Arbeitswelt Kein Arbeitsplatz für Rollstuhlfahrer: Ein Betroffener hat dafür kein Verständnis

Minden. Als Niclas Sandvoß im Sommer des vergangenen Jahres eine betriebliche Qualifizierung in einem Kindergarten in Petershagen machte, fühlte sich der 23-Jährige angekommen. Nach einer langen Zeit des Haderns mit seiner Krankheit, seinem Rollstuhl und seiner Lernschwäche konnte er endlich das machen, was ihm Spaß macht: mit Kindern arbeiten. &bdquo;Das ist mein Traumberuf", sagte er damals. Und obwohl er wegen seiner körperlichen Einschränkung nicht in allen Bereichen tätig sein konnte, sei ihm immer wieder signalisiert und bestätigt worden, dass er eine Unterstützung sei. &bdquo;Ich habe Bücher vorgelesen, Aufsicht geführt, mit den Kindern Spiele gespielt, beim Essen geholfen und Fahrzeuge ausgegeben", zählt er auf, was er dort gemacht hat. Schließlich wurde das Praktikum aber nicht verlängert. &bdquo;Ich wäre gern noch geblieben", sagt Niclas Sandvoß, der am liebsten einen festen Job als Assistenzkraft in dem Bereich hätte. Auch das Praktikum in einer Grundschule führte zu nichts Eine wirklich klare Aussage habe er vom Kindergarten nicht bekommen. &bdquo;Ich glaube, dass die sich nicht vorstellen können, wie sie mich auf Dauer einsetzen können. Dabei bin ich schon froh, wenn ich die einfach unterstützen kann", beschreibt Niclas Sandvoß gegenüber dem "Mindener Tageblatt", das über den Fall berichtet, was seiner Meinung nach dahinter steckt, dass er in dem Kindergarten nicht bleiben durfte. Auch ein zehnmonatiges Praktikum an einer Grundschule, das er im Anschluss gemacht hat, hat zu nichts geführt. Dort hat er im Unterricht geholfen und im Ganztag betreut – und sei kurz davor gewesen, übernommen zu werden. &bdquo;Aber dann haben die sich das plötzlich anders überlegt und gemeint, dass ich zu viel Hilfe benötigen würde, als dass ich helfen könnte." Seine Kollegen und er selbst hätten das nicht so erlebt. Und auch die Kinder hätten viel Freude mit ihm gehabt. &bdquo;Aber man traut mir das nicht zu, dabei habe ich es schon bewiesen", meint der junge Mindener, dessen größter Wunsch es ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Sein Traumberuf ist die Arbeit mit Kindern Nach seiner eigenen Grundschulzeit hat Niclas Sandvoß die Förderschule am Weserbogen besucht und wusste danach nicht, wie es weitergehen sollte – eine schwere Zeit für ihn, ohne jegliche Perspektive. Aus dem Loch hat er sich herausgekämpft und einen Weg gefunden. In der sogenannten unterstützten Beschäftigung nach Paragraf 55 SGB IX lernte er verschiedene Betriebe kennen, war in der Werkstatt für behinderte Menschen in Minden und im Stöberparadies der Diakonie tätig, bevor er seinen Traumberuf in der Arbeit mit Kindern entdeckte. Aktuell ist er in einer Werkstatt der Diakonie im Bereich Elektro und Montage beschäftigt und verpackt dort Dinge oder baut Stecker zusammen. &bdquo;Aber dabei fühle ich mich intellektuell unterfordert, ich kann mehr", sagt der Querschnittsgelähmte, der am liebsten mit Menschen arbeiten würde. Was Niclas Sandvoß nicht versteht, ist die Tatsache, dass Arbeitskräfte besonders im sozialen oder pflegerischen Bereich gesucht werden, er aber keinen Arbeitsplatz findet und in der Behindertenwerkstatt arbeiten muss. Das passt für ihn nicht zusammen. &bdquo;Wenn die jemanden brauchen, warum nehmen die dann nicht mich?", fragt er sich immer wieder. &bdquo;Ich möchte eine Beschäftigung, die sinnvoll ist und mich fordert und keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme", bringt er sein Anliegen auf den Punkt. Oft habe er sich vorgestellt, was passieren würde, wenn Menschen, die gesund sind und voll im Berufsleben stecken, plötzlich im Rollstuhl landen würden. &bdquo;Die möchten dann auch keine Tüten packen", ist er überzeugt. Frustriert und verärgert Mittlerweile sei er frustriert, verärgert und wütend. &bdquo;Mir wurde mehrfach gesagt, dass ich eine gute Unterstützung bin, einen Arbeitsplatz habe ich aber nie bekommen." Über Inklusion oder Integration würde vor allem viel geredet. &bdquo;Aber da kommt nichts an, davon sind wir weit entfernt", beschreibt er seine Erfahrungen, die er nicht mehr hinnehmen und auf die er aufmerksam machen möchte. &bdquo;Alle Menschen sind gleich, irgendein Defizit haben alle", beschreibt er, wie er sich den Blick auf Menschen mit einer Behinderung wünscht. Gerade hofft der 23-Jährige wieder mal das sich ein Traum erfüllt. In einem Pflegeheim hat er eine Zusage für ein Praktikum bekommen. Das soll irgendwann im nächsten Jahr beginnen. Niclas hofft sehr, dass das etwas Längeres werden könnte, im besten Fall eine feste Anstellung. Für viele Jobs bedarf es einer Ausbildung Theoretisch würde es die Möglichkeit geben, äußert sich Dennis Müller vorsichtig dazu. Er ist Fachbereichsleiter für betriebliche Inklusion bei der Diakonie Stiftung Salem und Leiter des Integrationsfachdienstes im Kreis Minden-Lübbecke. Generell müsse aber zum Beispiel immer auch das Fachkräftegebot beachtet werden. &bdquo;Für viele Jobs bedarf es einfach einer Ausbildung", macht er deutlich und verweist aber auch auf Ausgleichszahlungen, auf die Betriebe einen Anspruch haben können. &bdquo;Es gibt Unterstützungsmöglichkeiten, also Geld dafür, wenn jemand langsamer arbeitet oder bestimmte Dinge nicht kann oder für Personen, die dann zusätzlich unterstützen müssen", erklärt er. Für ihn sei es schwer, etwas Konkretes zu Niclas Sandvoß Situation zu sagen, ohne die Umstände genauer zu kennen. &bdquo;Jeder Fall ist sehr individuell und muss auch so betrachtet werden", so Müller, der aber auf einige mögliche Wege in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Anschluss an die Förderschule verweist (siehe Kasten). Wenn es der Kindergarten für Niclas Sandvoß nicht sein kann und auch nicht die Schule, dann ja vielleicht das Seniorenheim. &bdquo;Hauptsache irgendetwas im sozialen Bereich mit Menschen – und keine Stecker oder Verpackungen", wünscht er sich.

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