Bad Oeynhausen Im Kurpark knattern und qualmen die Oldtimer

Bad Oeynhausen. Fürs Küsschen vor der Kamera brandet Applaus auf. Inzwischen sind zahlreiche Spaziergänger auf das ungewöhnliche Fotoshooting mit Senioren und Oldtimern im Kurpark aufmerksam und neugierig geworden. Sie stehen rings um den Fotografen und fragen: Was machen die denn da? Die Antwort ist schnell erzählt: Fotos für einen Jahreskalender. Das Seniorenzentrum Bethel hat nach einem Jahr Coronapause ihre Bewohnerinnen und Bewohner wieder gebeten, für den neuen Kalender Modell zu stehen. Und zwar mit alten Fahrzeugen. Annelies (73) und Dieter (76) Muske haben es sich auf einer Parkbank zum Picknick vorm Badehaus I gemütlich gemacht. Wie zufällig parkt ein Mercedes 200 V direkt daneben. Die Szene ist natürlich arrangiert, aber eine überaus ungewöhnliche deutsch-deutsche Begegnung. Annelies Muske ist erst vor wenigen Jahren mit ihrem Mann aus Ostdeutschland in die Nähe der Kinder nach Bad Oeynhausen gezogen. Aufgewachsen ist das Ehepaar in der DDR, zuletzt haben sie in der Nähe von Plauen gelebt. Ihr erstes Fahrzeug war ein Trabant, dann kam ein Lada und zuletzt ein Golf. Das Auto aber, vor dem die beiden fotografiert werden, kommt aus Westdeutschland und ist so alt wie die Bundesrepublik. Es wurde am 28. Mai 1949, fünf Tage nach der Verabschiedung des Grundgesetzes, als Kraftfahrzeug zugelassen. Dieser Mercedes steht in Bad Oeynhausen, wo auch der Eigentümer wohnt. Die anderen Oldtimer kommen fast alle über das Netzwerk der Oldtimerfreunde Extertal. Die Fahrer parken vorm ehemaligen Hotel Königshof und warten auf Einlass in den Kurpark. Über so viele Chauffeure staunen selbst die Freitags-Brautpaare, die wie üblich zum Hochzeitsshooting mit Schleppe und Anzug in den Kurpark staksen. Geklatscht wird an diesem Tag aber nur fürs Küsschen von Ehepaar Muske. "Ich bin auch ein Oldtimer" Kaum ist die Szene im Kasten, eilt Fotograf Andreas Bohla auch schon zum nächsten Setting. Es geht kreuz und quer durch den Park. Die Autos stehen an der Wandelhalle, vorm Badehaus II oder am Pavillon. Tanja Moysig vom Seniorenzentrum Bethel eilt hinterher und bringt Fahrzeuge und Bewohner zusammen. Zwölf Szenen müssen es mindestens sein. Außerdem braucht es ein Titelbild und vielleicht das eine oder andere Foto in Reserve. Für das Altenheim ist es bereits der vierte Kalender. Unvergessen ist das Fotoshooting der Bewohner, die sich als Film- und Musikstars verkleidet haben. Otto Grothe setzt als Verkleidung nur einen Strohhut auf und stellt sich mit Zeitung lässig an den alten Opel "Regent" von 1934. "Ich bin auch ein Oldtimer", sagt Grothe. Er ist fünf Jahre älter als das Auto. Als Grothe geboren wurde, wurde Opel amerikanisch. Der Opel Regent wird unter Kennern auch "Der kleine Amerikaner" gerufen, erzählt der Eigentümer. Die Amis wollten nicht zulassen, dass in Deutschland größere Fahrzeuge als in Amerika gebaut werden. Immerhin 16 Liter Benzin auf 100 Kilometern schluckt der Opel mit seinem Sechszylinder heute bei bloß 33,5 PS. Aber das Oldtimerpaar macht was her vorm Theater im Park. "Mein erstes Auto", sagt Otto Grothe als er sich bei Zuckerkuchen und Kaffee vom Shooting erholt, "war ein Fiat Jagst 770." Den hat er damals bei Blöbaum erstanden, weil seine Frau mit der Frau des Autohändlers befreundet war. Günther Drinkuth dagegen ist ein alter BMW-Fahrer, früher ist er mit seinem 1800er TI herumgekurvt, heute ist er ziemlich flott im E-Scooter unterwegs. Und ausgerechnet dem ehemaligen BMW-Fahrer stellen sie einen Mercedes hin! Richtig böse ist Drinkuth aber nicht, denn dieser Mercedes 280 SL "Pagode" von 1970 ist ein elegantes Traumauto. Eigentümer Joachim Schimanski bietet Drinkuth einen Fahrzeugtausch an - für die Dauer des Fotoshootings. Für beide ist das ein Heidenspaß. Tanz im Pavillon Anni (85) und Helmut (87) Höner dagegen interessieren sich weniger für das Auto (ein Mercedes 220 S "Ponton" von 1958) als füreinander. Das Paar war schon 2015 beim Kalendershooting als Filmstar-Duo ("Dinner forone") dabei. Diesmal haben die beiden aber eine Verabredung zum Tanz im Trinkpavillon. Tanja Moysig platziert auf dem Mosaikboden noch rasch eine Falsche Sekt, die Autotür bleibt offen. Verheißung liegt in der Luft. Und dann steht Helmut Höner mit etwas Hilfe aus seinem Rollstuhl auf und bittet seine Frau zum Tanz. Peter Kelle dagegen ist ein bisschen unzufrieden mit seinem Oldtimer. Er bugsiert seinen Rollator neben einen Golf GTI von 1988, den der Fotograf mit einem roten Nikolausmantel und zahlreichen Geschenkpaketen drapiert hat. Das Foto soll wohl für den Monat Dezember sein. Kelle murrt aber nicht und schiebt sich trotzdem neben das Auto. Der Golf vom Weihnachtsmann hat immerhin ordentlich Bums unter der Haube. Nikoläuse haben es ja meist eilig. Der Eigentümer erzählt später, sein Golf habe 112 PS. Der Youngtimer gehört dem Chef des Seniorenzentrums, Joachim Knollmann. Der neue Bethel-Kalender für 2022 soll im November erscheinen, ist für Freunde und Förderer des Seniorenheims gedacht und zum Selbstkostenpreis in der Einrichtung zu erwerben.

Bad Oeynhausen Im Kurpark knattern und qualmen die Oldtimer

Mehr zum Thema

Newsletter Bad Oeynhausen

Wunderbar. Fast geschafft!