Bad Oeynhausen Europaschule: Weniger Schüler - weniger Probleme in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Es gab Zeiten, da musste die Gesamtschule Schüler ablehnen. In den Spitzenjahrgängen zwischen 2008 und 2011 wollten mehr als 120 Grundschüler zur Europaschule wechseln. In diesem Jahr sind es dagegen so wenige wie kaum zuvor. Lediglich 73 Anmeldungen verzeichnet Schulleiter Dirk Rahlmeyer für seine Bildungseinrichtung. Macht unterm Strich drei neue fünfte Klassen. Reicht das, um das pädagogische Konzept der Schulform umsetzen zu können? Immerhin wird für eine Gesamtschule mindestens eine Vierzügigkeit vorausgesetzt. Sorgen macht sich Rahlmeyer um seine Schule nicht. Auch, weil es nur bei ihm den Hauptschulzweig gibt. Kontinuierlich nahm in den vergangenen Jahren die Zahl der Fünftklässler an der Europaschule ab. Zum einen, weil geburtenschwächere Jahrgänge zu den weiterführenden Schulen wechselten, zum anderen, weil die Europaschule - unberechtigt, wie Dirk Rahlmeyer betont - einen schlechten Ruf in der Stadt hat. "Die Eltern suchen die Schule aus, von der sie glauben, dass es dort so ist, wie sie es gerne hätten", bilanziert er. Das aber sei es meistens nicht. "Es mischt sich an allen Schulen", ist Rahlmeyer überzeugt und macht das am sinkenden Hauptschul- und Ausländeranteil seiner Schule fest. Viele Bad Oeynhausener wüssten gar nicht, dass es an der Europaschule noch die Hauptschulform gebe und wählten daher nicht nach Leistung, sondern nach Wohnortnähe. "Viele Migranten wählen zudem Schulen mit weniger Migranten", weiß Rahlmeyer aus der Erfahrung. "Die möchten nicht unter sich sein." Zu viele Schulen bringen Probleme mit sich 365 Viertklässlerinnen und Viertklässler mussten in diesem Jahr auf die vier weiterführenden Schulen verteilt werden. Weniger als sonst. "Bei Jahrgängen mit Zahlen unter 400 Schülern wird's für alle Schulen eng", sagt Dirk Rahlmeyer. Auch das Gymnasium habe deutlich weniger als sonst. Das aber sei lediglich eine vorübergehende Situation: "Für 2023 sind 450 Schüler angekündigt, danach 480", kennt der Schulleiter die Zahlen aus dem Schulentwicklungsplan. Zahlen, die sich auch in anderen Städten widerspiegeln. "Alle Städte, die zu viele Schulen haben, haben letztlich die gleichen Probleme."Perfekt liefe es dort, wo lediglich ein Schulsystem vorhanden sei. In Hüllhorst zum Beispiel. Oder dort, wo es lediglich ein zweigliedriges Schulsystem gebe. "Mit einem Gymnasium für die wirkliche Elite, für die Überflieger, die es drauf haben und nirgendwo Hilfe brauchen - und mit einer Gesamtschule", ist Rahlmeyer überzeugt. Das aber hat in Bad Oeynhausen nie zur Diskussion gestanden, bei der Entscheidung vor Jahrzehnten wurde am Parallelsystem festgehalten. "Sollte die Kurstadt mal dauerhaft unter 350 Schülern liegen, müsste sich die Stadt von einer Schule trennen." Die Gesamtschule aber werde es nicht sein: "Wir sind die einzige Schule in der Stadt, die ein Hauptschulangebot vorhält", erklärt Rahlmeyer. Und das sei Pflicht in den Kommunen.Doch funktioniert ein Gesamtschulkonzept auch mit weniger Schülern? "Ja", sagt Dirk Rahlmeyer. "Weil es spätestens in der siebten und achten Klasse voll wird bei uns." Dann nämlich, wenn Kinder, die es an anderen Schulen nicht schafften, aufgenommen werden wollten. 40 bis 50 seien das in den betreffenden Jahrgängen meistens. Und die Oberstufe sei ein Selbstläufer. Rund 350 Schüler würden in den Klassen elf bis 13 verzeichnet. "Wir haben immer 100 Abiturienten, die sonst kein Abitur gemacht hätten."Auch die Schwachen brauchen die Guten Drei neue fünfte Klassen starten im Sommer an der Europaschule. Rahlmeyer: "Kleine Klassen, die deutlich weniger Probleme mit sich bringen." Die Eltern und Schüler, die sich für die Europaschule entscheiden, täten das bewusst. "Ein Drittel der Eltern setzt auf den Ganztag und wählt die Schule aus pragmatischen Überlegungen. Dann wieder gibt es einige, die wegen einer bestimmten Sprache zu uns kommen und dann gibt es natürlich auch noch ungefähr ein Drittel, die Förderbedarf haben."Für Schulleiter Dirk Rahlmeyer ist die Gesamtschule, die Schulform überhaupt. "Zum einen, weil dort Talente entdeckt werden können, die unabhängig von Geschlecht und Herkunft sind. Zum anderen weil nicht nur die Guten die Guten brauchen - sondern auch die Schwachen brauchen die Guten." Konsequenz: Die guten Schüler müssen gleichmäßig auf die Schulen verteilt werden. "Die Europaschule ist absolut wichtig für die Gesellschaft, unsere Lehrer haben eine ganz andere Motivation, bei uns sind Erfolge deutlich sichtbar." Denn wenn unentdeckte Kinder durchstarteten, sei das viel sichtbarer, als wenn ein Guter noch ein bisschen besser würde. "Hier bei uns sind Leute, die Bock haben, die was probieren wollen." Denn letztlich sei das Schwierige manchmal auch reizvoll. "Sonst wird's irgendwann langweilig", sagt der Schulleiter, der zugleich auch zugibt: "Natürlich wünschen wir uns manchmal mehr Anerkennung - aber wir machen es ja für die Kinder." Aktive Außenwerbung für seine Schule - das ist Dirk Rahlmeyer immer ein Anliegen. Workshops, Ferienspiele, Schülerfirmen oder AGs - die Europaschule bietet so viele außerschulische Angebote wie keine andere Bad Oeynhausener Schule. So fährt demnächst zum Beispiel die Bridge-AG zur Deutschen Meisterschaft. "Und wir sind die einzige Schule, die im Lockdown den kompletten Stundenplan im Digitalunterricht abgedeckt hat." Apropos digital: Erstmals startet im Sommer ein fünfter Jahrgang komplett mit Tablets in den Schulalltag. Auch das eine Besonderheit an der Europaschule.

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