Mordmotiv Habgier? Zweifacher Tatvorwurf gegen Angeklagten aus Espelkamp gerät vor Paderborner Gericht ins Wanken

Delbrück/Espelkamp. Es ist ein außergewöhnlicher Vorwurf, den die Paderborner Staatsanwaltschaft Tomas U. (alle Namen geändert) macht. Ankläger Kai Uwe Waschkies ist davon überzeugt, dass der 44-Jährige zwei ältere Herren – einen ehemals betuchten Schweizer Staatsbürger und einen pensionierten Pfarrer aus dem Erzbistum Paderborn – erst finanziell ausnahm und dann versuchte, beide in den Suizid zu treiben. Deshalb wirft er Tomas U., wie berichtet, vor allem zwei Fälle versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft vor. In rechtlicher Hinsicht stellten sich da &bdquo;gravierende Fragen“, konstatiert der Vorsitzende Richter des Paderborner Schwurgerichts, Eric Schülke, nach sechs Verhandlungstagen. So lange haben sich die Richter bereits mit dem Fall befasst und alle Beteiligten sowie Zeugen zu ihrer Sicht der Dinge befragt. Da hören sie zunächst Tomas U., der jede kriminelle Aktivität weit von sich weist, stattdessen von seinen tiefen Freundschaften zu den beiden Männern berichtet, denen er nur Gutes, aber kein Leid habe antun wollen, und dann von seiner Krankheit erzählt, die ihn Stimmen hören lasse. Richard O., ehemals mit beträchtlichem Vermögen ausgestattet, fühlt sich betrogen, weil ihm Tomas U. vorgaukelte, mit ihm zusammen einen Gastronomiebetrieb gründen zu wollen, und ihm für das gescheiterte Projekt, aber auch für Geschenke und gemeinsame Aktivitäten insgesamt über 460.000 Euro aus der Tasche zog. Der 78-Jährige, der dem jüngeren Mann emotional sehr zugetan war, berichtet aber auch von Erniedrigungen, Drohungen und Handgreiflichkeiten, die ab dem vergangenen Winter die Beziehung prägten. Erfahrungen, die er mit dem pensionierten Pfarrer Emil S. teilt. Auch er gab Tomas S. Geld, auch ihn setzte der 44-Jährige unter Druck: Der Geistliche hatte Angst, seine homosexuelle Orientierung würde im Paderborner Generalvikariat bekannt. Den Schikanen nicht mehr gewachsen Tatsächlich fühlte sich Richard O. den Schikanen seines Freundes nicht mehr gewachsen und stach sich nach entsprechenden Bemerkungen des Angeklagten an einem Abend im Februar mehrfach mit einem Messer in den Hals und Emil S. setzte sich in einer Märznacht eine nicht ganz geringe Dosis Insulin – wie es Tomas U. von ihm verlangt haben soll. Trotzdem ist der Hauptvorwurf ins Wanken geraten. Das Gericht habe im Fall von Richard O. das Mordmerkmal Habgier nicht feststellen können, fasst der Vorsitzende Richter die vorläufige Auffassung des Gerichts am Ende der Beweisaufnahme zusammen. Denn der 78-Jährige habe in der Tatnacht &bdquo;kein nennenswertes Vermögen“ mehr besessen. Ähnlich schätzt die Kammer auch das Geschehen um Emil S. ein. Schülke verweist da vor allem auf die Ausführungen des psychiatrischen Gutachters, der sich mit den beidem Männern beschäftigt hat. Psychiatrisches Gutachten Diesem hatte der pensionierte Pfarrer berichtet, dass er sich mit dem Spritzen der Insulindosis nicht habe selbst töten, sondern er habe einer &bdquo;subjektiven Notfalllage“ entkommen wollen. &bdquo;Er hat sich gespritzt, um zu überleben“, so die Überzeugung des Psychiaters Brian Blackwell. Nachdenken wollen die Richter aber noch darüber, wie zu werten ist, dass Tomas U. einem Zeugen und den Rettungskräften mehrfach sagte, mit Emil S. sei alles in Ordnung. Und dann ist da noch die Frage, ob der Angeklagte für sein Handeln in Gänze verantwortlich gemacht werden kann. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass Tomas U. wegen einer psychischen Erkrankung – er selbst spricht von einer &bdquo;paranoiden Schizophrenie“ – in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt ist. Am Dienstag, 25. Oktober, soll sich zu dieser Problematik der Psychiater Gerhard Dankwarth äußern. Zwei Tage später wollen die Richter ihr Urteil sprechen.

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