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Kreis Paderborn Seltene Mieze kommt auf leisen Pfoten

Erstes Wildkatzen-Foto: Brücke über die B 64 wird nicht nur von großen Tieren geschätzt

VON JUTTA STEINMETZ
04.09.2014 , 12:18 Uhr

Kreis Paderborn. "Über sieben Brücken musst du gehn", sang vor 36 Jahren die Band Karat über die Bewältigung einer unglücklichen Beziehung. Das heimische Wild in der Egge hat es da besser. Seit 15 Monaten bietet ihm die Grünbrücke bei Buke sicheren Übergang, wenn es - möglicherweise der Liebe wegen - in Nord-Süd-Richtung vom einem Teil der Egge in den anderen wechseln will. Dass unter den spazierfreudigen Tieren auch die seltene Wildkatze ist, zeigt jetzt ein Foto, das am vergangenen Wochenende auf der Brücke geschossen wurde.

Das Zusammenleben von Menschen und (wilden) Tieren ist alles andere als einfach. Während für den Zweibeiner Straßen verbindenden Charakter haben, sind sie für Tiere gefährliche Hindernisse, bei deren Überwindung sie nicht selten ihr Leben verlieren.

"Das Eggegebirge ist für Rotwild und Wildkatze eine Art Korridor", erklärt Jan Preller vom Naturschutzzentrum Steinbeke. Durch diesen können Hirsch und Co. aus dem Sauerland in den Teutoburger Wald oder in die Senne wechseln (und natürlich umgekehrt) und so dauerhaft gesunde Populationen bilden. Die stark befahrene Bundesstraße 64 (10.000 bis 13.000 Autos sind auf ihr täglich unterwegs) war da jahrelang ein gewaltiges Hindernis - bis 2013 die Wildbrücke eröffnet wurde. "Sie ist eine wichtige Querungshilfe" sagt Preller.

Stattliche 50 Meter ist sie breit, ein spezieller Zaun entlang der Bundesstraße hält die Viecher vom Betreten der Asphaltbahn ab und lenkt sie auf die Brücke, die mit schmackhaften Pflanzen wie Klee bewachsen ist und damit wohl die optimale Kulisse für tierisches Flanieren ist. Da ist nämlich schon seit geraumer Zeit so einiges los, wie die Kameras, die in Verantwortung des Regionalforstamtes Hochstift (Landesbetrieb Wald und Holz) in Zusammenarbeit mit der Wildforschungsstelle Bonn aufgestellt wurden, ans Tageslicht bringen: Rothirsche, die sich geradezu in Positur stellen oder gemütlich vor den Fotoapparaten lagern, Rehwild, das über das satte Grün schlendert, gemütlich schnürende Füchse und bummelnde Marder. Selbst die kluge Rabenkrähe lässt sich auf der Brücke, die für Menschen absolut tabu ist, ablichten.

Dass unter dem reisefreudigen Getier auch die Wildkatze sein muss, das hat Revierförster Andreas Marten, der sich um die Brücke und die Kameras kümmert, schon lange gemutmaßt. Schließlich ist die wilde Mieze seit einigen Jahren wieder heimisch geworden. 31 Wildkatzen konnten jüngst nach einem Monitoring in der Egge nachgewiesen werden.

Doch anscheinend ist Felis Silvestris, wie der Vierbeiner im Fachjargon heißt, ein fotoscheues Wesen. "Wahrscheinlich ist sie bislang unter den Kameras hergelaufen", mutmaßt Andreas Marten, der im eigens auf den Brücken-Fundament-Simsen ausgestreuten Sand schon reichlich Abdrücke zarter Katzenpfötchen gesehen hat. Aber nur mit diesen Spuren eine Wildkatze zu identifizieren, ist schier unmöglich. Und so war die Begeisterung groß, als er am Wochenende beim Einlesen der Kamerakarten den seltenen Wildling erkannte und Fachleute seine Vermutung bestätigten.

"Wir freuen uns", sagt Roland Schockemöhle, Leiter des Regionalforstamtes Hochstift. "Wir haben hier nämlich in unseren von Buchen geprägten Wäldern, in denen Strukturreichtum von vielen Förstern geschaffen wurde, eine große Artenvielfalt. Jetzt sehen wir, dass unser Konzept aufgeht."


Zwischenruf

VON JUTTA STEINMETZ


Es ist tatsächlich ein sattes Sümmchen, mit dem wilden Tieren ein gefahrloser Übergang über die Bundesstraße 64 ermöglicht wird: 3,4 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, jenem Paket also, das der deutschen Wirtschaft in Krisenzeiten auf die Beine helfen sollte. Mit der Grünbrücke bei Buke fand die Finanzspritze eine sinnvolle Verwendung. Sie hilft nämlich der heimischen Natur. Wie jetzt das erste Foto einer Wildkatze zeigt, trägt das mächtige (und vielfach stark kritisierte) Bauwerk dazu bei, vor der eigenen Haustür Artenvielfalt zu erhalten. Das ist wichtig. Denn Biodiversität ist kein leeres Wort, sondern ein Qualitätssiegel für eine Umwelt, in der nicht nur Pflanzen und Tiere ihr angestammtes Plätzchen haben, sondern auch die Spezies Mensch. Denn Naturschutz ist letztlich Menschenschutz.

jutta.steinmetz@nw.de