Oerlinghausen. Normalerweise endet die Saison im Archäologischen Freilichtmuseum (AFM) Oerlinghausen am 31. Oktober. In diesem Jahr aber hatte das Museum ausnahmsweise auch noch an Allerheiligen geöffnet. Im Mittelpunkt stand eine besondere Veranstaltung, die verdeutlichte, dass Märchen längst nicht nur etwas für Kinder sind.

Düstere Geschichten der Inuits (Volksgruppen, die im arktischen Zentral- und Nordostkanada sowie in Grönland leben) bildeten den würdigen Abschluss. Zu Gast waren Ricarda Koch und Jochen Hettig. Beide gehören dem Erzählkreis Märchenmuseum Bad Oeynhausen an und den Kalletaler Wortakrobaten. Mitgebracht hatten sie Erwachsenen-Geschichten wie etwa die eines Waisenjungen, der bei seiner Großmutter aufwächst, gehänselt wird, erstarrt und schließlich aus Rache den gesamten Stamm umbringt.

Keineswegs leichte Kost also, die das 30-köpfige Publikum serviert bekam, während im Hintergrund das Feuer knisterte. Eskimo-Märchen werden von Generation zu Generation weitererzählt. Ausgesucht hatten die beiden ausgebildeten Märchenerzähler Geschichten, die zum Allerheiligentag passen. „Inuit-Mythen kennzeichnen ihr Weltbild“, berichtete Ricarda Koch. „Sie zeigen Lebenskraft und das geheimnisvolle Einssein von Mensch und Tier.“ Darum ging es gleich im ersten Märchen, dem die Zuhörer gebannt folgten. Ein eingebildeter Rabe berührte trotz Warnung aus Neugier eine Lampe und tötete damit die Besitzerin, denn die Lampe war ihr Herz.

Schauer dürften den Besuchern auch bei der Geschichte um eine Frau, die ihren totgeglaubten Mann plötzlich mit drei Frauen beobachtet, sich in einen Bären verwandelt und zur Bestie wird, über den Rücken gelaufen sein. „Die Frau riss ihm das Herz aus der Brust und verschlang es“, heißt es im Märchen. Und auch ihre Kinder zerriss sie in Stücke.

Die beiden Märchenerzähler sind viel unterwegs, haben gerade eine große Reise mit einem Wikingerschiff unternommen und dabei für einen Jungen, der mit einer Behinderung lebt, gesammelt. Die nächste Saison im AFM startet am 1. April 2024.