Bad Oeynhausen Bad Oeynhausener Travestiekünstler: So wird er zur Frau

Bad Oeynhausen. Wenn Lutz Klaus-Hogen das Dirndl, die Stoffbälle von Ikea, die Perücke und die Schminke auspackt, dann wird innerhalb von Stunden aus dem früheren Koch und Pflegehelfer das ordinäre Fräulein Luise. Nicht nur für den Chef der Truppe &bdquo;Zauber der Travestie“ ist sie so etwas wie eine Traumrolle, sondern auch im Publikum kommt die frivole Dame seit Jahrzehnten bestens an. Am Wochenende war es nach zweijähriger Corona Pause wieder soweit: Am letzten Tag ihrer Deutschlandtournee gastierte das Ensemble aus Lehrte bei Hannover im Theater im Park. Dort kochte bereits nach wenigen Minuten der Saal. Zwei Stunden vor Showbeginn: Routiniert bereitet sich die männliche Weiblichkeit in den Garderobenräumen auf den großen Bühnenauftritt vor. Bartstoppeln werden mit speziellem Make-Up unsichtbar gemacht. Augenbrauen und Falten mit Kosmetikkleber abgedeckt. Und voluminöse falsche Wimpern und Perücken bereitgelegt. Lutz Klaus-Hogen klappt einen silbernen Werkzeugkoffer mit einem roten Aufkleber auf, auf dem &bdquo;Ein Herz für Arschlöcher“ steht. Als Erstes befördert der 54-Jährige einen kleinen Hasen mit langen Schlappohren und einem von Lippenstiftküssen gefärbten roten Mund heraus – das Maskottchen des Travestiekünstlers. Die behaarten Beine bleiben so, wie sie sind Denn obwohl Hogen seit 25 Jahren professionell die Grenzen zwischen Mann und Frau aufhebt und sich längst als Publikumsliebling etabliert hat, ist er das Lampenfieber nie losgeworden. Zunächst trägt der Fachmann mit großzügigen Pinselstrichen den Kosmetikkleber auf. &bdquo;Sonst reißt später die Schminke ab“, weiß der Künstler. Dann begutachtet er die blonde Perücke. Und sagt: &bdquo;Luise müsste auch mal zum Friseur“. Mit einem Vergrößerungsspiegel in der Hand arbeitet sich der 54-Jährige immer weiter vor. Griffbereit liegen das Dirndl, der Federschmuck, die hohen Schuhe und die rote Handtasche.Die behaarten Beine bleiben so, wie sie sind. Da ist Hogen pragmatisch. &bdquo;Ich ziehe einfach zwei Strumpfhosen übereinander und dann einen Schlüppi drüber“, sagt der Travestiekünstler, der mit einem Mann verheiratet ist und ein bürgerliches Leben führt. Genauso pragmatisch geht er die voluminöse Oberweite von Fräulein Luise an: &bdquo;Dafür habe ich mir bei Ikea zwei Stoffbälle besorgt“, verrät er. Und legt schon mal eine Packung Palmin Soft bereit. &bdquo;Bratfett ist ideal zum Abschminken. Und das darf bei mir manchmal keine drei Minuten dauern“, erklärt er das ungewöhnliche Arbeitsmaterial. Mann oder Frau? Das kann man am Ende nicht mehr genau sagen. Denn hier kommt es einfach auf die richtige Verpackung an. &bdquo;Travestie ist ja kein Schwanensee“ Von der Statur her passen der kräftige Lutz Klaus-Hogen und das stattliche Fräulein Luise ideal zueinander. Vom Wesen her sind sie aber völlig unterschiedlich: &bdquo;Das ist eine ganz Bekloppte, die nie einen Mann finden wird. Aber ich liebe diese Figur. Denn wenn ich in dieser Rolle bin, bin ich ein anderer Mensch. Da gehe ich aus mir raus und kann auf der Bühne das sagen, was ich privat nie sagen würde“, erklärt der Künstler die Faszination.Drei Stunden später gibt es drastische Beispiele dafür, was Fräulein Luise und "Frivolität" versteht. &bdquo;Travestie ist ja kein Schwanensee“, kommentiert Lutz Klaus-Hogen die Provokationen. "Sie lebt natürlich davon, dass der Pegel dauerhaft unterhalb der Gürtellinie liegt." Man muss diese derben sexuellen Anzüglichkeiten mögen, keine Frage. Und man darf auch nicht zimperlich sein, wenn man in den &bdquo;Zauber der Travestie“ geht. Denn der lebt von Witzen, die deftig, frivol und ethisch unkorrekt sind. Als sich der Vorhang im Theater im Park hebt, steigt die Stimmung in einer Geschwindigkeit, die man eigentlich nur aus der Formel 1 kennt. Und das obwohl noch kein einziges künstliches Schamhaar gelüftet wurde. Überwiegend Frauen sitzen dort im Publikum, aber das ist immer so, wie der Chef der Truppe aus langjähriger Erfahrung weiß. &bdquo;Vermutlich liegt es daran, dass die Männer Berührungsängste haben und sich davor fürchten, auf die Bühne geholt zu werden“, versucht sich Lutz Klaus-Hogen an einer Erklärung.Ein Witz jagt den nächsten. &bdquo;Was ist der Unterschied zwischen einer Tunte und einem Tumor?“, fragt Marcel Bijou, ein gelernter Einzelhandelskaufmann, der jetzt eine wehende rote Haarmähne und Stöckelschuhe trägt, die Travestie-Fans. Und liefert die Antwort gleich hinterher: &bdquo;Ein Tumor kann auch mal gutartig sein“. Dann erwischt es einen Herren aus der dritten Reihe: &bdquo;In ihrem Jahrgang hat man ja Sex zu dritt. Denn einer muss ja immer den Blutdruck messen“, bekommt der sein Fett ab.Gut kommt auch der Erklärungsversuch für den ominösen Verhandlungstisch von Diktator Putin an: &bdquo;Der wurde aus der Nase von Pinocchio gemacht. Mit jeder Lüge wird er ein Stück länger“. Drei Stunden Ballermann-Stimmung – am Ende, als das gesamte Ensemble sein traditionelles &bdquo;My way“ singt, sind die Gäste restlos zufrieden und bedanken sich überschwänglich. Und Lutz Klaus-Hogen geht im Dirndl vor den Bühneneingang und genehmigt sich eine Zigarette.

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