Bad Lippspringe (ag). Das heitere Gemüt sieht man Ottilie Jeschke bereits auf den ersten Blick an. An diesem Sonntag feiert sie im Altenheim St. Josef in Bad Lippspringe ihren 101. Geburtstag. Trotz ihres hohen Alters ist die freundliche Dame noch guter Gesundheit und wird als ein Mensch beschrieben, der immer gute Laune hat.
Dabei hat das Schicksal es nicht immer gut mit der gebürtigen Oberschlesierin gemeint. Dort wuchs sie als einziges Mädchen unter fünf Geschwistern in Mohrau im Landkreis Neisse auf. Bereits mit 14 Jahren war sie in einem Haushalt in Breslau angestellt. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann kennen und lieben. 1936 gab sie dem Berufssoldaten ihr Ja-Wort. Durch eine Versetzung ihres Mannes kam Ottilie Jeschke schließlich nach Herford.
Das Glück hielt nur fünf Jahre. Dann die Tragödie: Am Tag der Geburt ihres Sohnes fiel ihr Mann an der Front. Vor rund 25 Jahren suchte Ottilie Jeschke die Grabstätte ihres verstorbenen Mannes in Estland auf. Während ihres Aufenthaltes war sie auch Zeuge der "singenden Revolution in Estland.
Als die Bomben auf Herford krachten, floh die Alleinerziehende zurück in ihre Heimat. Als die Russen einmarschierten, floh sie über die Tschechoslowakei zurück in den Westen nach Herford. Von dem verdienten Geld bei den englischen Besatzern als Schneiderin baute sich Ottilie Jeschke 1962 ein Haus. Bis vor fünf Jahren führte sie noch allein ihren Haushalt. Weil ihr Sohn in Schlangen wohnt, kam sie nach Bad Lippspringe.
Über ihre Lebensgeschichte hat sie ein Buch geschrieben. "Man musste leben fürs Kind und weiter stark sein", sagt Ottilie Jeschke. Zeitlebens handelte sie nach christlichen Grundwerten. So hat sie in ihrem Haus Verwandte und Nachbarn gepflegt. Die Arbeit habe sie immer fit gehalten, vermutet sie.
Noch heute liest sie täglich ihre Zeitung, bringt die Mitmenschen mit ihrem trockenen Humor zum Lachen und freut sich über ihre Enkelkinder. Eines vermisst sie dann doch in ihrem Leben. Gerne würde sie wieder wie früher Gäste in ihrem Haus bekochen, am liebsten mit Schmorbraten, schlesischen Klößen und Rotkohl, wenn sie es noch könnte.
Gut gekocht hatte Ottilie Jeschke auch bei den Engländern nach dem Krieg. Als sie 1949 eine Dose mit gelbem Pulver in die Hände bekam, verarbeitete sie dieses spontan mit ihrer Kohlroulade, später mit einer Wurst. "Meine Mutter ist die Erfinderin der Currywurst", kommentiert ihr Sohn und zwinkert mit den Augen.