Bad Oeynhausen Pflegeheim darf Zimmer nicht belegen: Wenn's für Opa keinen Platz gibt

Bad Oeynhausen. Das Licht ist aus, die Heizung abgestellt, die Türen verschlossen. Eine ganze Station im nigelnagelneuen 15 Millionen Euro teuren Neubau muss Joachim Knollmann derzeit leer stehen lassen. Und das, wo die Interessenten für Pflegeplätze Schlange stehen. Doch das Seniorenzentrum Bethel am Hambkebach gehört zu den sieben Heimen im Kreis Minden-Lübbecke, die von der Heimaufsicht einen Belegungsstopp auferlegt bekamen (die NW berichtete). Der Grund: zu wenig Fachkräfte. Allein zehn fehlen Bethel für die Vollbelegung. Diese Arbeitskräfte aber gibt es grundsätzlich nicht in der Region. Allein für den heimischen Arbeitsamtsbezirk gibt es 52 vakante Stellen, Tendenz steigend. Weshalb sich Geschäftsführer Knollmann nun aufmacht, im Ausland Personal zu rekrutieren. Eine Aufgabe mit Hindernissen. 54 Zimmer im 187 Bettenhaus des Seniorenzentrums Bethel stehen leer. 54 Betten à cirka 3.000 Euro, die monatlich fehlen. 54 Betten, die Joachim Knollmann sofort belegen könnte - wenn er dürfte. "Wir haben eine lange Warteliste", sagt er. Menschen, die dringend einen Pflegeplatz brauchen, nun aber erst einmal von Angehörigen oder vom ambulanten Pflegedienst übergangsweise gepflegt werden. Doch es fehlen die Fachkräfte für die Pflege. "Mindestens zehn", so sagt Knollmann, brauche er für eine Vollbelegung. Zumindest für den von der Heimaufsicht eingeforderten Personal- und Stundenschlüssel. Denn 50 Prozent der Pflegemitarbeiter müssen gemäß dem Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) Fachkräfte sein, also eine dreijährige Pflegeausbildung absolviert haben. Nur sie dürfen Medikamente verabreichen, Wunden versorgen oder die Dokumentation machen. Für alles andere reichen Pflegehelfer. "Wir haben unsere Fachkräfte von allen anderen Aufgaben entbunden, so dass sie sich ausschließlich um die genannten Aufgaben kümmern können." Doch das reicht nicht. "Wobei das mit der Qualität der Pflege nichts zu tun hat", ist Knollmann überzeugt. Die Öffentlichkeit sensibilisieren In seiner Pflegeeinrichtung, die bereits 45 Jahre besteht und deren Mitarbeitenden zum Teil fast ebenso langjährig dort tätig sind, hat sich ein Generationswechsel vollzogen. "Viele der qualifizierten Fachkräfte sind in den Ruhestand gegangen." Folge daraus: Es können so kurzfristig nicht so viele neue Pflegefachkräfte nachbesetzt werden. Ein Problem, das nicht nur Joachim Knollmann trifft: "Diese Quote können auch andere Einrichtungen nicht mehr einhalten, da nicht ausreichend ausgebildete Mitarbeitende so schnell nachkommen." Knollmann aber ist einer von ganz wenigen Heimleitern, die ihre Probleme öffentlich machen. "Um die Bevölkerung zu sensibilisieren. Das muss endlich ins öffentliche Bewusstsein." Allein im Kreis Minden-Lübbecke dürfen derzeit sieben Heime keine Bewohner aufnehmen. "Aufgrund von Personalmangel wurde gegenüber vier Einrichtungen - eine in Minden, zwei in Lübbecke, eine in Bad Oeynhausen - ein Belegungsstopp angeordnet", teilt Kreissprecherin Mirjana Lenz mit. Diese Einrichtungen würden die gesetzlichen Mindestvorgaben zur Personalausstattung so unterschreiten, dass eine Gefährdung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner vorliege. "Gegenüber vier Einrichtungen - drei in Stemwede, eine in Petershagen - wurde aufgrund von baulichen Voraussetzungen ein Belegungsstopp ausgesprochen." Nach dem Umbau werde der aufgehoben, so Lenz."Wir zahlen mehr als 4.000 Euro" Joachim Knollmann hat alles versucht. Hat beim Arbeitsamt vorgesprochen, wo er die Aussage bekam, eine Fachkraft zu finden sei wie ein Sechser im Lotto. Er fragte bei Zeitarbeitsfirmen an - erfolglos. "Die Branche hat ein Imageproblem", ist Knollmann überzeugt. "Der Ruf ist schlecht - unbegründet." Denn die Anreize seien durchaus da: "Wir zahlen bis über 4.000 Euro Monatslohn, bieten Prämien, Bonusprogramme und sogar eine Kinderbetreuung", zählt er auf, was sein Haus mache, um Mitarbeiter zu bekommen und vor allem zu halten. "Niemand möchte mehr diesen Beruf erlernen. Wenn das so weitergeht, haben wir in zehn Jahren überhaupt keine Pflegekräfte mehr", fürchtet er. Doch was könnte die Lösung sein? "Die Fachkräftequote vorübergehend zu lockern - denn andere Pflegekräfte gibt es genug. Für den Übergang wäre das machbar", ist der Geschäftsführer überzeugt. Die Politik sei gefordert.Weshalb Joachim Knollmann, selbst Mitglied der CDU und Kreistagsmitglied, sowohl NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann als auch die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, angeschrieben hat. Ohne Erfolg. Denn: "Laut Kreisstatistik gibt es im Mühlenkreis einen Überhang von 552 Pflegeplätzen, davon allein 140 in Bad Oeynhausen", hat Joachim Knollmann erfahren. "Quatsch", nennt er diese Zahlen. "Die Einrichtungen wissen alle nicht, wohin mit den Menschen, die haben alle Wartelisten." Potenzielle Pflegebedürftige könnten derzeit nirgendwo untergebracht werden. "Das merken wir auch beim ambulanten Pflegedienst. Da explodieren die Zahlen." Wirtschaftsprüfer finden zu viele Plätze Doch wo hat der Kreis Minden-Lübbecke diese angeblich zu vielen Pflegebetten gezählt? "Die Zahlen stammen aus dem Entwurf der örtlichen Pflegeplanung", erklärt Kreissprecherin Mirjana Lenz. "Der Entwurf wurde von der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am 2. September 2021 erstellt." Für die Einschätzung der Angebotssituation seien die bestehenden Plätze mit Stand vom Juni 2021 den "gemäß Pflegestatistik im Dezember 2019 in Pflegeheimen vollstationär versorgten Menschen gegenübergestellt". Zahlen, zwischen denen mehr als anderthalb Jahre liegen. Herausgekommen ist dabei, dass es kreisweit 3.975 Pflegeplätze gibt, aber 2019 nur 3.423 Pflegebedürftige. "Das sind Zahlen, die die Brisanz der Lage nicht erkennen lassen", ist Joachim Knollmann überzeugt. Denn entgegen der Meinung des Gesundheitsministers, dass fehlende Fachkräfte nicht die Kapazität der Unterbringung gefährdeten, sieht Knollmann eine Welle fehlender Pflegeplätze auf die Gesellschaft zukommen. Für Ommi gibt's bald keinen Platz mehr. Um wenigstens in einigen Monaten wieder Zimmer belegen und somit wartende Menschen aufnehmen zu können, streckt Knollmann nun seine Fühler Richtung Ausland aus. Die Philippinen und Bosnien stehen auf seinem Zettel. Doch das dauert. Erst einmal gelte es, aus der Vielzahl der Agenturen seriöse Anbieter zu finden. "Dann braucht es ungefähr sechs Monate Vorlauf, bis die Arbeitskräfte hier sind." Die wiederum sechs Monate eingearbeitet werden müssten, denen eine Unterkunft gestellt werden muss, für die zwischen 8.000 und 10.000 Euro pro Kraft an die Agentur bezahlt werden muss - und die sich im Gegenzug aber nicht an die Pflegeeinrichtung binden müssen. Knollmann: "Wenn's schlecht läuft, bekommen sie woanders mehr Geld und sind nach einem halben Jahr wieder weg."

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