Bad Oeynhausen Ausverkauft: Gregor Gysi berichtet im Theater im Park über bewegtes Leben

Bad Oeynhausen. Eigentlich sagt man nur Katzen nach, dass sie sieben Leben haben. Unter anderem deshalb, weil sie einen Sturz aus großer Höhe überleben können. Vielleicht ist das die Brücke, die Gregor Gysi in seiner Autobiografie &bdquo;Ein Leben ist zu wenig“ schlägt, wenn er darin von seinen sieben Leben schreibt. Denn der Sturz, den der bekannteste Linkspolitiker im Land nach der Wiedervereinigung politisch überlebt hat, war gewaltig. Vor den üblichen Verspätungen der Deutschen Bahn schützen solche Lebensversicherungen allerdings nicht. Und so kam der letzte Vorsitzende der SED mit spürbarer Verspätung zu seiner Lesung im Theater im Park an. Eine Lesung? Alles andere als das. Denn seine 2017 erschienene Autobiografie nahm der 73-Jährige nur ganz am Schluss einmal kurz in die Hand, als er die beiden Sätze aus dem Prolog und Epilog las. Ansonsten erzählte der Bundestagsabgeordnete aus seinem Leben, schätzte den gegenwärtigen Status der Regierungsbildung und die politischen Gefahren der Zukunft ein und beantwortete die Fragen von Hans-Dieter Schütt, einem Journalisten und seinem Co-Autor, der ihn als Gesprächspartner zu der im Vorfeld lange ausverkauften Lesung begleitet hatte. Braun gebrannt und eloquent Braun gebrannt und im modischen schwarzen Samtanzug, eloquent, selbstironisch und ausnehmend humorvoll: Der außenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag bekommt im Theater im Park immer wieder spontanen Applaus. Etwa, als er Chancengleichheit und den Zugang zu Kunst, Kultur und Ausbildung für alle Kinder fordert. Oder als er verlangt, dass die Politik entscheidet, was in der Wirtschaft passiert und nicht andersherum. Und auch als er dafür plädiert, &bdquo;den Osten nicht der AFD zu überlassen“. &bdquo;Wir stehen an einem Scheideweg“, ist sich der Linken-Politiker sicher. Minuten später bringt er den ganzen Saal erst mit DDR-Witzen zum Lachen. Und dann als er erzählt, dass er als gebürtiger Ostberliner nicht nur Jurist, sondern auch Rinderzüchter war. Und seinen landwirtschaftlichen Beruf so kommentiert: &bdquo;Ich kann ausmisten und melken. Aber auch künstlich besamen und mit Hornochsen umgehen, was in der Politik ein großer Vorteil ist“. "Um links zu denken, muss man nicht arm sein, aber gegen Armut sein." Nicht gerade optimistisch ist der Jurist beim Gedanken an die sich anberaumende Ampelkoalition: &bdquo;Das wird vermutlich einen Stillstand geben“, prognostiziert Gysi. Als er von Hans-Dieter Schütt gefragt wird, wie das funktioniert, dass sich jemand, der wie Gregor Gysi aus einer betuchten Familie stammt, für die Ideale der Linken einsetzt, antwortet der Politiker: &bdquo;Um links zu denken, muss man nicht arm sein, aber gegen Armut sein. Ich würde mich freuen, wenn wir mehr reiche Mitglieder in unserer Partei hätten“. 600 Seiten für sechs Leben: Gregor Gysis Kindheit und Jugend in der DDR als Sohn eines hohen Funktionärs. Sein Studium und seine Anwaltszeit, in der er seit 1971 auch Systemkritiker wie Robert Havemann oder Bärbel Bohley vertrat. Danach die Wendephase, die im vereinten Deutschland erst mit den Anfeindungen begann und dann in einer gesamtdeutschen Akzeptanz mündete. Erst beim Schreiben, erzählt der Jurist, hätte er festgestellt, dass er mehrere Leben gelebt hat, resümiert der Politiker. Und jetzt? &bdquo;Nun kommt ja irgendwann wieder ein neuer Lebensabschnitt. Und den bringe ich in meinem Epilog zum Ausdruck und sage: Ich bin wild entschlossen, das Alter zu genießen. Da sollen sie mich mal kennenlernen!“, gibt Gregor Gysi einen Ausblick auf sein siebtes Leben. Die Verspätung machte Gysi mehr als wett und legte auf die vereinbarte Redezeit am Ende noch einmal mehr als eine halbe Stunde drauf. Für viele Gäste im Publikum hätte er gerne noch weit länger sprechen können. Denn ein Abend ist schon etwas knapp für sieben Leben. Mit frenetischem Applaus bedankten sie sich für die unterhaltsame und inspirierende Lesung.

Bad Oeynhausen Ausverkauft: Gregor Gysi berichtet im Theater im Park über bewegtes Leben

Mehr zum Thema

Newsletter Bad Oeynhausen

Wunderbar. Fast geschafft!