Paderborn Integrationskräfte für Erstklässler mit Diabetes gesucht

Paderborn. Die Tochter von Melanie Özyavas ist sechs Jahre alt, als die Diagnose Diabetes Typ 1 das Leben der Familie im vergangenen Februar komplett auf den Kopf stellt. Der Körper der kleinen Sara (Name geändert) stellt nicht mehr ausreichend Insulin her, weil das Immunsystem bereits einen Großteil der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört hat. Um den Blutzucker im Gleichgewicht zu halten, muss das Mädchen seither Insulin bekommen, ihre Werte müssen engmaschig überwacht werden. Am 19. August nun wird Sara eingeschult - eine Integrationskraft, die sie durch den Schulalltag begleitet, ist aber noch immer nicht in Sicht. Und mit diesem Problem steht Sara längst nicht allein dar. "Die Zahl der Kinder, die am Typ-1-Diabetes erkranken, steigt. Es betrifft immer mehr junge Kinder", weiß Diabetes-Beraterin Rita Auffenberg, die lange Jahre für die Diabetes-Ambulanz in der Kinderklinik St. Louise gearbeitet hat. Aktuell werden dort knapp 300 betroffene Familien betreut. Bei dieser Autoimmunerkrankung spielen Umweltfaktoren eine große Rolle, aber auch eine genetische Disposition. Jüngere Kinder sind gar nicht in der Lage, ihre Blutzuckerwerte selbst zu überwachen, Insulin korrekt zu dosieren oder Kohlenhydrate zu berechnen. Melanie Özyavas ist seit der Diagnose 24 Stunden am Tag in Alarmbereitschaft. Regelmäßig kontrolliert sie tagsüber und nachts manchmal sogar stündlich die Werte ihrer Tochter, sticht ihr dafür im Schlaf in den Finger. "Blutig messen", nennt sie das. "Sind die Werte zu niedrig und eine Unterzuckerung droht, muss ich sie wecken und ihr Saft zu trinken geben", berichtet die Mutter. Seit Februar schläft sie nicht mehr wirklich, ist erschöpft. Auch von der monatelangen Auseinandersetzung mit der Krankenkasse, die erst jetzt eine Insulinpumpe inklusiv Sensor und Warnsystem bewilligt hat, das der Mutter die Werte aufs Handy schickt und im Notfall alarmiert. Bis Melanie Özyavas der Technik allerdings vertrauen kann, wird sie noch viele weitere Nächte ständig aufstehen und selbst kontrollieren. Kostenübernahme für eine I-Kraft ist nicht geregelt Viel schwerer aber wiegt ihre Sorge über Saras Schulstart in drei Wochen. Nach Rücksprache mit Rita-Auffenberg, erste Vorsitzende des Fördervereins Sugarkids, hatte Melanie Özyavas beim Sozialamt des Kreises bereits im Februar einen Antrag auf eine Integrationskraft für ihre Tochter zum Schulstart gestellt, aber erst im Juli sei diese Stelle ausgeschrieben worden, beklagt die Mutter. "Laut einem Gerichtsurteil haben Kinder mit Diabetes das Recht auf eine Schulbegleitung. Leider gibt es bislang aber keine Regelung zur Kostenübernahme", berichtet Rita Auffenberg. Daher seien die Familien mit einem immensen bürokratischen Aufwand konfrontiert und müssten extrem lange Bearbeitungszeiten einkalkulieren, weil sich die zuständigen Stellen die Papiere hin und her reichten. Rita Auffenberg weiß von kreisweit etwa zehn Typ-1-Diabetes-Kindern, die im August eingeschult werden, und in derselben Situation stecken wie Sara. In einem Fall, der ihr bekannt ist, durfte das Kind im vergangenen Jahr nur zur Schule gehen, weil sich die Mutter mit in den Klassenraum setzte. "Fehlt eine Integrationskraft, müssen Lehrer die Kinder bei den zu verrichtenden Maßnahmen unterstützen. Längst nicht alle sind dazu bereit, diese Verantwortung zu übernehmen. Das kann man auch verstehen", konstatiert Kathrin Wittenbrink, zweite Vorsitzende von Sugarkids. Der Verein fordert daher dringend eine Veränderung im Prozedere der Inklusion betroffener Kinder: "Es sollte selbstverständlich sein, dass Kinder bis zum 3. Schuljahr eine Integrationskraft zur Seite gestellt bekommen". "Wir wünschen uns Hilfe von der Politik" Mit solch einer Regelung würden die hohen formellen Barrieren für Familien, Diabetologen und auch fürs Kreissozialamt wegfallen und alle Kinder hätten zum Schulstart die gleichen Voraussetzungen, betonen Auffenberg und Wittenbrink. "Wir wünschen uns von der örtlichen Politik ein viel größeres Engagement und konkrete Hilfestellungen für betroffene Familien, um die Teilhabe der Kinder zu garantieren", betonen die beiden Vereinsvorsitzenden, die sich auch schon mit einem Brief an Landrat Christoph Rüther gewendet haben. Melanie Özyavas sucht derweil auch in Eigenregie nach einer I-Kraft für Sara. "Zur Not", sagt die berufstätige Mutter, "muss ich mit in die Schule."

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