Bad Oeynhausen Abwasser soll Aufschluss über Pandemie-Lage geben - auch in der Kurstadt?

Bad Oeynhausen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will nun auch Klärwerke in den Kampf gegen Corona einbeziehen. Durch Abwassertests sollen sie das Virus aufspüren. Gunnar Beermann leitet das Bad Oeynhausener Klärwerk an der Dehmer Straße seit 31 Jahren, zum Jahresende geht er in den Ruhestand. Bis dahin will er alle "wichtigen Aufgaben erledigt haben". Die Coronatests stehen nicht auf seiner Liste - anders als die vierte Reinigungsstufe. Mit diesem Projekt hat seine Anlage schon 2016 zeitweise Vorbildfunktion in der Region übernommen. Durch die vierte Reinigungsstufe sollen künftig unter anderem Medikamentenrückstände und Mikroplastik aus dem Wasser gefiltert werden. Doch der dafür erforderliche Umbau der drei Reinigungsbecken stockt seit April. Rund 11.000 Kubikmeter Abwasser werden täglich in der 1972 gebauten Anlage gereinigt. Zunächst mechanisch mit Grobrechen, dann biologisch: Unter Luftzufuhr zersetzen Bakterien organische Stoffe. Anschließend erfolgt die chemische Reinigung, bevor das Wasser in die Werre geleitet wird. In der vierten Reinigungsstufe sollen nun mit Hilfe granulierter Aktivkohle auch organische Spurenstoffe beseitigt werden. Medikamentenrückstände, Antibiotika, Pflanzenschutzmittel und Industriechemikalien zählt Andreas Kollmeyer, Leiter des Geschäftsbereichs Abwasser bei den Stadtwerken, als Beispiele auf. "Das funktioniert", fasst er das Ergebnis eines wissenschaftlich begleiteten Forschungsprojekts zusammen. Im Oktober 2015 waren 64 Tonnen Aktivkohle in eines der acht Filterbecken eingefüllt worden. Nach einem Jahr Versuchsbetrieb war klar: An den kleinen Kohlestückchen bleiben die Mikroschadsoffe hängen. Und das sogar länger als gedacht. Verwaltungsrat hat 2016 zugestimmt Im November 2016 stimmte der Verwaltungsrat der Stadtwerke einstimmig dem Bau einer vierten Reinigungsstufe zu. Gesetzlich gefordert war und und ist die bis bis heute zwar nicht. Im Verwaltungsrat herrschte aber Übereinstimmung, dass diese Umrüstung ökologisch sinnvoll ist. Drei der acht Filterbecken sollten dazu zu Aktivkohleanlagen umgebaut werden. Zeitgleich sollten die übrigen Becken erneuert werden. Auf gut zwei Millionen Euro schätzte der damalige Stadtwerke-Chef Christoph Dörr die Investitionskosten, stellte aber dafür eine 70-prozentige Förderung durch das Land NRW in Aussicht. Bis 2020 sollte der Umbau abgeschlossen sein. Der Termin wurde allerdings schon bald und aus immer neuen Gründen verschoben. Bei den europaweiten Ausschreibungen gab es zu wenig Angebote, ein Fachbetrieb musste Insolvenz anmelden, dann kam Corona. Für Frühjahr 2022 war dann die Inbetriebnahme geplant. "Bei uns herrscht aber noch Stillstand", bedauert Beermann. Seit April wird in den drei Reinigungsbecken nicht mehr gearbeitet. "Es fehlt Material", sagt der Klärwerksleiter. Neben Kunststoffzubehör ist es vor allem die Aktivkohle, auf die die Handwerksfirmen nun warten. Die Lieferketten, insbesondere die nach China, seien nachhaltig gestört. "Aber wir haben Hoffnung, dass es im Herbst weitergeht und wir noch in diesem Jahr fertig werden", sagt Kollmeyer. Wie zum Beweis fügt er hinzu: "Wir haben noch keinen neuen Förderantrag gestellt". Die noch immer geltende Zusage der Landesregierung gilt bis zum 31. Dezember 2022. Auch der Kostenplan von rund zwei Millionen Euro sei bislang eingehalten worden. Ob nun durch zusätzliche Abwassertests neue Investitionen erforderlich sind? Sars-CoV-2 Erreger lassen sich nicht nur durch einen Abstrich in der Nase oder im Mund nachweisen. Auch im Abwasser finden stark verdünnte Virusbestandteile, die Infizierte beim Zähneputzen oder dem Toilettengang ausscheiden. Schon zwei kleine Fläschen mit 200 Milliliter pro Woche reichen nach Angaben von Mikrobiologen aus, um Viren zu extrahieren und zu untersuchen. "PCR-Tests sind freiwillig, zur Toilette muss jeder" lautet ein gewichtiges Argument für den Abwassertest, der derzeit an 20 Standorten in Deutschland als Pilotprojekt vorgenommen wird. Auf rund 500 Euro werden derzeit die Kosten für einen solches Frühwarnsystem kalkuliert. Frühwarnsystem nur für die "ganz Großen" "Sinnvoll" findet Andreas Kollmeyer so ein Testsystem und hat sogleich eine Anfrage bei der Bezirksregierung in Detmold gestartet. Die ist Aufsichtsbehörde für Abwasser, müsste also gegebenenfalls einen entsprechenden Auftrag an die Kläranlage in Bad Oeynhausen erteilen. Noch steht das Ergebnis des Pilotprojekts aus, mit Blick auf die hohen Kosten steht aber, so Kollmeyer, schon jetzt fest, dass es solche Tests nicht flächendeckend, sondern nur im Einzugsbereich einiger ganz großer Anlagen geben wird. Für die Bemessung ist der Einwohnergleichwert entscheidend. Neben der Einwohnerzahl werden damit auch Industriebetriebe berücksichtigt. Mit einem Wert von 80.000 liegt Bad Oeynhausen in Klasse 4, gehört damit nicht zu den "ganz großen". Die haben in Klasse 5 einen Wert von über 100.000. Kollmeyer: "Das werden wir nie schaffen". Für Beermann eine durchaus beruhigende Aussicht. Mit Coronatests im Abwasser muss er sich bis zum Ruhestand nicht beschäftigen. Und sein Nachfolger auch nicht.

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