Prozess in Detmold Frau in Lage getötet: Angeklagter bricht Schweigen im Totschlags-Prozess

Detmold/ Lage. Es ist der achte Prozesstag einer zähen Beweisaufnahme, an dem der angeklagte Detmolder (27) sein Schweigen bricht. Zum ersten Mal ist sein Gesicht nicht von einem Mund-Nasen-Schutz bedeckt, zum allerersten Mal hören nicht bloß die zwei ihn dicht flankierenden Verteidiger seine Stimme. Die Detmolder Staatsanwaltschaft wirft dem großen Mann im blauen Pullover vor, am 12. Mai 2022 seine Ex-Freundin (26) in ihrer Lagenser Wohnung erdrosselt zu haben. Seine Version ist eine andere. Obwohl Oberstaatsanwalt Christopher Imig die Worte des Angeklagten im Nachgang nicht näher kommentieren möchte, sprechen seine direkten Reaktionen im Saal eine sehr deutliche Sprache. Fast schon empört müssen sowohl Oberstaatsanwalt als auch die Vertreter der Nebenklage aufschnaubend mit dem Kopf schütteln, als der Angeklagte für jedes noch so kleine ermittelte Indiz seine Erklärung ausbreitet. Die Playstation der Getöteten, die die Ermittler später in der Wohnung seiner inzwischen Verlobten in Bas Arolsen (Hessen) sichergestellt hätten, habe die Ex-Freundin dem Angeklagten am Nachmittag ihres Todes von sich aus abgetreten, sagt er, da sich die Hotelfachfrau eine neue angeschafft habe. "Nie im Leben", hört man die Mutter des Opfers auf der anderen Seite des Saals leise sagen. Sie ballt die Hände zur Faust. Vielleicht aus Wut, vielleicht aus Verzweiflung. Es muss ein Martyrium sein, dem sie sich schon seit dem Prozessauftakt Mitte November jedese Mal aufs Neue aussetzen muss. Wichtig ist die Konsole, weil das Kabel des Controllers auch als mögliche Tatwaffe in Betracht käme. Eindeutige Beweise dafür gibt es nicht. Angeklagter: "Als ich gegangen bin, ging es ihr gut" Nur auf dem Sparschwein, das neben dem auf dem Sofa liegenden Körper der getöteten jungen Frau gefunden worden war, hätten Fingerabdrücke des Angeklagten nachgewiesen werden können. "Das hatte sie schon, als wir noch zusammengewohnt haben", begründet der Detmolder mit ruhiger Stimme. Beide hätten nach der Trennung mal mehr mal weniger miteinander zu tun gehabt, sagt er. Seit Anfang 2022 sei der sporadische Kontakt wieder intensiver geworden, sie hätten regelmäßig miteinander geschrieben. Einen Tag vor dem gewaltsamen Tod habe die 26-Jährige den Angeklagten gefragt, ob die beidem am nächsten Tag nicht etwas unternehmen wollen. Er sei am Mittag zu ihr gefahren, dann seien sie mit seinem Auto zum Norderteich nach Horn-Bad Meinberg gefahren und spazieren gewesen. "Auf dem Rückweg hat sie erzählt, dass sie von einem Typen eine Nachricht bekommen hat, der sie gestalkt und belästigt hat", sagt der Angeklagte. Mit dem Fremden hätte sie ein Jahr zuvor wohl etwas gehabt, mehr wisse er nicht. Er sei abgelenkt worden, dann hätte sich das Thema nicht mehr vertieft Nach der Rückkehr hätten beide am Nachmittag noch in ihrer Wohnung ein paar Bonbons gegessen, dann habe er ihre Autoreifen in den Keller geschleppt und sich verabschiedet. "Ihr ging es gut, als ich gegangen bin", sagt der Angeklagte. Nur etwas Kopfschmerzen hätte seine Ex-Freundin gehabt, daher habe sie ihn gebeten, ihrer Mutter eine Nachricht zu schreiben, dass sie sich hinlegen wolle. Das sei ihm aber erst wieder am Abend gegen 20 Uhr eingefallen, als er längst bei seiner neuen Freundin in Bad Arelson angekommen sei. "Wieso glauben Sie, dass ihre Freundin Ihnen diesen Auftrag gebeben hat?", fragt der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer. "Das kam gelegentlich vor", sagt der Angeklagte. "Selbst als Sie beide gar nicht mehr zusammen waren?" "Ja", antwortet er. Danach sei er ganz normal bei seiner Tante in Detmold zum Abendessen gewesen, es hätte Spaghetti Bolognese gegeben. Auch seine Tante hatte dies bereits ausgesagt, ihr war an seinem Verhalten nichts aufgefallen. Angeklagter zählt bei Festnahme ungefragt Alibis auf Als ihn die Polizei am nächsten Tag aus dem Auto gezogen und festgenommen hätte, habe der 27-Jährige die Welt nicht mehr verstanden. Irgendein Polizist habe ihm beim Einsatz gesagt, er müsse ja wohl wissen, was er die letzten Tage getan hätte. Darum habe der Angeklagte überhaupt aufgezählt, so beschreibt er es, was er am Abend davor gemacht hätte. Einigen Polizisten und Polizistinnen kam es seltsam vor, dass der damals Beschuldigte einfach ungefragt Alibis aufgezählt hätte, obwohl ihm niemand den mutmaßlichen Tatzeitraum genannt habe. Einen davon hört das Gericht auch am achten Prozesstag. Nur der psychiatrische Sachverständige Dr. Bernd Roggenwallner kann sein Gutachten nicht wie geplant erstatten, er will sich vorher bei einem Nervenarzt noch Details zu einer damaligen Behandlung holen, um ein Gesamtbild zu bekommen. Der Angeklagte will ihn dafür von der Schweigepflicht entbinden. Dem Sachverständigen geht darum, ob Antriebslosigkeit und fehlende Tagesstruktur damals zu psychischen Problemen geführt haben könnten. Erst auf der Polizeiwache in Detmold habe er vom Tod seiner Ex-Freundin erfahren, sagt der Angeklagte. &bdquo;Ich war komplett bleich und geschockt. Ich wusste gar nichts mehr.“ Aus dem Zuschauerraum hört man Angehörige der Verlobten tuscheln. &bdquo;Ich glaube noch immer nicht, dass er es war.“

Mehr zum Thema