Bad Oeynhausen Bad Oeynhausen: 36 Millionen Euro Finanzpolster - doch künftig drohen rote Zahlen

Bad Oeynhausen. So jubelt der Ostwestfale: "Ausnehmend gut" nennt Bad Oeynhausens Kämmerer Marco Kindler die aktuelle Finanzlage der Stadt. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Die Kurstadt hat derzeit 36 Millionen Euro auf der hohen Kante. Rund ein Drittel der Rücklage stammt allein aus dem Haushalt 2021, der mit einem Überschuss von 11,8 Millionen Euro abschließt. Rekordverdächtige Zahlen, die Kindler am Mittwochabend auch dem Rat vorstellte und die von den Politikern kommentarlos zur Kenntnis genommen wurden. Mehr Gewerbesteuer als je zuvor Vor allem vor dem Hintergrund, dass das vergangene Jahr ja ein Coronajahr war, kam dieses in der Finanzgeschichte der Stadt bislang einzigartige Ergebnis auch für den Herrn der Zahlen in der Stadtverwaltung unverhofft. "Mit 35,6 Millionen Euro waren die Gewerbesteuereinnahmen in 2021 herausragend. So viel haben wir noch nie eingenommen", sagt Kindler im Gespräch mit der NW. Das habe zum einen mit Nachholeffekten, also Nachzahlungen einzelner Firmen, zu tun. "Anscheinend aber kommt unsere heimische Wirtschaft auch mit den Anforderungen, die durch Corona entstehen, gut zurecht", begründet der Kämmerer die stolzen Steuereinnahmen. Auch für dieses Jahr rechnet Kindler mit guten Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die er bei gut 32 Millionen Euro angesetzt hat. Auch andere Geldquellen der Stadt sprudeln munter: Zwei Millionen Euro bekommt Bad Oeynhausen mehr als erwartet aus dem Anteil an der Einkommenssteuer. Und auch die Spielbankabgabe hat 2021 um 300.000 Euro zugelegt, fürs laufende Jahr rechnet Kindler gar mit einem Plus von 400.000 Euro, was dann 1,8 Millionen Euro aus der Abgabe für 2022 ergibt. In mageren Jahren lag die Spielbankabgabe für Bad Oeynhausen nur bei einer Millionen Euro. Die Privatisierung der ehemals vier landeseigenen Spielbanken, die seit Juli 2021 der Espelkamper Gauselmann-Gruppe gehören, hat der Spielfreude der Casinobesucher offenbar keinen Abbruch getan. "Das ist ein schönes Polster" Angesichts der sprudelnden Einnahme habe die Stadt 2021 eine "tolle Liquidität" von 30 Millionen Euro gehabt, berichtet Kindler. Allerdings habe sich in dem Jahr auch die Verschuldung der Stadt von 53,9 auf 65,3 Millionen Euro erhöht. Dafür seien auch die 10,5 Millionen Euro verantwortlich, die die Stadt 2021 zur Finanzierung des neuen Sielbades an die Stadtwerke überwiesen hat. Kindler will dem Rat empfehlen, den Überschuss aus 2021 der Rücklage zuzuführen. Da dort schon 24,5 Millionen Euro lagen, wächst die Finanzreserve der Stadt damit auf über 36 Millionen Euro. "Das ist ein schönes Polster, das uns durch die nächsten Jahre tragen kann", sagt Kindler. Denn in die Zukunft blickt der Kämmerer mit Sorge. Schon für das laufende Jahr rechnet er mit einem Defizit von 2,4 Millionen Euro. Immerhin weniger als die 4,5 Millionen Euro, die Kindler noch bei der Aufstellung des Haushaltsplanes 2022 angesetzt hatte. Allerdings hat der Kämmerer dabei auch die coronabedingten finanziellen Belastungen, die der Stadt entstanden sind, gesondert ausgewiesen und - so sieht etwas das Gemeindefinanzierungsgesetz des Landes vor - durch "außergewöhnliche Erträge" haushaltstechnisch neutralisiert. Die Coronabelastungen summieren sich in diesem Jahr voraussichtlich auf rund 2,2 Millionen Euro, um diese Summe würde also das Defizit am Ende des Jahres steigen, gäbe es nicht die Möglichkeit, diesen Kosten isoliert vom übrigen Haushalt darzustellen. Seit Juli ist Kindler damit beschäftigt, die Zahlen für den Entwurf des Haushaltsplanes 2023 zusammenzutragen. Den will der Kämmerer im November dem Rat vorstellen, der dann im Dezember einen Beschluss dazu fassen soll. Der Plan, so viel ist für Kindler schon sicher, wird in den roten Zahlen enden. Der Katalog der Dinge, die ihm Sorgen machen, ist stattlich. Höhere Kosten für die Jugendhilfe und für Kindertagesstätten, weniger Schlüsselzuweisungen vom Land als Folge der aktuell guten Steuereinnahmen, eine erhöhte Kreisumlage, steigende Personalkosten, erhöhte Abschreibungen durch Investitionen und nicht zuletzt auch die Energiekosten sieht er als belastende Faktoren für die nächsten Jahre. Für Heizenergie der städtischen Liegenschaften gibt Bad Oeynhausen in diesem Jahr 850.000 Euro aus, im nächsten rechnet Kindler mit 3 Millionen Euro. Für Strom stehen in diesem Jahr 500.000 Euro bereit, für 2023 setzt der Kämmerer 1,3 Millionen Euro an. Ein prophetischer Satz im Februar Auch Aufträge, die die Stadt vergibt, werden derzeit in der Regel teurer als erwartet. Fast prophetisch wirkt ein Satz, den Kindler schon Mitte Februar sagte - also vor dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine. "Es schlagen inzwischen auch vermehrt Lieferengpässe und Materialknappheit durch", sagte Kindler da zur Begründung der Tatsache, dass es in etlichen Ausschreibungsverfahren gar keine oder deutlich über dem Ansatz liegende Angebote gab. Eine Situation, die damals Corona geschuldet war und nun durch den Krieg in der Ukraine verschärft wird. "Fast jede Ausschreibung schließt inzwischen mit Mehraufwendungen ab", so der Kämmerer. Seine größte Sorge aber ist die Frage: Wie geht es mit der wirtschaftlichen Entwicklung weiter? Denn davon hängt auch die Entwicklung der Steuereinnahmen der Kommunen wesentlich ab. "Das ist die größte Ungewissheit bei der Planung", sagt der Kämmerer.

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