Bad Oeynhausen Bekannte heimische Autorin veröffentlicht Roman unter einem Pseudonym

Bad Oeynhausen. Zwei Jahre Corona-Pandemie, zwei Mal Lockdown - und damit viel Zeit zum Schreiben. Eine Zeit, in der Carla Berling ihre erste Trilogie vollendet hat. Der historische Roman mit den Folgen "Minna", "Hanne" und "Romy" erscheint allerdings nicht unter dem Markennamen der gebürtigen Bad Oeynhausenerin, sondern unter ihrem neuen Pseudonym Felicitas Fuchs. Ein Wunsch des Verlages. Eigentlich hatte Carla Berling gar keinen Roman im Sinn, als sie sich im ersten Lockdown mit ihrer Familienhistorie auseinandersetzte. "Ich wollte ursprünglich für meine Enkelin einen Familienstammbaum erstellen." Dabei aber förderte sie Erstaunliches zutage: "Wenn dir das Leben so einen Stoff vor die Füße wirft - da musste ich einfach ein Buch drüber schreiben", sagt die 62-Jährige und lacht. Entstanden sind drei Bände einer Familiengeschichte, die überwiegend im Minden der 20er bis 70er Jahre spielen - rund um Oberstadt, Bäckerstraße, Markt, Dom und Martinitreppe. Da wäre zum einen Minna, Heldin des ersten Buches und Carla Berlings Großmutter. Die junge Schneiderin Minna stammt aus einfachen Verhältnissen und kommt 1924 mit großen Hoffnungen in die mondäne Stadt Düsseldorf. Sie will glücklich werden, sich aus der Armut befreien und eine Familie gründen. Als sie sich in den wohlhabenden Fred verliebt, scheinen sich alle Wünsche zu erfüllen. Doch ihr starker Wille und ihr Erfolg als Schneiderin stellen die Ehe immer wieder auf die Probe. In der Zeit, in der sie lebt, gibt es kein Verständnis für eine Frau, die eigene Entscheidungen trifft. Schon bald muss Minna zwischen den Konventionen und ihren Wünschen wählen, und ihre Träume scheinen in weite Ferne zu rücken. Doch Minna kämpft gegen alle Widerstände um ihr Glück. Ab 1930 wechselt der Roman dann den Schauplatz: Nicht zuletzt bedingt durch die schwierigen Jahre der Weltwirtschaftskrise verschlägt es die Hauptfigur nach Minden. Hier muss sie sich während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit ebenso behaupten, wie während der 50er-Jahre, in denen es zwar wirtschaftlich wieder bergauf geht, das Frauenbild aber eher dem Heimchen am Herd entsprach. Es sind heitere und dunkle Zeiten, durch die Berling ihre Großmutter begleitet. Denn beheimatet in der Pöttcherstraße hat Minna unmittelbar auch die Deportierung der Juden, der Sinti und Roma miterlebt. Realität und fiktive Details Die Erzählungen der Oma, die Erinnerungen an die eigene Kindheit in Minden, die Lebensdaten der Personen, die Historie - all das, so erklärt Carla Berling, sind originalgetreu. "Aber die Dialoge habe ich mir ausgedacht, habe fiktive Details hinzugefügt." Wie den Erfolg der Oma als Modeschöpferin in Düsseldorf. Oder die Freundschaft mit Fanny und ihrer Familie. Eine Sinti-und-Roma-Familie, die des Nachts von den Nazis abgeholt wurde. "Ich bin in der Pöttcherstraße auf Recherche gewesen und habe die vielen Stolpersteine gesehen", erinnert sich Carla Berling. Schnell war klar: "Minna und all diese Menschen müssen sich gekannt haben." Tiefergehende Recherchen, Gespräche mit ihrer Mutter, die nur ungern über die Vergangenheit sprechen wollte, sowie viele, viele Besuche im Archiv folgten. Das habe, so Berling, auch zutage gebracht, dass die Mindener Firma Melitta bis heute die eigene Nazivergangenheit nicht aufgearbeitet habe. "Noch bis weit in die 50er Jahre war Horst Benz an der Spitze der Firma - trotz seiner unrühmlichen Vergangenheit. Das sind alles belegbare Fakten - aus Archiv und der Melitta-Zeitung", betont Carla Berling. Alles sei verbrieft und besiegelt. Und nun auch im Buch verewigt. Nach intensiver Recherche machte sich die Autorin ans Werk. "Ich habe beim Schreiben quasi in der Zeit gelebt. Es gab wenig Realität", erinnert sich Carla Berling. "Aber es hat Spaß gemacht, auszuerzählen, wie die kleinen Leute damals gelebt haben." Und den Spannungsbogen so aufrechtzuerhalten, dass der Leser ahnt, dass es dunkle Geheimnisse in der Familie gibt. "Das hat mich 2017 ganz schön aus der Bahn geworfen. Aber mehr verrate ich nicht. Das kommt erst in den nächsten Bänden." Wobei sie auch eines klar stellt: "Ich habe das eine oder andere Detail auch weggelassen - aus Schutz der Privatsphäre meiner Mutter." Es ist umfangreicher Stoff, den Berling über Oma Minna, Mutter Hanne und sich selbst als Tochter Romy zu Papier gebracht hat. Damit hat sie nicht nur einen Blick in die Vergangenheit geworfen, sondern auch privat vieles aufgearbeitet. "Ich habe jetzt keine Leiche mehr im Keller und brauche keine Therapie. Ich habe mir alles von der Seele geschrieben", sagt die gebürtige Bad Oeynhausenerin. Zudem habe sie viele Gespräche mit ihrer 82-jährigen Mutter geführt und endlich vieles verstanden. "Die Generation meiner Mutter hat nie gesprochen", bilanziert Berling. Und ihre Generation habe in der Schule nichts über die dunklen Jahre der deutschen Geschichte gelernt. Viele Leserinnen erkennen sich wieder Den Auftakt macht nun Band 1 "Minna", Band 2 "Hanne" ist bereits fertig und erscheint im Januar 2023, Band 3 "Romy" ist ebenfalls geschrieben und wartet auf das Lektorat. "Er erscheint im Juli 2023." Die ersten Leserstimmen zu "Minna" sind da und auch aus dem Buchhandel gibt es gute Resonanz. "Das gibt mir Sicherheit", sagt Carla Berling, die sich zudem freut, dass sich auch ihre Stammleserinnen durchaus für Historisches erwärmen können. "Es ist keine schwere Kost - trotz der schweren Themen. Und es erkennen sich viele wieder - oder ihre Oma." Damit könnten sich die Leserinnen mit dem Stoff identifizieren. Doch warum kann ein solcher Stoff nicht auch unter dem Markennamen Carla Berling veröffentlicht werden? "Meine Marke steht für Krimi und Komödie. Und damit bin ich im Heyne Verlag schon in zwei Genres vertreten - ein drittes würde den Leser verwirren", erklärt die Autorin. Leserinnen und Leser historischer Romane seien eine ganz andere Zielgruppe als Leser von Krimis und Komödien. Doch auch wenn der Name ungewohnt klingt - er hat durchaus auch etwas biografisches in sich. "Felicitas ist mein dritter Vorname, Fuchs der Mädchenname meiner Oma Minna." Die Trilogie ist fertig, wenn auch noch nicht komplett erschienen, da arbeitet Carla Berling bereits am nächsten Werk. "Das wird wieder eine Komödie", verspricht sie ihren Leserinnen. "Das macht mich nach dem ernsten Thema selber so schön locker." Außerdem hätten sich die letzten drei Komödien bestens verkauft. "Die Menschen wollen unterhalten werden. Krimi ist derzeit nach all dem Schrecken in der Welt nicht gefragt." Beruhigend für die Leser: "Carla Berling wird es weiter geben. Die wird nicht im Nirgendwo verschwinden." Dafür ist Berling selbst viel zu gerne mit ihrer komödiantischen Lesung in Deutschland unterwegs. "Das ist einfach meins", sagt sie.

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