Missbrauchsfall Bad Oeynhausen: Angehörige der Opfer sagen vor Gericht aus

Bad Oeynhausen/Bielefeld. Wie glaubwürdig sind die jungen Opfer? Warum haben einige von ihnen nur nach und nach Details aus den Behandlungen eines Bad Oeynhausener Physiotherapeuten gegenüber der Polizei offenbart? Diesen Fragen wollten vor allem die Verteidiger von Rainer M.-B. und Reinhild M.-B. beim Prozess vor dem Landgericht Bielefeld nachgehen. "Weil es Kinder sind. Und die nur auf gezielte Fragen antworten und erst nach und nach mit weiteren Details kommen", erklärte eine Dortmunder Polizistin. Das sei bei solchen Vorfällen vollkommen normal. Die 40-jährige Beamtin hat einige der jungen Mädchen vernommen, die mutmaßliche Opfer des 62-Jährigen sind. Neben ihr war noch ein weiterer Polizist, der Bruder eines damals sechsjährigen Opfers sowie der Freund eines inzwischen 16-jährigen Opfers geladen. Am Ende des Prozesstages gab es eine weitere nicht öffentliche Opfer-Vernehmung. Hier sagte eine 13-Jährige aus. Wie mehrfach berichtet, wirft die Staatsanwaltschaft dem Therapeuten vor, in mindestens 40 Fällen, mindestens acht junge Mädchen in seiner Praxis unter den Vorwand der Therapie sexuell missbraucht zu haben. Davon sollen 23 Taten in den Bereich schwerer sexueller Missbrauch fallen. Außerdem wird ihm Körperverletzung sowie der Besitz und die Erstellung von Kinderpornografie – hier ist die Rede von mehr als 10.000 Fotos – zur Last gelegt. Seine ein Jahr ältere Ehefrau steht wegen Beihilfe ebenfalls vor Gericht. 13-Jährige hat Angst, dass sie jemand anfasst Rund zehn Mädchen, die bei Rainer M.-B. in Behandlung waren, hat die Polizistin vernommen. Darunter auch ein inzwischen 13-jähriges Mädchen. "Sie hatte bei der Vernehmung eine altersgemäße Scham - vollkommen normal", beschreibt die Beamtin die Vernehmung. "Sie hatte mit starken Emotionen zu kämpfen, es kamen Tränen, aber es war bei ihr der Wille da, diese Vernehmung durchzuziehen." Auf Bestreben der Mutter sei das Mädchen dreimal bei M.-B. zur Behandlung gewesen. Bei dem Kitzel-Ritual am Ende jeder Behandlung habe sie sich unwohl gefühlt. "Es ist mehrmals das Wort unangenehm gefallen. Sie hat sich vor dem Termin dort richtig schlecht gefühlt." Dinge in der Behandlung seien für das Mädchen eine gefühlte Grenzüberschreitung gewesen. Bei dem letzten Termin, direkt vor den Weihnachtsferien 2018, war das Mädchen ohne Mutter im Behandlungsraum. Da habe der Therapeut ohne Vorwarnung oder Nachfrage die Hose des Mädchens geöffnet und sie samt Unterhose bis zur unteren Grenze des Schambereiches heruntergezogen. Das Mädchen, so erklärt die Polizistin sei in psychologischer Behandlung, habe Ängste - davor, dass sie jemand anfasse. "Sie hat zudem ein unangenehmes Klima in der Praxis beschrieben." Ein 26-jähriger Bruder eines weiteren möglichen Opfers erklärte vor Gericht, dass der Vorfall in der Praxis ein Tabuthema innerhalb der muslimischen Familie sei. Es sei sehr mit Scham behaftet. Nur wenige wüssten davon. Aber ihm habe seine Schwester, die bei dem Missbrauch sechs Jahre alt gewesen sein soll, gesagt, dass der Therapeut seinen Finger eingeführt habe. Eine Aussage, die die inzwischen Zwölfjährige vor Gericht so nicht aussagte. Weshalb es die Frage zu klären galt, was wirklich in den Praxisräumen passiert ist. Am Ende machte der Zeuge allerdings keine glückliche Figur, als er noch im Gerichtssaal verkündete, er habe eine große Familie und die Angeklagten sollten sich vorsehen, wenn sie nicht weggesperrt würden. Opfer gab Fernsehinterview - und muss erneut aussagen Weil eine 16-Jährige nach ihrer Aussage vor Gericht einem privaten Fernsehsender ein Interview gab, wird sie am Montag, 25. November noch einmal vor Gericht aussagen müssen. Am Freitag wurde aber erst einmal ihr 18-jähriger Freund vernommen. "Sie ist stolz auf den Beitrag. Weil sie anderen Kindern und Eltern eine Botschaft senden wollte", erklärte er. Auch sei sie nach der Aussage vor Gericht stolz gewesen - auf sich, weil sie das durchgestanden habe. Ihrem Freund hatte das Mädchen bereits im Winter 2018 von den Taten berichtet. Die Details dazu schilderte der junge Mann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Prozess wird am Montag, 25. November, nicht öffentlich mit weiteren Opfervernehmungen fortgesetzt. Geplant ist, dass am Dienstag dann der physiotherapeutische Gutachter sein Ergebnis vorstellt. Das Urteil wird nach derzeitigem Stand am 4. Dezember erwartet.

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