Krankenhäuser Zu streng? Schwangere kritisiert Corona-Regeln am Mindener Klinikum

Minden. Wenn alles gut läuft, ist die Familie aus Petershagen im Dezember um ein Mitglied reicher – und dann zu fünft. Die 42-jährige Mutter erwartet Nachwuchs und will eigentlich am Johannes-Wesling-Klinikum entbinden. Der Plan steht so lange, bis sie auf der Internetseite des Klinikums feststellt, dass ihr Mann dann jedoch offenbar außen vor bliebe und das Personal ihn nicht in den Kreißsaal ließe. Während andere Krankenhäuser ihre Corona-Regeln lockerten, herrsche in Minden auf der Geburtshilfe noch die 2G+-Regel (geimpft oder genesen und zusätzlich getestet) – und als Ungeimpfter müsste der Mann dann draußen warten, behauptet die Frau. Tatsächlich dürfte er Mann mit zur Entbindung, später dann aber nicht auf die Station. Verstehen kann das die 42-Jährige nicht: &bdquo;Die Regel hat keinen medizinischen Nutzen, denn Geimpfte und Genesen können das Virus weiter verbreiten.“ Deswegen sollte 2G+ überall schnellstmöglich abgeschafft werden, auch am Klinikum, fordert sie. Dort müssen die Besucher derzeit einen aktuellen Test vorweisen und eine FFP2-Maske tragen. Anders sieht es in der Kinderklinik, Geburtshilfe, Neugeborenenstation, der Onkologie und den Intensivstationen aus, wo laut Internetseite des Klinikums die 2G+-Regel gilt. Sonderregel auf der Neugeborenenstation Klinikumssprecher Christian Busse stellt klar: &bdquo;Mit der Geburtshilfe ist nicht der Kreißsaal gemeint, denn dort dürfen auch ungeimpfte Personen eine Gebärende begleiten.“ Dr. Philipp Soergel, Direktor der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, teilt mit: &bdquo;Keine Frau muss ohne ihren möglicherweise ungeimpften Begleiter entbinden.“ Er müsse lediglich gesund sein und sich einem Schnelltest unterziehen. Von der 2G+-Regel haben sich auch andere Häuser im Kreißsaal inzwischen verabschiedet, wie eine Recherche zeigt. Das Klinikum sowie das Mathilden-Hospital in Herford setzen genauso auf das im Infektionsschutzgesetz verankerte 1G (nur getestet) wie auch das Klinikum Bethel in Bielefeld und das Klinikum Schaumburg. Der Begleiter muss sich dort vorher testen, zur Not auch im Kreißsaal selbst per Schnelltest, und eine FFP2-Maske tragen. &bdquo;Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt eine Sprecherin des Mathilden-Hospitals. Im Evangelischen Klinikum Bethel durften auch vor 1G werdende Väter unabhängig vom Impfstatus bei der Geburt dabei sein, erklärt Chefarzt Dr. Hans Werner Kottkamp auf Anfrage des "Mindener Tageblatts" (MT). Corona-Infektion verschwiegen In Minden gilt allerdings auf der Neugeborenenstation die 2G+-Regel. Der Mann der Petershägerin dürfte also in den Kreißsaal, aber nach der Geburt nicht mit auf die Station. &bdquo;Neugeborene und junge Mütter sind als besonders vulnerable Gruppe besonders zu schützen“, erklärt Sprecher Busse. Daher sei die Impfung für die Begleitpersonen auf der Neugeborenenstation als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme vom Direktor des Instituts für Krankenhaushygiene , Dr. Peter Witte, in Absprache mit den Klinikdirektoren weiterhin vorgeschrieben. &bdquo;Das dient auch dem Gesundheitsschutz unserer Mitarbeiter.“ Sonderregeln aufgrund ärztlicher Einzelfallentscheidungen seien jederzeit möglich. Busse teilt zudem mit, dass im Kreißsaal bereits Begleiter eine Corona-Infektion verschwiegen und die Mitarbeiter dadurch gefährdet hätten. Auch auf der Neugeborenenstation seien ungeimpfte Begleiter gewesen, die laut Busse für Corona-Einträge nachweislich verantwortlich waren: &bdquo;Damit wurden sowohl andere Mütter als auch deren Neugeborenen gefährdet.“ Die Besucherregel auf der Neugeborenenstation wäre allerdings offen auf der Homepage der Mühlenkreiskliniken kommuniziert. &bdquo;Die meisten Begleitpersonen haben neun Monate Zeit, sich auf die Geburt und auf die Zeit im Krankenhaus einzustellen und eine fehlende Impfung nachzuholen oder andere Lösungen zu finden“, erklärt Busse. Beide lehnen Impfung "aus persönlichen Gründen" ab Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalens (MAGS) kann verstehen, dass Krankenhäuser und gerade auch Geburts- und Entbindungsstationen möglichst gut dafür sorgen wollen, Ansteckungen von (werdenden) Müttern, Patientinnen, aber auch des Personals so gut wie möglich zu vermeiden, teilt eine Sprecherin auf MT-Anfrage mit. &bdquo;Die Berücksichtigung des Impf- oder Genesenenstatus von Besuchern ist dabei aber in der jetzigen Phase der Pandemie aus Sicht des Gesundheitsministeriums nicht mehr angezeigt.“ Der Sprecher der Mühlenkreiskliniken erwidert darauf, dass man in der gesamten Coronazeit sehr gute Erfahrungen damit gemacht habe, auch in Anbetracht der Gesetze auf die eigene infektiologische Expertise vor Ort zu vertrauen. Die MAGS-Sprecherin bestätigt, dass Krankenhäuser ein Hausrecht hätten und bestimmte Auflagen machen können. &bdquo;Vor dem Hintergrund, dass der Bundesgesetzgeber bereits Maßnahmen zum Schutz vor Covid-19 getroffen hat, müssen sich Regeln des Hausrechts daher ganz konkret auf die Situation vor Ort beziehen.“ Weitergehende Regeln dürften nur zulässig sein, wenn sie zum Schutz vulnerabler Personen zwingend erforderlich seien, so die Sprecherin. Derweil hat sich die Petershägerin inzwischen gegen das Mindener Klinikum entschieden und will nun in Schaumburg entbinden. Auf die Frage, warum sich ihr Partner gegen die Corona-Impfung entschlossen hat, antwortet sie: &bdquo;Aus persönlichen Gründen.“ Auch sie selbst lehnt die Immunisierung ab.

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