Gelegenheit macht Diebe? Rentner findet Bargeld in der Sparkasse und wird wegen Unterschlagung verurteilt

Bad Oeynhausen. Anders als der Volksmund behauptet, liegt das Geld normalerweise nicht auf der Straße, sondern auf einem Konto. Manchmal liegt es aber doch überraschend griffbereit herum, zum Beispiel unbeaufsichtigt am Tresen einer Bankfiliale. Macht Gelegenheit Diebe? Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ist davon überzeugt, dass ein Rentner aus Bad Oeynhausen 670 Euro Bargeld vom Tresen der Sparkassenfiliale Rehme genommen hat. Das Geld hat eine Kundin zuvor von ihrem Konto abgehoben, in einen Umschlag gesteckt, den aber am Banktresen vergessen. Als sie ihre Schusseligkeit bemerkte, war das Geld weg. Der Rentner auch. Ermittler der Polizei Minden-Lübbecke haben den 66-jährigen Rentner aus Bad Oeynhausen ausfindig gemacht. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat ihm wegen Unterschlagung einen Strafbefehl über 450 Euro geschickt. Der Rentner hat Widerspruch eingelegt, weshalb es am Donnerstag vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen zum Prozess kommt. Der Angeklagte bestreitet, den Umschlag eingesteckt zu haben und verweist auf die Überwachungsvideos. Nirgendwo sei zu sehen, dass er das Geld genommen habe. Trotzdem sind die zuständige Kriminalhauptkommissarin und die Staatsanwältin überzeugt, dass der Rentner das Bargeld eingesteckt haben muss. Auf den Bildern ist gut zu sehen, dass die Frau den Umschlag liegen lässt. Als die Frau weggeht, ist der Umschlag noch da. Dann kommt der Rentner. Und als der weggeht, ist auch der Umschlag weg. "Das Geld kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben", sagt die Polizistin. Filmvorführung im Gerichtssaal Der Angeklagte weiß das auch. "Das klingt merkwürdig", sagt er. "Aber ich habe den Umschlag nicht eingesteckt." Der Rentner verteidigt sich selbst. Er hat vor dem Prozess die Gerichtsakte in eigener Sache eingesehen und die darin abgehefteten Standbilder der Überwachungskamera ganz genau betrachtet. "Wenn ich den Umschlag eingesteckt hätte, hätte die Kamera das doch aufgenommen", sagt der Rentner. Der Richter wendet ein, dass das Geld nach dem Besuch in der Sparkassenfiliale trotzdem weg war. "Das ist nicht mein Problem", sagt der Angeklagte: "Sie können mir doch keinen reinhauen, wenn sie keinen Beweis haben. Ich war's nicht!" Das Gericht hat aber auch Filmaufnahmen der Überwachungskamera. Der Gerichtssaal 24 ist seit Monaten mit Digitaltechnik und einem großen Flachbildschirm ausgestattet. Der Angeklagte schaut schon erwartungsvoll auf den Bildschirm hinterm Richtertisch: "Da bin ich jetzt aber gespannt." Doch der Bildschirm bleibt schwarz. Die Bilder laufen nur auf dem kleinen Dienst-Klapprechner des Richters. Staatsanwältin und Angeklagter stecken die Köpfe zusammen. Die Aufnahme ist die einzige Perspektive, auf der Tresen und Umschlag vollständig zu sehen sind. Niemand außer der Frau und dem Angeklagten sind in der Nähe. "Ja", sagt die Staatsanwältin: Es gebe kein Bild, das zeigt, dass der Angeklagte den Umschlag einsteckt. "Fakt ist aber: Der Umschlag liegt nicht mehr da, als Sie die Bank verlassen." Die Staatsanwältin ist deshalb überzeugt, dass der Angeklagte das Geld genommen hat. Sie baut dem Angeklagten noch eine goldene Brücke: Wenn er seinen Einspruch zurückzieht, würde der Strafbefehl über 30 Tagessätze zu 15 Euro (450 Euro) wieder in Kraft gesetzt, gegen den der Angeklagte Widerspruch eingelegt hatte. "Sonst wird die Strafe womöglich höher." "Ich bin doch ein ehrlicher Typ" Doch das will der Angeklagte nicht. "Muss ich etwas zurückzahlen, was ich nicht genommen habe?", fragt er und blickt zu seiner Ehefrau: "Ich könnte tot umfallen. Ich bin unschuldig." Er hätte das Geld doch garantiert zurückgegeben: "Ich bin doch ein ehrlicher Typ." Das sieht der Richter anders und verurteilt den Angeklagten zu 40 Tagessätzen zu 20 Euro (800 Euro). Die 670 Euro muss der Rentner außerdem zurückzahlen. "Das war ihr spontaner Entschluss", sagt der Richter. Die Kamera habe den Tresen lückenlos aufgezeichnet, eine andere Möglichkeit gebe es nicht. Der Angeklagte protestiert. Doch als der Richter ihm Ratenzahlung anbietet, akzeptiert er überraschend die Entscheidung. Das Urteil ist rechtskräftig.

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