Bad Oeynhausen Die Freiheit braucht Pflege

Bad Oeynhausen. So ganz genau weiß Klaus Gall gerade gar nicht, wem er da eigentlich das Foto zeigt. Doch mit der Erklärung, das sei die Chefin aller Pfarrer kann der Mindener, der in einer Wittekindshofer Wohngemeinschaft lebt, etwas anfangen. Stolz zeigt er Präses Annette Kurschus das Kalenderbild des Monats August. Es zeigt ihn in einem Wattmobil – strahlend vor Freude. Raus aus dem E-Rolli, rein ins unbekannte Mobil – für Klaus Gall der Inbegriff von Freiheit. Und das Thema Freiheit stand beim traditionellen Aschermittwochsempfang der Diakonischen Stiftung Wittekindshof im Mittelpunkt. Neben dem Grünkohl versteht sich: &bdquo;Der ist dieses Jahr vom Frost besonders verwöhnt", freute sich Superintendent Andreas Huneke, gleichzeitig auch Vorsitzender des Stiftungsrates, schon im Vorfeld auf das Büffet. Dafür hatte Küchenchef Stephan Miegel mit seinen Mitarbeitern 600 Würstchen, 160 Kilogramm Grünkohl und 40 Kilogramm Kartoffeln zubereitet. &bdquo;Das machen wir nebenbei", winkt Miegel ab, der sonst für rund 2.000 Menschen und nicht nur für 250 kocht. Freiheit. Ein großes Wort. Doch was ist das eigentlich? &bdquo;Freiheit ist für mich Ronja", sagt zum Beispiel Dorothea Dohmann. Ihr Havaneser folgt der jungen Frau seit drei Jahren auf Schritt und Tritt. Für Angehörige Cornelia Fey-Starik ist Freiheit, das ihre behinderte Tochter Meike selbst entscheiden konnte, wo und wie sie leben möchte. Freiheit, das ist aber auch verbunden mit Freiheitsentzug. Um Menschen zu schützen. &bdquo;Damit geht es den Mitarbeitern nicht gut", sagt Diakon Jens Thielking. &bdquo;Das macht jedes Mal etwas mit ihrer Seele." Im Jahr der Reformation, 500 Jahre nachdem Martin Luther angeblich seine Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg schlug, ist der Begriff der Freiheit aktueller denn je. &bdquo;Freiheit ist nichts, was man einfach hat", sagt die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. &bdquo;Dieser Tage muss man leider hinzufügen, sie hat ein gemeinsam zu verteidigendes Erbe", betonte sie. Freiheit brauche aber auch die kreative, provokante und gewagte Aktion einzelner, sie brauche die Geschäfts- und Tagesordnungen, die Parlamente und Amtsstuben. &bdquo;Wir brauchen Protest und Gelassenheit, wir brauchen die schnelle Handlung und den langen Atem." Deutlich werde durch Freiheit aber auch, dass die vermeintlich Schwachen ihre ganz eigenen Stärken hätten. &bdquo;Ich ahne, dass Sie diese Erfahrung hier im Wittekindshof täglich neu auf beeindruckende Weise machen", wandte sie sich an die Mitarbeiter. Freiheit, das ist für Vorstand Dierk Starnitzke der neue Fonds für Menschen mit Behinderungen. &bdquo;Endlich konnte zum 1. Januar die Stiftung ,Anerkennung und Hilfe eingerichtet werden", lobte der Pfarrer. Durch sie sollen die in den Jahren 1949 bis 1975 erfahrenen Einschränkungen von Freiheit und durch Gewalt nun für ehemalige Kinder und Jugendliche aus der Behindertenhilfe und Psychiatrie anerkannt und die Betroffenen unterstützt werden. &bdquo;Allein 680 von ihnen werden bis heute vom Wittekindshof unterstützt." Damit werde deutlich, dass ein Leben in Freiheit ein Gedanke sei, der noch sehr jung sei. &bdquo;Freiheit ist ein frisches zartes Pflänzchen im Vorfrühling, das wir hegen und pflegen müssen, damit es nicht gleich wieder eingeht", sagte Starnitzke. Musikalisch wurde er durch die inklusive Band &bdquo;Walking on the moon" abgelöst – mit Armstrongs &bdquo;Wonderful World" auf breitestem Westfälisch: &bdquo;Wat ne herrliche Welt".

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