Paderborn "Wir haben kein Problem mit verpeilten, schwangeren Teenies"

Paderborn. "Wir haben kein Problem mit einer hohen Anzahl von verpeilten, schwangeren Teenies." Das ist für Anja Podtschaske einfach nur ein Vorurteil. Sie sitzt vor einem knallbunten Bild in einem roten Sessel in der Beratungsstelle von Pro Familia in der Innenstadt. Dort, wo sie sonst Beratungsgespräche mit Frauen führt, die ihre Schwangerschaft beenden wollen. Die ehemalige Hebamme stellt immer wieder fest: Die Gründe für einen Abbruch sind vielfältig. Jedes Jahr kommen etwa 100 Frauen zu Anja Podtschaske in die Beratungsstelle und nehmen in dem zweiten roten Sessel ihr gegenüber im Beratungszimmer Platz. Dazwischen steht kein massiver Schreibtisch, sondern nur ein runder Tisch mit Blümchen, wie in einem Café. Meist bleibt der dritte Sessel leer, doch manche Frauen bringen auch ihren Partner mit. Das Gespräch gehört zum gesetzlichen Pflichtprogramm, wenn Frauen sich für einen Abbruch ihrer Schwangerschaft entscheiden. Ohne einen Beratungsschein darf kein Gynäkologe und keine Gynäkologin die Abtreibung durchführen. Denn laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuches ist ein Schwangerschaftsabbruch immer noch ein Straftatbestand - und zwar seit 1871. Legal ist er nur dann, wenn der Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft stattfindet und ein Beratungsgespräch nachgewiesen werden kann. Ausnahmen sind eine Schwangerschaft, die das Leben der Mutter gefährdet oder aus einer Vergewaltigung resultiert. Anja Podtschaske findet das Vorgehen falsch. "Wenn eine Frau sich für eine Abtreibung entscheidet, muss sie mindestens fünf, meist fremden Personen von dieser intimen Entscheidung erzählen", kritisiert sie. Denn nicht nur die Beratungsstelle und der Arzt müssten aufgesucht werden. Häufig sei die erste Anlaufstelle der eigene Gynäkologe oder die Gynäkologin. Die könnten aber meist nicht weiterhelfen, da nur eine Praxis im Kreis Paderborn einen Abbruch überhaupt begleitet.Ausreichende Informationen fehlen im Internet Ausreichende Informationen über entsprechende Praxen stünden im Internet aufgrund des Paragrafen 219a nicht zur Verfügung, der die "Werbung für Abtreibungen" untersage. "Das sorgt für pure Unsicherheit. Das suggeriert ja auch, dass, wenn ich keinen Arzt finden kann, ich etwas Verwerfliches mache", erläutert Podtschaske. Zudem seien Informationen keine Werbung, es ermögliche ihnen lediglich, durch eine eigene Recherche einen Arzt oder eine Ärztin zu finden. Deshalb hoffe sie sehr, dass die neue Bundesregierung den Paragrafen abschaffe. "Und dann müssen sich Frauen bei ihrem Gynäkologen auch noch Sätze anhören wie: 'Werfen Sie doch mal einen Blick auf den Ultraschall.' oder 'Den Mutterpass legen wir aber trotzdem schon einmal an.'" Möglicherweise sei die Intention der Ärzte, dass sich die Frauen die Entscheidung nicht zu leicht machen sollen. "Aber Frauen können doch Entscheidungen treffen. Fast alle Frauen, die zu mir kommen, haben sich fest entschieden", betont sie. Verhütungspannen sind der Grund für ungewollte Schwangerschaften Die nächste Anlaufstelle sei dann eine Beratungsstelle für das Pflichtgespräch. Die meisten Frauen, die auf dem roten Sessel sitzen, sind zwischen 26 und 32 Jahre alt. Doch auch die Altersgruppen 22 bis 25 und 33 bis 40 sind oft vertreten. Der Start in ein solches Gespräch sei meist nicht leicht. "Manche haben Angst, dass ihre Gründe nicht hinreichend sind, viele schämen sich für ihre Entscheidung", beschreibt Podtschaske. Häufig seien Verhütungspannen die Ursache für die ungewollte Schwangerschaft. Oft werde versucht, die Situation noch mit der "Pille danach" zu beheben, doch dafür sei es meist schon zu spät. Für die Frauen seien häufig finanzielle Probleme oder auch die berufliche Situation entscheidend, um sich für einen Abbruch zu entscheiden. "Viele Frauen haben lange studiert und sind gerade in den Beruf eingestiegen. Für die passt das Kind dann nicht in die Lebenssituation, sie haben das Gefühl, dem Kind nicht das bieten zu können, was es verdient hat", sagt Podtschaske. Zu ihr kämen auch Frauen, die ihre Familienplanung schon abgeschlossen hätten und keinen weiteren Nachwuchs wollen würden. Probleme in der Partnerschaft seien in den meisten Fällen nicht der ausschlaggebende Grund. Finanzierung ist keine Kassenleistung Nach Abschluss des Gespräches müsste dann noch die Finanzierung der Abtreibung besprochen werden. Denn der Schwangerschaftsabbruch ist keine reguläre Kassenleistung. Die Kosten werden nur dann übernommen, wenn die Frau als sozial bedürftig gilt. "Das heißt, die Frau muss dann bei der Krankenkasse einen Antrag auf Übernahme der Kosten stellen, also wieder jemandem erzählen, dass sie ihre Schwangerschaft abbrechen will", verdeutlicht Podtschaske. Nach einer gesetzlich vorgeschriebenen Bedenkzeit von drei Tagen könne dann die Abtreibung durchgeführt werden. Vorab finde eine Voruntersuchung durch den Gynäkologen statt, der den Abbruch auch vornehme. Je nach Fortschritt der Schwangerschaft würden Tabletten oder ein ambulanter Eingriff infrage kommen.

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