Minden Das plant die AWO in Minden: Frauenhaus schließt, Wohnhaus wird verkauft

Minden/Porta Westfalica/Bielefeld. Es hört sich nach Kahlschlag an: Der Bezirksverband OWL der Arbeiterwohlfahrt (Awo) kündigte vor ein paar Tagen etliche Sparmaßnahmen an. Darunter fallen auch die Schließung des Frauenschutzzentrums in Minden und der Verkauf einer Wohnanlage in der Weserstadt. Einem Bericht, dass er die Trägerschaft seiner Kindertageseinrichtungen abgeben wolle, wenn Kommunen nicht seinen finanziellen Anteil übernähmen, widersprach der Wohlfahrtsverband später. Wie sehen die genauen Auswirkungen auf heimische Einrichtungen aus? Und was sind die Gründe? Zumindest bei einer Einrichtung gehe es nicht nur ums Geld, teilt eine Awo-Sprecherin mit. Sparmaßnahmen Der Vorstand des Sozialverbands hatte öffentlich gemacht, sparen zu müssen und &bdquo;teilweise schmerzhafte Maßnahmen“ angekündigt. Dazu zählen unter anderem der Verkauf von Immobilien und die Trennung von bestimmten Einrichtungen. &bdquo;Die Nachricht, dass die AWO Ostwestfalen-Lippe in dieser finanziell sehr angespannten Lage ist, hat die Stadt Minden völlig überrascht“, teilt Bürgermeister Michael Jäcke (SPD) mit. Auch er habe davon erst am Mittwoch offiziell erfahren. Anfang September solle es einen Gesprächstermin mit der Awo-Leitung geben. Awo-Sprecherin Beatriz García begründet die Schritte am Donnerstag gegenüber dem MT mit einer problematischen Sozialpolitik. Der Wohlfahrtsverband müsse hohe Eigenmittel aufbringen, die in der Vergangenheit etwa durch Tariferhöhungen und Steigerungen bei den Sachkosten immer weiter zugenommen hätten. &bdquo;Wir können nicht alles finanzieren. Die Eigenmittel müssen wir aus unseren Einrichtungen nehmen.“ Den Schritt wertete sie als &bdquo;eine Art Hilferuf“. In Minden betreibt die Awo unter anderem Beratungsstellen sowie eine Pflegeeinrichtung. Warum sie sich ausgerechnet vom Frauenhaus sowie einer Wohnanlage trennen möchte, erklärt Sprecherin Beatriz García so: &bdquo;Wir müssen uns konzentrieren: Unsere großen Säulen sind die Kindertagesbetreuung und Senioren.“ Zur Höhe der angepeilten Einsparungen möchte sich die Pressesprecherin nicht äußern. Keine Kita-Schließungen Eine gute Nachricht vorneweg: Es seien keine Kita-Schließungen geplant, betont García. Insgesamt betreibt die AWO OWL 123 Einrichtungen in der Region, darunter sechs in Minden sowie Porta Westfalica. Der Sozialverband möchte, dass die jeweiligen Kommunen für alle seine Kitas den Trägeranteil übernehmen. Dabei handelt es sich um Eigenmittel für die laufenden Kosten. Für die Awo liegt die Höhe bei 7,8 Prozent. Die Stadt Porta Westfalica übernehme bereits aufgrund &bdquo;langjährig bestehender vertraglicher Vereinbarungen die Trägeranteile der Awo“, wie Jugendamtsleiter Jens Kütenbrink auf Nachfrage dem MT schriftlich mitteilt. Hier sei die Awo der freie Träger mit den meisten Einrichtungen: Sechs Kitas mit mehr als 430 Plätzen betreibt er in verschiedenen Ortsteilen. Von der Stadt Minden bekomme die Awo für ihre sechs Einrichtungen bereits Zuschüsse zum Trägeranteil, teilt der dortige Jugendamtsleiter Eckhard Mohrmann mit. Bislang sei die Awo nicht auf das Jugendamt zugegangen, um um eine weitere Übernahme bzw. Teilübernahme des Trägeranteils zu bitten. Dies wäre der erste Schritt für folgende Gespräche und Aushandlungen. Was passiert, wenn weitere Zuschüsse ausblieben, möchte die Awo-Sprecherin nicht kommentieren. &bdquo;Da eine Aussage dazu reine Spekulation wäre, würde ich mich dazu nicht äußern.“ Zufluchtsort fällt weg Auf der Awo-Streichliste steht auch das Frauenschutzzentrum in Minden. Es soll bis Ende des Jahres schließen. &bdquo;Die geplante Schließung des Frauenschutzzentrums ist mehr als bedauerlich“, teilt Silke Williams von der Gleichstellungsstelle der Stadt Minden mit. Frauenhäuser seien häufig die einzige Anlaufstelle, um der häuslichen Gewalt zu entfliehen. Deren Mitarbeitende würden Betroffenen zudem helfen, eine Perspektive auf ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben zu erreichen. Das Frauenhaus hatte die Awo in den Neunzigerjahren übernommen, vorher wurde es von einem Verein betrieben. Es bot acht Plätze für Frauen und ihre Kinder. Im vergangenen Jahr wurden hier 40 Frauen und 46 Kinder betreut, wie eine Mitarbeiterin im jüngsten Kreis-Gleichstellungsausschuss berichtet hatte. Insgesamt 115 Frauen mussten mangels Platz allerdings abgelehnt werden. Schon länger hatte die Awo über ein anderes Konzept nachgedacht, wie die damalige Frauenhaus-Leiterin vor einem Jahr dem MT berichtete. Einiges passte demnach nicht mehr in die Zeit, sei es die Raumaufteilung oder dass psychisch erkrankte, obdachlose oder Frauen mit Suchtproblematik sowie Jungen ab 13 Jahren nicht aufgenommen wurden. Auch Kreisdirektorin Cornelia Schöder bedauert die Schließung: &bdquo;In unserem Hilfenetzwerk ist das Frauenhaus ein wichtiger Baustein, der sich nicht so ohne Weiteres ersetzen lässt. Nicht umsonst hatten wir eine feste finanzielle Unterstützung eingeplant.“ Die war dieses Jahr noch angehoben worden: von 152.732 auf 168.000 Euro. Zusätzlich gab es Geld für die Besetzung der 24-Stunden-Helpline, die sich die Mindener mit dem Frauenhaus in Espelkamp teilen. Eine vergangenes Jahr beantragte Landesförderung wurde hingegen negativ beschieden, wie Awo-Sprecherin Beatriz García mitteilt. Auf Nachfrage teilt das NRW-Familienministerium allerdings mit: &bdquo;Ein formaler Zuwendungsantrag wurde vom Trägerverein nicht gestellt.“ Eine Förderung sei in der Vergangenheit nicht in Betracht gekommen, da das Frauenhaus nicht über die erforderliche Mindestzahl von acht Plätzen für Frauen (plus Kinderplätze) verfügte. Die Awo-Sprecherin berichtet zudem, dass ein Problem auch das renovierungsbedürftige Gebäude gewesen sei. Der Vermieter habe nicht investieren, sondern es verkaufen wollen. Die Mindener Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (MEW), eine Tochter der Stadt, teilt dazu mit, dass notwendige Unterhaltungen und Instandsetzungen durchgeführt worden seien. &bdquo;Über künftige Maßnahmen waren wir im engen Austausch mit der Awo.“ Eine notwendige Grundsanierung des Gebäudes aus dem Jahr 1912 wäre für die MEW wirtschaftlich nicht darstellbar gewesen. Darum habe man Grundstück und Gebäude der Awo zum Kauf angeboten. Hoffnungsschimmer? Wenn sich kein anderer Träger finde, werde es für in Not geratene Frauen – häufig mit Kindern – schwer, einen Platz in einer benachbarten Einrichtung zu finden, teilt Michael Jäcke mit. &bdquo;Wir werden als Stadt zeitnah das Gespräch – unter anderem mit benachbarten Kommunen – suchen.“ Auch das NRW-Familienministerium sucht nach einer Lösung: Die zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) habe sich am Donnerstag mit der Fachreferentin der AWO dazu ausgetauscht: &bdquo;Alle Beteiligten suchen intensiv nach Lösungsmöglichkeiten, um die Schließung abzuwenden.“ Beatriz García betont, dass die Awo sich keineswegs komplett aus dem Frauenschutz zurückziehen wolle. Die Mindener Beratungsstelle etwa soll bestehen bleiben. Und wenn es neue Möglichkeiten für eine Immobilie gäbe, könnte das Frauenschutzzentrum fortgeführt werden. &bdquo;Aber wir suchen im Moment nicht.“ Von der Schließung seien drei Mitarbeiterinnen betroffen, die nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen würden. Jetzige Bewohnerinnen sollten in anderen Frauenhäusern untergebracht oder so unterstützt werden, dass sie selbstständig werden. Schluss bei der Helpline Das zweite Frauenhaus im Kreisgebiet, das in Espelkamp vom Verein &bdquo;Hexenhaus“ geführt wird, teilt mit, dass es die wegfallenden Plätze nicht auffangen könne. Seine zehn Plätze plus zwei Notplätze seien belegt, so Gesamtgeschäftsführerin Elke Schmidt-Sawatzki. Auch hier gebe es einen &bdquo;Rückstau“, weil Frauen keine Wohnungen fänden. Konkrete Auswirkungen hat das Aus der Mindener Einrichtung auf die Hexenhaus-Mitarbeitenden vor allem bei der 24-Stunden-Helpline. Über diese konnten Frauen in Notlagen rund um die Uhr eine Mitarbeiterin erreichen, die ihnen weiterhalf. Die Rufbereitschaft teilten sich die Teams der beiden Einrichtungen bislang. Wohnhaus zu verkaufen Trennen möchte sich die Awo OWL zudem von einer Wohnanlage in Minden. Dabei handelt es sich laut der Sprecherin um ein Gebäude mit elf Wohneinheiten. An der Straße Zuschlag habe der Wohlfahrtsverband in den 1970er-Jahren zwei Mehrfamilienhäuser gebaut. Es habe sich um öffentlich geförderten Wohnraum gehandelt. Eines der Häuser sei später abgerissen, das zweite saniert worden. Dieses wolle man nun verkaufen, erklärt Sprecherin Beatriz Garcia. Laut MT-Informationen handelt es sich um das Haus mit der Adresse Zuschlag 16a. &bdquo;Wir müssen gucken, dass wir uns spezialisieren. Wir sind kein Immobilienunternehmen“, sagt sie. Ein Umbau etwa für beispielsweise betreutes Wohnen komme nicht in Frage. Dafür müsse ja wieder investiert werden. Ob es bereits Interessenten gibt, wie hoch die Verkaufssumme ist und ob die Mieter schon informiert wurden – dazu äußert sich die Sprecherin nicht. &bdquo;Der Beschluss wurde ja erst Montag gefasst. Wir gehen jetzt erst in Gespräche.“ Zum Zeitrahmen für den Verkauf sagt sie: &bdquo;So schnell wie möglich.“

Mehr zum Thema