Stadtfinanzen Die Stadt Bad Oeynhausen schreibt tiefrote Zahlen - das steckt dahinter

Bad Oeynhausen. Wäre das Wort nicht schon anderweitig besetzt, dann hätte der Kämmerer vermutlich von einer Zeitenwende gesprochen. Nun spricht nur von einer "Kehrtwende", einer Richtungsänderung der Stadtfinanzen. Nach vielen glücklichen Jahren mit stattlichen Überschüssen legte Marco Kindler dem Stadtrat am Mittwochabend einen Haushaltsentwurf für 2023 vor, der tief, sehr tief in den roten Zahlen endet. "Das war nicht leicht", lautet sein Kommentar zur Haushaltsaufstellung. Dabei scheint Bad Oeynhausen sich doch in komfortabler Ausgangslage zu befinden. Die Gewerbesteuer sprudelt, zumindest bislang unbeeindruckt von Corona oder Ukraine-Krieg. Bis Ende 2020 konnte Kindler 24,5 Millionen Euro in die Rücklage packen. Der Haushalt 2021 endete mit einem Überschuss von 11,8 Millionen Euro, die die Summe auf der hohen Kante auf 36,4 Millionen Euro bringt. Und auch dieses Jahr könnte noch in den schwarzen Zahlen enden. "Das ist aber noch nicht ausgemacht", sagt Kindler. Aber dann: Der Haushaltsplan für 2023 sieht Einnahmen von 152,9 Millionen Euro vor. Und Ausgaben von 161,2 Millionen Euro. Macht ein Minus von 8,3 Millionen Euro. Und das Loch im Haushalt wäre noch viel größer, wenn der Kämmerer nicht besondere Aufwendungen ausweisen und quasi aus dem Etat herausrechnen dürfte. Als "außerordentliche Belastungen" weist der Etatplan 3,6 Millionen Euro aus, die durch die Pandemie entstanden sind, sowie 4 Millionen Euro infolge des Krieges in der Ukraine. Hier berechnet der Kämmerer nicht die Kosten für die Unterbringung der Geflüchteten aus der Ukraine. Dafür hat die Stadt in diesem Jahr bereits 875.000 Euro Bundesmittel bekommen. Als Kriegsfolgen schlagen vor allem die gewaltig steigenden Energiekosten zu Buche: Fürs Gas rechnet der Kämmerer mit 2,5 Millionen Euro mehr (plus 300 Prozent), für Strom mit gut 700.000 Euro (plus 137 Prozent) und für die Straßenbeleuchtung mit 610.000 Euro zusätzlich (plus 180 Prozent). "Inwieweit die Stadt von Energiepreisbremsen profitieren wird, bleibt abzuwarten", sagte Kindler. "Das wäre mehr als unser Polster" Rechnet man diese Summen noch in den Haushalt ein - was dem Kämmerer aufgrund des Landesfinanzierungsgesetzes erspart bleibt - dann betrüge das Defizit im Etatplan 2023 sogar 16 Millionen Euro. Und des Kämmerers Prognose für die folgenden Jahre ist nicht besser. Laut seiner Finanzplanung würden sich die Defizite in den Haushaltsplänen Bad Oeynhausens bis 2026 auf 48,8 Millionen Euro summieren. "Das wäre mehr als unser Polster in der Rücklage", so Kindler. Und das bei bislang noch guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Kindler rechnet am Ende dieses Jahres mit 33 bis 34 Millionen Euro an Gewerbesteuern. Im Plan angesetzt hatte er nur 30,1 Millionen. Die Spielbankabgabe hat mit rund 2 Millionen Euro ein Niveau erreicht, das an die Spitzeneinnahmen lange vergangener Jahre heranreicht. Und die Schlüsselzuweisungen des Landes sinken trotz deutlich gestiegener Steuereinnahmen der Stadt um moderate 2 Millionen Euro - dank des prall gefüllten Zuweisungstopfes beim Land. Vor allem mit Blick auf die kommenden vier Jahre hofft der Kämmerer auf Hilfen von Land und Bund. Und er mahnt die Politiker beim Geldausgeben zur "Zurückhaltung". Denn die Anhäufung der Krisen habe sogar "das Potenzial, uns perspektivisch an den Rand einer erneuten Haushaltssicherung zu treiben", so Kindler. Mehr Geld an die Stadtwerke - auch fürs neue Bad Von Zurückhaltung ist im Haushaltsplan 2023 aber noch nicht so viel zu spüren. Das sind zum Teil erhebliche Mehrkosten, die die Stadt aber auch gar nicht vermeiden könnte. Auf 10,7 Millionen Euro etwa taxiert der Kämmerer die Haushaltsmittel für Kitas. Auch die Aufwendungen für erzieherische Hilfen haben sich seit 2016 um 150 Prozent auf 6,5 Millionen Euro gesteigert. Laut Etatentwurf des Kreises muss Bad Oeynhausen im nächsten Jahr auch 34,3 Millionen Euro Kreisumlage zahlen - 3,3 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Freiwillig, aber auch durch die allgemeinen Kostensteigerungen begründbar ist die Erhöhung der Überweisungen der Stadt an die Stadtwerke, die um 1,5 Millionen auf 5,1 Millionen Euro steigen. "Ein wesentlicher Faktor dafür ist aber auch das neue Sielbad", erklärt Kindler. Das zusätzliche Geld von der Stadt ist nicht zur Deckung der Baukosten, sondern für die laufenden Betriebskosten des Bades vorgesehen. Jedes Jahr 5 Millionen für die Heimstätte Deutliche finanzielle Unterstützung wird auch die Städtische Gemeinnützige Heimstättengesellschaft SGH bekommen. In den nächsten vier Jahren will die Stadt jeweils 5 Millionen Euro an ihr Tochterunternehmen überweisen - das bislang gar keine Unterstützung aus der Stadtkasse bekam. "Unsere kommunale Wohnungsbaugesellschaft steht in den kommenden Jahren vor erheblichen Investitionen in den Bestand", begründete Kindler das. "Damit sollen auch die Vorgaben des Klimaschutzes umgesetzt werden." Im Investitionsplan für 2023 finden sich vor allem alte Bekannte: 10,2 Millionen Euro sind für die Umgestaltung des Sielwehrs vorgesehen, knapp 4 Millionen für den Umbau des ZOB, 6,8 Millionen für den Umbau der Mindener Straße, 6,4 Millionen Euro für die Sportanlagen im Schulzentrum Süd, 2,1 Millionen Euro für ein neues Jugendzentrum und 13,8 Millionen für die Erschließung von Wohngebieten. Bis 2026 summieren sich die geplanten Investitionen auf 117 Millionen Euro. Fast 72 Millionen Euro will die Stadt durch Zuschüsse und Erlösen aus Grundstücksverkäufen abdecken, der Rest werde über Kredite zu finanzieren sein, so Kindler. Sein Fazit: "Im kommenden Jahr werden wir sehr wahrscheinlich noch von unserem Finanzpolster profitieren, dieses aber weitgehend aufzehren." Ab 2024 werde die Stadt aber womöglich in die Verlegenheit kommen, die laufenden Aufwendungen und auch die Tilgung von Darlehn über Liquiditätskredite finanzieren zu müssen. "Das", so Kindler, "ist keine dauerhaft tragfähige Lösung."

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