zu Beginn sind uns Projekte von heute auf morgen weggefallen“, berichtet Dechant. Universal Transport habe sich jedoch sehr breit aufgestellt; neben dem deutschen Markt gebe es auch noch weitere Märkte. Beispielsweise sei Nordafrika &bdquo;im Kommen“, was sehr interessant für die Niederlassung in Kairo sei. Letztlich sind Zahlen für Dechant jedoch in der aktuellen Situation ohnehin weniger von Bedeutung. &bdquo;Vielmehr sind die menschlichen Schicksale die Katastrophe“, betont der Geschäftsführer. Zu den Mitarbeitern in Russland und der Ukraine halte das Unternehmen selbstverständlich weiterhin Kontakt. &bdquo;Die werden wir auch nicht fallen lassen“, sagt Dechant mit Nachdruck. Hartmann Tresore Ursprünglich wollte auch die Firma Hartmann Tresore, die ihren Angaben nach zu den größten Anbietern von Tresoren in Europa gehört, in Gespräche mit einem Geschäftspartner in der Ukraine einsteigen. Angesichts der Lage wurde dies jedoch zu Jahresbeginn zurück gestellt – mittlerweile wurden sämtliche Aktivitäten eingestellt, berichtet Vorstand Markus Hartmann. Das Selbe gilt für sämtliche Geschäfte mit Russland und der Ukraine. Aktuell konzentriere sich Hartmann Tresore ganz auf Lieferanten und Kunden in der EU und im Mittleren Osten. Strategisch gesehen seien Russland und die Ukraine zwar ein wichtiger Markt, allerdings habe der Krieg diese Option wohl für lange Zeit beendet. &bdquo;Aber unser aktuelles Kunden- Geschäft leidet nicht darunter“, betont Hartmann. Das Unternehmen hat sich dennoch umorientiert und stärkere Kontakte zu Kunden und Lieferanten im Baltikum geschlossen. Insgesamt ist die wirtschaftliche Lage des Marktführers offenbar jedoch äußerst rosig. &bdquo;Wir sind im Sicherheitsmarkt tätig. Unsicherheiten beim Kunden fördern unser Geschäft“, weiß Hartmann. Aktuell würden die Umsätze im zweistelligem Prozentsatz über dem Vorjahr liegen. Zwar seien auch die Kosten für Stahl und anderen Materialien gestiegen. Diese Mehrkosten könnten aber durchaus an die Mehrheit der Kunden weiter gegeben werden. Stand jetzt erwartet Hartmann Tresore für 2022 sogar einen Rekordumsatz. Ausblick IHK-Chef Jürgen Behlke ist überzeugt, dass alle Firmen aus der Region den Kontakt in die Ukraine und nach Russland halten werden. Schließlich werde es – &bdquo;irgendwann“ – eine Nachkriegssituation geben. &bdquo;Und dann muss man sich anschauen, wie die sich entwickelt.“ Umorientiert hätten sich die Unternehmen jedoch längst, um ihre Produkte zu bekommen beziehungsweise kaufen zu können.

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