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Karl Banghard leitet das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen seit 20 Jahren und hat auch harte Zeiten erlebt. - © Karin Prignitz
Karl Banghard leitet das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen seit 20 Jahren und hat auch harte Zeiten erlebt. | © Karin Prignitz

Reise durch die Menschheitsgeschichte Das Museum, in dem erstmals Geschichte nachgestellt wurde

Das Archäologische Freilichtmuseum in Oerlinghausen hat vor allem in den vergangenen fünf Jahren einen Aufschwung erfahren. Schon bald gibt es einen neuen Anziehungspunkt.

Karin Prignitz
04.02.2023 , 08:23 Uhr

Oerlinghausen. Das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen befindet sich noch bis Ende März in der Winterpause. Die gilt allerdings nur für Besucher, denn im Museum wird derzeit emsig gearbeitet. Die Fläche, auf der ein authentischer Nachbau eines 32 Meter langen und acht Meter breiten germanischen Langhauses entstehen soll, ist mit Pflöcken abgesteckt. Karl Banghard ist als Leiter seit 20 Jahren verantwortlich für die Entwicklung des Museums am Barkhauser Berg und kann sich an schwierige Zeiten erinnern.

Konkurrenz

„In meinen ersten 15 Jahren hier gab es eine Stagnation", berichtet Banghard von einer Zeit, in der wenig passierte. „Wir haben auf der Stelle gestanden, weil die Mittel eingefroren waren." Entsprechend wenig konnte bewegt werden. „Das war auch für mich eine erfolglose Zeit." Parallel seien in den Jahren 2000 bis 2010 andere Freilichtmuseen „wie Pilze aus dem Boden geschossen, wir waren zwischen Schwarzwald und Nordsee nicht mehr die einzigen, es hat sich kommerzialisiert". Beim AFM Oerlinghausen aber stand und steht immer der Anspruch einer historisch-authentischen Darstellung im Vordergrund. Sein Vorgänger Martin Schmidt habe hier bereits Pionierarbeit geleistet, lobt Banghard. „Wir gehörten zu den ersten Museen mit Reenactment." Heißt: Darsteller stellten beispielsweise bei den Wikingertagen Schlachten mit Bezug zu den tatsächlichen Ereignissen in der Vergangenheit nach. Dazu gehören auch Ausstattung und Kleidung. Das AFM habe immer danach gestrebt, nicht mit Spaßveranstaltungen auf eine Ebene gestellt zu werden, betont Banghard. Die Römertage in Augustdorf 2005 seien ein Schlag für das AFM gewesen. Auch, dass direkt nebenan weitere Freilichtmuseen geplant waren, „war ein Tiefpunkt". Verwirklicht wurden sie jedoch nicht.

Vereinsstruktur

Einige Living-History-Darsteller, so wie hier Arne Baldauf (l.) und Thorsten Brandes, zeigen in einer Kampfschau, welche Waffen in der Wikingerzeit eingesetzt wurden. - © Karin Prignitz
Einige Living-History-Darsteller, so wie hier Arne Baldauf (l.) und Thorsten Brandes, zeigen in einer Kampfschau, welche Waffen in der Wikingerzeit eingesetzt wurden. | © Karin Prignitz

„Ein wesentlicher Punkt", sagt Karl Banghard, „war, dass wir unsere Vereinsstruktur geändert haben." Hans Brinkmann als erster Vorsitzender des Trägervereins, dann Moritz Ilemann und Geschäftsführer Klaus Stein hätten ihre Beziehungen und ihr Know-how eingebracht. „Dadurch hat sich viel verschoben, die Sterne standen dann besser." Dinge hätten verwirklicht werden können, die vorher nicht möglich waren. Nach und nach sei das Museum ausgebaut worden. Sicherlich verdiene das Archäologische Freilichtmuseum Oerlinghausen weniger als staatliche Museen, „aber dafür", betont Banghard, „leben wir nicht im goldenen Käfig, sondern verfügen über eine gewisse Freiheit, wenn es um Entscheidungen geht". Auch unangenehme Dinge könnten viel eher angesprochen werden. So ist im Dezember die Broschüre „Germanen und der rechte Rand – Nazis im Wolfspelz" herausgebracht worden. Das Heft zeigt, wie in der Jugendkultur völkische Gedanken weitergesponnen und lebendig gemacht werden.

Weiterentwicklung

„In den vergangenen fünf Jahren hat das Museum einen deutlichen Aufschwung erfahren", bestätigt Karl Banghard. Wünsche durften geäußert und mit dem Konzept offensiv umgegangen werden. Etwas, das bis dahin unmöglich war. „Auch vorher gab es ein Konzept für die Zukunft", sagt der Museumsleiter, „aber da ging es nur darum, den Status Quo zu halten." Das sei auf Dauer nicht gut gewesen. Inzwischen ist neben Ausstellungen, die es gegeben hat, verschiedenen Projekten, die umgesetzt wurden und dem Nachbau mehrerer kleiner Häuser einiges passiert. „Wir versuchen, die Anlage so zu erhalten, dass sie eine Patina hat, die viele so schätzen." Museumsmitarbeiter Christian Schürmann habe ein Händchen dafür, auch mit kleinen Dingen wie etwa Hecken oder der Bemoosung auf Bäumen Atmosphäre und „einen schönen gewachsenen Eindruck" zu schaffen.

Besucherzahlen

„Die Besucherzahlen waren immer gut", hebt Karl Banghard die gleichbleibend positive Resonanz hervor. „Nur im Jahr 2013 sind viele Events verregnet." Die Mischung aus bewährten und neuen Aktionen habe sich bewährt, die lange Museumsnacht ist seit 2018 etabliert. Einen Einbruch gab es durch die Corona-Pandemie. Verzeichnete das Museum vor der Pandemie 24.000 Besucher pro Jahr, waren es 2020 10.000, 2021 kamen 15.000 und 2022 besuchten 20.000 Gäste das Museum.

Kooperation

Seit dem Jahr 2004/05 wachsen das AFM und das Naturschutzgroßprojekt zusammen. „In extrem guter Kooperation ist das über die Jahre hinweg gewachsen", sagt der Museumsleiter. Ein Miteinander soll es auch bei der gerade in der Entstehung befindlichen Klimaerlebniswelt in unmittelbarer Nähe geben. Ursprünglich hatte die direkt am AFM entstehen sollen. Das Vorhaben wurde nicht bewilligt, stattdessen wird jetzt ein anderes Konzept verwirklicht, „das auch seinen Charme hat", betont Banghard und verweist auf Synergieeffekte. Der 56-Jährige betont: „Wir sind nur Kooperationspartner, der Kreis baut die Klimaerlebniswelt." Das Museum bleibe eigenständig. Die Bauarbeiten beeinträchtigten den Museumsbetrieb in keiner Weise.

Programm

Durch den Bau des germanischen Langhauses, das im Herbst dieses Jahres fertig werden soll, fehlt dem Museum ein Drittel der Fläche für den Besuch von Schulklassen oder die Wikingertage. „Eine logistische Herausforderung", sagt Karl Banghard, die man aber meistern werde. Das Langhaus wird 32 Meter lang und dafür werden 195 große Eichenstämme verbaut. Die liegen momentan noch in Blomberg, wo sie von Hand entrindet werden. „Die Spuren einer maschinellen Entrindung würde man sehen. Das passt nicht", sagt Karl Banghard. Im Ausschuss für Schule und Kultur am Donnerstag rief er Oerlinghauser auf, sich ehrenamtlich beim Bau des Langhauses zu engagieren.

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