Flussumbau 17.000 Kubikmeter Boden bewegt: Die Werre wird aus ihrem Versteck geholt

Bad Oeynhausen. Unterhalb des Stauwehrs am Siel ist die Werre gut versteckt. Der Fluss duckt sich zwischen Bäumen und Sträuchern, vor allem aber in ein Bett, das sich tief ins Gelände gearbeitet hat. Das soll sich ändern. In dieser Woche hat das große Baggern auf der nördlichen, also der Werster Uferseite begonnen. Hier wird das steile Ufer in den nächsten Wochen deutlich abgeflacht. Und der Fluss bekommt ein neues Bett. Ein Vorgeschmack auf den ganz großen Umbau - der allerdings erst in zwei Jahren starten soll. Die Wurzel des Übels liegt Jahrzehnte zurück. In den 1960er Jahren wurde die Werre - wie viele andere Flüsse in Deutschland auch - massiv begradigt. Der Fluss verlor auf seinem Weg vom Sielwehr bis zur Mündung in die Weser an die zwei Kilometer Länge, schätzt Carsten Vogt, Gewässerexperte der Stadtverwaltung. Dadurch sind es nur noch gut sechs Kilometer vom Wehr bis zur Weser. Die Folge: "Durch die höhere Fließgeschwindigkeit hat sich der Fluss rund zwei Meter tiefer in den Untergrund gegraben", sagt Vogt. Ein Effekt, der mit dem nun gestarteten Umbau zumindest teilweise rückgängig gemacht werden soll. Drei wesentliche Merkmale der Werre sollen sich auf dem Abschnitt unterhalb des Wehrs bis zur Einmündung des Kaarbachs verändern. "Zum einen wird das Ufer, das hier zum Teil ja fast senkrecht ist, deutlich abgeflacht", beschreibt Vogt. Außerdem wird die Werre hier künftig deutlich breiter, mit 50 Metern etwa doppelt so breit wie jetzt. Und die Sohle des Flusses soll deutlich angehoben werden, um etwa einen Meter, berichtet Vogt. Gleichzeitig soll die Werre in ein neues Bett geleitet werden, praktisch nach Norden verschwenkt. "Dabei wird ein Flussbogen gestaltet", schildert der Gewässerfachmann. Menschen, Tiere und Pflanzen sollen sich über den Umbau freuen Der versichert, dass trotz Anhebung des Fluss-Niveaus der Hochwasserschutz voll erhalten bleibt. "Das Flussbett wird ja deutlich breiter", so Vogt. Und die Werre, die jetzt noch "träge und trübe vor sich hinfließt", wie Vogt es beschreibt, soll auf dem etwa 500 Meter langen Umbau-Abschnitt munterer und vor allem naturnäher plätschern. "Es werden sich kleine Inseln und Sandbänke bilden", beschreibt Vogt die Folgen. Und da der Boden in der Werreaue sehr sandig ist, könne man sogar darauf setzen, dass sich so etwas wie ein Strand am Werreufer bilde. Dadurch solle der Fluss einerseits für die Menschen "erlebbar" werden, sagt Vogt. "Aber auch Tiere und Pflanzen werden sich über die Umgestaltung freuen." In einem ersten Teilabschnitt wurde schon im März der Bereich der Kaarbachmündung bearbeitet. Gut 2.500 Kubikmeter Boden wurden hier ausgehoben und auf das Denios-Grundstück am Meierbach gefahren, wo das Unternehmen einen Neubau plant. In dem Bauabschnitt, der am Mittwoch gestartet wurde und etwa 400 Meter unterhalb des Sielwehrs beginnt, sollen nun 16.750 Kubikmeter Boden bewegt werden. Knapp die Hälfte wird abgefahren: Weitere 2.500 Kubikmeter gehen noch auf das Denios-Grundstück, 2.500 Kubikmeter unbelasteter Boden werden auf einem Acker in Wulferdingsen verteilt und 2.500 Kubikmeter leicht belasteter Boden sollen zur Ertüchtigung der Deiche am Prinzenwinkel eingesetzt werden. "Etwa 500 bis 800 Kubikmeter Boden sind voraussichtlich so stark belastet, dass sie auf der Pohlschen Heide deponiert werden müssen", berichtet Vogt. 80 Prozent der Kosten trägt das Land Der Rest, also rund 9.000 Kubikmeter, bleiben vor Ort an der Werre. "Der Großteil wird benötigt, um das alte Bett der Werre aufzufüllen", sagt Vogt. Zusätzlich werden ganze Baumstämme als Barrieren in den Flusslauf eingebaut, die auch verhindern sollen, dass sich die Werre wieder in ihr altes Bett zurückzieht. Ab nächstem Montag, 17. Oktober, werden sich die Anwohner der Baustelle auf zusätzlichen Bauverkehr einstellen müssen. Dann beginnt der Bodentransport."Dann wird auch der Radweg am nördlichen Werreufer gesperrt", kündigt Vogt an. 600.000 Euro soll die Gesamtmaßnahme kosten. Deutlich weniger als zunächst angenommen, wie Vogt erklärt. Denn es sei nach umfangreichen Voruntersuchungen davon auszugehen, dass weit weniger Boden belastet sei und deponiert werden müsse, so Vogt. "80 Prozent der Kosten dieses Regionale-Projektes übernimmt das Land", so Stadt-Pressesprecher Volker Müller-Ulrich. Acht Wochen sollen die Erdarbeiten dauern. Vogt schränkt ein: "Wenn es das Wetter zulässt." Dann wäre das "Umbetten" der Werre noch in diesem Jahr abgeschlossen. Noch in diesem Jahr solle auch die Montage der neuen Sielbrücke beginnen, stellt Müller-Ulrich in Aussicht. Die ersten Stahlteile würden bereits in einer Fachfirma in Stemwede vormontiert. Der ganz große Schritt zur Umgestaltung der Werre aber folgt erst noch. Der gesamte Flusslauf gen Westen, vom Sielwehr - das abgerissen wird - bis zur Löhner Innenstadt soll naturnah umgebaut werden. Dafür aber braucht es ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren. "Wir gehen davon aus, dass diese Arbeiten 2024 beginnen", sagt Vogt. Das Gesamtprojekt Werre-Umbau soll bis 2028 dauern und am Ende 22 Millionen Euro gekostet haben.

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