Mordprozess Sennelager Lebenslang für Tat aus „tief patriarchalischem Ehrbegriff"

Paderborn. Selda I. (alle Namen geändert) verlor ihr Leben, als sie gerade erst 20 Jahre alt war. Sie starb am 3. November auf dem Beifahrersitz eines Wagens, in dem sie zusammen mit ihrem Mann Damir T. und den drei kleinen Kindern hatte nach Hause fahren wollen. 31 Mal stach ihr Ehemann zu, einen elf Zentimeter langen Schnitt führte er über ihnen Kehlkopf hinweg. Nach zwölf Verhandlungstagen hat das Schwurgericht Paderborn den 30-Jährigen wegen Mordes für schuldig befunden und eine lebenslange Freiheitsstrafe ausgesprochen. Damir T. habe aus niedrigen Beweggründen seine Frau getötet, so die Überzeugung der Richter unter dem Vorsitz von Eric Schülke. &bdquo;Aus einem tief patriarchalischen Ehrbegriff heraus glaubte er, über das Leben seiner Frau bestimmen zu können", sagt Schülke. &bdquo;Der Angeklagte glaubte berechtigt zu sein, so seine vermeintlich beschädigte Ehre wiederherzustellen." Wie berichtet, waren der brutalen Tat Schwierigkeiten unter den beiden Eheleuten vorausgegangen, die 2015 in Deutschland Schutz gesucht hatten vor den Kriegswirren in ihrer Heimat Syrien. Ende Oktober hatte Damir T. durch Verwandte von dem Gerücht gehört, seine junge Frau habe ein Verhältnis mit einem entfernten Cousin. &bdquo;Für ihn brach eine Welt zusammen", fasst in seinem Plädoyer Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies zusammen. Doch statt Selda I. selbst zu befragen, konferierte der 30-Jährige mit Verwandten und ließ die 20-Jährige schließlich von ihrem Bruder nach Belgien holen. Nach einigen Tagen und weiteren Gesprächen versöhnte sich das Paar wieder vor den Augen ihrer Familie – kurz danach verblutete die junge Frau in einem Auto, auf dessen Rückbank ihre kleinen Kinder saßen. Damir T. rief noch selbst die Polizei in die kleine Straße in Sennelager. &bdquo;Ich habe meine Frau geschlachtet", sagte er dem Beamten, der einen seiner zwei Notrufe entgegennahm. "Sein Opfer zum Objekt hinabgewürdigt" Eine Umschreibung der Tat, die nicht nur Nebenklagevertreter Benedikt Klein am letzten Verhandlungstag aufnimmt, sondern auch die Richter in der Urteilsbegründung. Der lange Schnitt, den Damir T. über den Kehlkopf seiner Frau führte, sei &bdquo;ein Zeichen, eine Demonstration gewesen", sagt der Vorsitzende Eric Schülke und spricht danach aus, was viele im Gerichtssaal denken: &bdquo;Wir wünschen uns, dass die Kinder geschlafen und nichts mitbekommen haben." Mit ihrem Urteil folgt die Schwurgerichtskammer dem Antrag von Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies. Der Angeklagte habe &bdquo;sein Opfer zu einem Objekt herabgewürdigt", so seine Überzeugung. Damir T. sei es darum gegangen, &bdquo;seine eigene Ehre" wiederherzustellen. &bdquo;Ein ganz besonders niedriger" Beweggrund für die Tat, erklärt der Ankläger. Dass Damir T. jede Verantwortung weit von sich wies und behauptete, vor der Tat von seinen Verwandten, den wahren Tätern, mit einer Droge außer Gefecht gesetzt worden zu sein, bezeichnet der Staatsanwalt als &bdquo;eine Geschichte aus der Märchenwelt". "Meine Frau war alles in meinem Leben" Eine besondere Schwere der Schuld, die Damir T.s Entlassung nach 15 Jahren erst einmal unmöglich machen würde, will der Staatsanwalt nicht festgestellt wissen – obschon er von einer &bdquo;entsetzlichen Bluttat" spricht, mit der der Angeklagte seine Ehefrau habe &bdquo;vernichten wollen". In diesem Zusammenhang müsse man die Herkunft des Angeklagten aus einem anderen Kulturkreis berücksichtigen, so der Staatsanwalt. Dieser habe sich moralisch im Recht gefühlt. Auch diesem Antrag folgen die Richter. All diese Ausführungen hat Damir T., dessen Verteidiger auf seinen Wunsch hin einen Freispruch beantragten, aufmerksam verfolgt. &bdquo;Meine Frau war alles in meinem Leben", gibt er den Richtern mit auf den Weg, als die sich zur Urteilsberatung zurückziehen. Das ging so weit, dass er Selda I. das ihrige nahm.

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