Hohe Verkehrsbelastung Verkehrszählung an Dehmer Straße: Stadt hat sich um 100 Prozent verzählt

Bad Oeynhausen. Wer versucht, die Dehmer Straße in Höhe des ehemaligen Vogelparks zu überqueren, braucht Geduld. Lastwagen hinter Lastwagen rauscht heran, eine lange Kette von Autos folgt. Aus beiden Richtungen. Seit Eröffnung der Nordumgehung im Dezember 2018 hat der Verkehr auf dem Teilstück der Dehmer Straße zwischen Dehmer Spange und Ortsausgang Richtung Porta Westfalica spürbar zugenommen. Da verwundern die Zahlen, die die Stadt Bad Oeynhausen in der jüngsten Ausschusssitzung präsentierte. Nur noch 8.396 statt 14.486 (2018) sollen tagtäglich durch den Ort rauschen. Anwohner allerdings sprechen von ganz anderen Mengen. Nur jedes zweite Fahrzeug soll erfasst worden sein. Nach NW-Informationen sollen sich die tatsächlichen Zahlen in Richtung 17.000 Fahrzeuge bewegen. Und die Stadt gibt zu: "Wir wissen, dass die Zählgeräte nur eine gewisse Anzahl an Fahrzeugen aufnehmen können", wie Stadtsprecher Volker Müller-Ulrich gegenüber der NW bestätigt. Trotzdem sei der Wert der Tafel nicht zu unterschätzen. Rückblick: Im Ausschuss für Stadtentwicklung gab die Verwaltung die Ergebnisse der ureigenen Zählung bekannt. Und überraschte. Zum einen damit, dass sie auf der gesperrten Steinstraße nicht ein Auto ausgemacht hatten, zum anderen mit Zahlen für Werster Straße und Dehmer Straße. Während eigentlich prognostiziert worden war, dass der Verkehr nach Eröffnung der Nordumgehung in Werste ab- und in Dehme zunehmen sollte, war das Ergebnis der Zählung genau umgekehrt. Auf der Werster Straße waren es bei der Zählung im Januar 6.000 Fahrzeuge mehr, in Dehme dagegen 6.000 weniger. 1.500 bis 1.600 Fahrzeuge pro Stunde Einer, der das nicht glauben kann, ist Horst Brönstrup. Der Anlieger der Dehmer Straße zählt seit Jahren immer mal wieder, wie viel Verkehr vor seiner Haustür vorbeirauscht. Meist freitagmorgens. "Es ist nicht weniger geworden", bilanziert er. Im Gegenteil. Zurzeit steige die Verkehrsbelastung massiv an. Durch die Bauarbeiten auf der B482 seien es deutlich mehr Lkw geworden auf der Dehmer Straße. "Es rollt", lautet sein Fazit. "Im Berufsverkehr ist es meist richtig dicht. Da kommen wir kaum auf die Straße. Dann sind es locker 1.500 bis 1.600 pro Stunde", berichtet Brönstrup. Sonst liege die Zahl "nur" bei 1.000 Fahrzeugen pro Stunde. Auch seien morgens mehr Lastwagen als nachmittags unterwegs. Im November 2018, also einen Monat vor Eröffnung der Nordumgehung, hat die Stadt knapp 14.500 Fahrzeuge ausgemacht auf dem Teilstück der Bundesstraße. Ähnlich viele hatte Straßen NRW bereits 2010 gezählt. Wohingegen 2015 lediglich 10.039 Fahrzeuge von Straßen NRW erfasst wurden. Noch gibt es keine aktuellen Zahlen aus Bielefeld. Aber Sven Johanning, Pressesprecher des Landesbetriebes, weiß bereits, dass die Tendenz eher zu den Zahlen von 2010 geht. "Natürlich hat nach Eröffnung der Nordumgehung eine Verkehrsverlagerung stattgefunden", bestätigt er. Und auch die aktuelle Baustelle auf der B482 in Porta Westfalica, die noch bis November dauere, sorge für mehr Verkehr in Dehme. Die Stadt kennt das Problem Seine subjektive Wahrnehmung und seine objektive Zählung ließen Horst Brönstrup sofort an den von der Stadt vorgestellten Zahlen zweifeln. "Ich habe es selbst probiert, als der Kasten hing", winkte er ab. Auf der Hinfahrt sei er erfasst worden, auf der Rückfahrt nicht. "Das Ding hat höchstens 50 Prozent der Fahrzeuge gezählt", bemängelt er. "Das ist doch Mist, wenn nicht richtig gezählt wird". Dass sie nicht alle Fahrzeuge erfasst haben, das hat Horst Brönstrup nach seiner Beschwerde von der Stadt bestätigt bekommen. "Ich weiß, dass es falsch ist, und zähle trotzdem?", fragt er. "Eine elektronische Zählung ist per se schon schwierig - da muss ich doch gegenkontrollieren, ob es passt." Der Stadt ist das Problem durchaus bewusst, wie Volker Müller-Ulrich bestätigt. Aufgestellt hatte die Stadt im Januar dieses Jahres in Höhe des Restaurants "Elliniko" an der Dehmer Straße ein Geschwindigkeitsdisplay. Das zeigt bei der korrekten Geschwindigkeit einen grünen Smiley, bei Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit einen roten Smiley an. "Die haben wir angeschafft, um an bestimmten neuralgischen Punkten das Geschwindigkeitsniveau zu senken", erklärt der Stadtsprecher. "Sie sind in erster Linie für kleine Gemeindestraßen gedacht und dort auch sehr zuverlässig", wie Müller-Ulrich betont. An der Dehmer Straße aber waren sie offenbar fehl am Platze. Denn: "Für eine Messung in beide Richtungen ist das Verkehrsaufkommen in Höhe des ehemaligen Vogelparks einfach zu hoch." Heißt, eine Richtung wird gezählt, die Fahrzeuge aus der anderen Richtung rauschen unerkannt vorbei. "Die Zählfunktion bringt nichts. Aber wir können Tendenzen ablesen, ob dort auch ein zu hohes Tempo gefahren wird", sagt Müller-Ulrich. Deshalb sei der Wert der Tafel nicht zu unterschätzen. "Natürlich ist das für die Anwohner unbefriedigend." Für überflüssig hält die Stadt ihre Aktion trotzdem nicht. "Es war eine Probe", erklärt Müller-Ulrich. Zumal die Zahlen keinerlei Bedeutung für weitere Planungen hätten. "Das ist eine Bundesstraße, somit sind ausschließlich Zahlen von Straßen NRW ausschlaggebend." Doch die sind aktuell noch in der Prüfung. "Wir gehen davon aus, dass wir im zweiten Quartal 2023 Zahlen von Straßen NRW bekommen, die auch als Grundlage dienen können." Elektronische Tafeln als Vorschlag Solange möchte Horst Brönstrup nur ungern warten. Weshalb er beim Dorferneuerungsprogramm Dehme zusammen mit Hans-Joachim Söllinger auch mehrere Vorschläge einbrachte. "Zum einen einen Antrag auf Verkehrsminderung", berichtet Brönstrup. Zum anderen den Wunsch nach einer Tonnage-Begrenzung und durchgängig Tempo 30 zwischen Dehmer Spange und dem Ortsausgang. Dass das schwierig werden kann, ist Horst Brönstrup bewusst. Denn eine Bundesstraße ist immer dafür da, überregionalen Verkehr aufzunehmen. Da wird auch Sven Johanning nicht müde, das zu betonen. Trotzdem könne es, so hofft Brönstrup, flexible Lösungen geben. "Zum Beispiel elektronische Tafeln, die eine generelle Sperrung für Lastwagen anzeigen und bei Bedarf der Autobahnumleitung umspringen."

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