Lübbecker Mediziner: „Patienten sterben nicht an der Grippe, sondern an Folgeerkrankungen“

Wie kann man eine echte Grippe von einem grippalen Infekt unterscheiden? Thomas Wege: Zunächst einmal natürlich mit einem diagnostischen Test. Dies kann prinzipiell ein Schnelltest sein. Alternativ steht für Influenza auch ein PCR-Test zur Verfügung. Natürlich wird dieser zu Hause nicht durchgeführt. Dies ist auch nicht nötig, da die Behandlung bei einem üblichen Verlauf auf einer Influenzainfektion nicht spezifisch auf die Influenzainfektion zugeschnitten ist und man von den üblichen Hygieneregeln abweichend keine weiteren Regeln zu beachten hat (Husten und Niesetikette: in die Ellenbeuge und nicht in die Hand husten, Hände waschen/desinfizieren, mit Fieber oder Atemwegsinfekt möglichst nicht in die Öffentlichkeit gehen, um andere Menschen nicht zu gefährden, falls dies nötig ist aus Rücksicht auf Nichtinfizierte möglichst einen Mundschutz oder eine FFP2-Maske tragen). Grippe oder Infekt: Unterschiede in der Schwere des Verlaufs Unterscheiden lassen sich die grippalen Infekte von einer echten Influenza am ehesten an der Schwere des Verlaufs. Influenza beginnt häufig plötzlich mit hohem Fieber um 39 Grad, sehr schlechten Allgemeinbefinden, Kopf- und Gliederschmerzen, Zeichen eines Atemwegsinfektes. Wenn zum Husten Luftnot hinzutritt, der Allgemeinzustand sehr schlecht wird oder zum Beispiel Kreislaufprobleme auftreten, ist eine stationäre Behandlung erforderlich. Ist die Grippewelle bereits in vollem Gang und wann sind tendenziell die meisten Influenzainfektionen zu verzeichnen? Nein. Die Grippewelle ist noch nicht im vollen Gang, wir haben allerdings schon die ersten Influenzafälle in Deutschland zu verzeichnen. Das Anwachsen einer solchen Infektionswelle erfolgt genau wie bei Covid auch exponentiell, das heißt, dass wir eine wirkliche Grippewelle in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten haben. Die Grippesaison startet typischerweise mit dem neuen Jahr in der Mitte des Januars und zieht sich oft bis in das beginnende Frühjahr, im vergangenen Jahr sogar bis zu den Osterferien. Wie viele Grippekranke müssen im Schnitt im Krankenhaus in der Saison behandelt werden? Steigt oder verringert sich die Zahl eher? Die genaue Zahl ist nicht vorhersehbar, die Schwere der Grippewelle variiert von Jahr zu Jahr. Damit variiert auch von Jahr zu Jahr die Zahl der stationär behandlungsbedürftigen Influenzapatienten. Das RKI geht von mehr als acht Millionen Grippekranken in der Saison 2023/2024 aus, die vergangene Influenzasaison war eher bedeutender. Die Zahl akuter respiratorischer Infekte, also vor allen Dingen grippeähnlicher Erkrankungen, geht im Moment in Deutschland als moderat erhöht. Hier spielt Influenza quantitativ noch keine Rolle, im Moment zirkulieren eher Rhinoviren als typische Schnupfenerreger. Darüber hinaus haben wir aktuell eine milde Coronawelle. Stationär behandlungsbedürftig waren in Deutschland in der Saison 2023/2024 nach PCR-bestätigten Daten (dies wird der Realität sicher nah kommen) knapp 50.000 Patienten. In einem Krankenhaus wie Lübbecke haben während der Grippesaison etwa die Hälfte der Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation eine akute Infektion der Atemwege in lebensbedrohlichem Ausmaß. Mindestens 30 Prozent davon haben während der Saison eine Influenzainfektion entweder als unmittelbare Ursache der Aufnahme oder als Wegbereiter für eine anderweitige Problematik, die zur intensivmedizinischen Behandlung zwingt. Hälfte der Intensiv-Patienten mit lebensbedrohlicher Atemwegsinfektion Wie viel Prozent derer müssen künstlich beatmet werden? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns über die Definition der künstlichen Beatmung einigen. Mittlerweile bestehen die Möglichkeiten der intensivmedizinischen Atemunterstützung bei Weitem nicht mehr nur aus dem berühmt-berüchtigten Tubus, dem Beatmungsschlauch in der Luftröhre und einer Behandlung im künstlichen Koma, man kann darüber hinaus auch eine sogenannte nichtinvasive Beatmung (nicht eingreifende Beatmung) mittels Maske, die jederzeit, z. B. für Gespräche oder Mahlzeiten unterbrochen werden kann, durchführen. Auch dies ist eine Form der künstlichen Beatmung. Letztlich muss man auch die sogenannte HFNC, eine Hochfluss-Sauerstofftherapie mit leichtem Überdruck über eine Nasenkanüle dazuzählen. Wenn man dies zusammennimmt, dann muss die ganz überwiegende Mehrheit der intensivmedizinischen behandlungsbedürftigen Patienten mit einer Influenza auch mit einer Atemunterstützung bzw. einer künstlichen Beatmung behandelt werden. Mehr zum Thema: Corona oder Grippe? So unterscheiden sich Symptome und Ansteckung Wird grundsätzlich allen Menschen geraten, sich gegen Grippe impfen zu lassen und wenn ja, wann am besten? Die ständige Impfkommission empfiehlt die Grippeimpfung für alle Personen über 60 Jahre sowie Personen mit chronischen Grunderkrankungen ab einem Alter von sechs Monaten wie zum Beispiel Asthma oder COPD, chronische Herz-Kreislauf oder Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus und andere Stoffwechselkrankheiten, chronische neurologische Erkrankungen, angeborene oder erworbene Immunschwächen oder Tumortherapie. Darüber hinaus sollen Schwangere ab dem dritten Monat (ab dem zweiten Trimenon) geimpft werden, alle Schwangeren mit einer chronischen Grunderkrankung bereits im ersten Trimenon. Um Ausbrüche zu vermeiden, wird grundsätzlich den Bewohnern von Alters- oder Pflegeheimen, die aber in der Regel auch ein Alter von über 60 Jahren haben und damit ohnedies zur Indikationsgruppe zählen zur Impfung geraten. Auch Lehrern und Polizisten wird Impfung angeraten Aufgrund der hohen Gefährdung aufgrund des Publikumsverkehrs wird medizinischen Personal und Personal in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr (zum Beispiel Lehrern, Personen im Polizeivollzugsdienst) zu einer Impfung geraten. Darüber hinaus Personen in Berufen, in denen sie als mögliche Infektionsquelle Risikopersonen gefährden können, damit insbesondere Krankenhaus- und Pflegeheimmitarbeiter. Als besondere Gruppe ist noch einmal aufzuzählen, dass alle Personen mit häufigen oder direkten Kontakten zu Geflügel, Wildvögeln, Schweinen oder Robben geimpft werden sollten. Die Grippeimpfung erreicht ihre volle Wirksamkeit etwa nach zwei Wochen nach Verabreichung der Impfung. Daher wäre jetzt ausreichend Zeit, sich noch impfen zu lassen, dies gilt mindestens bis Mitte Dezember, gegebenenfalls kann man sich auch später noch impfen lassen. Wir beobachten jedes Jahr in Deutschland eine deutliche Übersterblichkeit in der Grippesaison. Patienten mit Influenza versterben nicht unbedingt unmittelbar an der Influenza, sondern an durch die Grippe ausgelösten Folgeerkrankungen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Insofern kann nur allen zur Impfung geraten werden, die zu den oben genannten Personenkreisen zählen. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Minden-Lübbecke

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