Prozess in Detmold Witwe sagt im Axtmordprozess aus: "Mein Mann hatte keine Affäre"

Detmold. Wieder reibt er sich die Hände nervös durchs Gesicht, als könnten sie ihm dabei helfen, aus dem voll besetzten Gerichtssaal zu verschwinden. Auch am zweiten Verhandlungstag nach dem grausamen Axtmord in Kalletal-Stemmen am 18. Juni 2022 bleibt Elchin A.s Blick meist starr auf die Anklagebank gerichtet. Schon zum Prozessauftakt vor zwei Wochen hat der 37-Jährige zugegeben, den neuen Liebhaber (39) seiner Ex-Freundin (24) aus Eifersucht mit einer Axt getötet zu haben. Immer wieder stöhnt er nun im Saal hörbar auf, wenn ihm die Dolmetscherin die Fragen des Gerichts zuflüstert. Als wären sie ihm unangenehm, vor allem wenn sie auf sein Innerstes abzielen. Das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer versucht am Dienstag, die Hintergründe des brutalen Axtschlags aufzuarbeiten. Der Angeklagte stellt sich bereitwillig etlichen Fragen, die nach der zum Auftakt verlesenen Erklärung seines Verteidigers Johannes Salmen noch offen geblieben sind. Manchmal muss der Rechtsanwalt aus Lage trotzdem eingreifen. "Ich hab nicht überlegt, ich habe einfach zugeschlagen", sagt Elchin A. und fügt dann hinzu: "Aber ich wollte ihn eigentlich nicht am Kopf, sondern am Bein treffen." Sein Verteidiger lenkt ein, möchte kurz unterbrechen: "Kopf und Fuß sind schon weit auseinander, das weiß er auch." War die Tat doch geplant? Dass er die Tat begangen hat, steht außer Frage. Rechtsanwalt Thorsten Frühmark, der die hinterbliebene Ehefrau in der Nebenklage vertritt, zweifelt aber an, dass Elchin A. die Axt erst ganz spontan in der Tatnacht aus dem Schuppen des Wohnkomplexes geholt hat. "Er lügt", sagt der Möllenbecker Anwalt in der Pause. Die Mordwaffe soll sich A. aus Sicht der Nebenklage schon vorher besorgt haben. "Sie könnte aus unserer Werkstatt stammen", sagt die Witwe aus. Etwa ein Kilometer ist diese vom Stemmer Mehrfamilienhaus entfernt, in dem ihr Mann erschlagen wurde. Die Axt steckte noch in seinem Kopf. Per SMS hatte die 42-Jährige morgens gegen 7 Uhr von dem Verbrechen erfahren. "Deinen Mann gibt es nicht mehr, Elchin hat ihn getötet", soll ein Nachbar geschrieben haben. "Ich habe gehofft, dass der Google-Übersetzer einen Fehler macht", sagt sie mit belegter Stimme. Ihren Ehemann im Schlaf zu töten sei die einzige Möglichkeit gewesen, die Elchin A. gehabt hätte, davon ist die zweifache Mutter überzeugt. "Anders hätte mein Mann es nicht zugelassen. Jeder, der ihn kennt, weiß das." Die Aussage der Witwe bleibt am zweiten Prozesstag besonders hängen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Mutter vor Gericht selbst etwas ins Kreuzverhör gerät. Obwohl etliche Hinweise darauf hindeuten, dass ihr Ehemann und die Ex des Angeklagten eine Affäre hatten, stellt sie sich dagegen. "Man konnte schon denken, dass sie etwas miteinander hatten. Aber mein Mann hat mir zwei Tage vor der Tat noch gesagt, dass es nicht so ist. Sie hätte ihn nicht rangelassen", sagt die Hinterbliebene. An dieser Einstellung halte sie fest. Ihr Ehemann hätte sich in den Kopf gesetzt, die Familie mit zwei Kindern aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen, überzeugt davon wäre sie nicht gewesen. Man habe öfter miteinander gegrillt, vor Elchin A. habe sie mit der Zeit aber richtig Angst gehabt, weil der immer wieder unangekündigt im Garten stand. Eine Woche vor der Tat habe sie A. den Schlüssel zur Wohnung seiner Ex zurückgegeben, als dieser ml wieder unangemeldet bei ihr gewesen sei. "Er hat uns psychisch richtig fertig gemacht."Im Mai habe die 42-Jährige wegen ihm sogar die Polizei gerufen, das bestätigt auch die zuständige Polizistin vor Gericht, die später auch als eine der ersten am Tatort ist. "Ich habe damals gesagt, wenn sie sich bedroht fühlt, soll sie sich melden." "Sie hat gebettelt, dass er zu ihr kommt" Ihr Ehemann habe Elchin A. letztendlich eine Falle stellen wollen, um ihn zurück ins Flugzeug nach Aserbaidschan zu setzen. Am Abend des 18. Juni habe man Elchin A. an der Werkstatt gesichtet, da sei ihr Ehemann erfolglos hingefahren. Später hätte die Ex-Freundin des Angeklagten den 39-Jährigen nahezu angebettelt, zu ihr zu kommen, weil sie Angst gehabt hätte. Das sei gegen 2 Uhr gewesen, sagt die Witwe. "Irgendwann hat sie es dann geschafft." Irritiert ist das Gericht von der Aussage der Zeugin trotzdem. "Sie haben bei der Polizei andere Angaben gemacht", sagt die Beisitzende Richterin Sylvia Suermann. Dort hatte die Hinterbliebene offensiv angegeben, dass sie von der Affäre ihres Ehemanns und der 24-Jährigen gewusst hätte. Genauso habe sie gesagt, dass ihr Ehemann in besagter Nacht in der Wohnung der jungen Frau auf Elchin A. warten wollte. "Das war einen Tag nach der Tat, ich stand unter Schock. Vielleicht hätte man damit warten sollen", sagt die Zeugin. Oberstaatsanwalt Christopher Imig hält dagegen: "Da war ein Mörder auf der Flucht, wir konnten nicht warten." Wenig später fügt er hinzu: "Wir sind hier im Gericht, hier muss man die Wahrheit sagen." Neben der Ehefrau sagen an diesem Verhandlungstag noch zwei Polizistinnen aus, die als erstes am Tatort waren und zwei weitere Polizeibeamte, denen der Verdächtige bei einer Verkehrskontrolle entwischt war. Einer brach sich bei der Verfolgung den Mittelfuß. Zum nächsten Prozesstag sollen weitere Zeugen gehört haben. Ob die Ex-Freundin des Angeklagten, der sie nach der Tat vergewaltigt haben soll, tatsächlich per Videoübertragung von der Ukraine aus vernommen wird, daran hegen noch einige Prozessbeteiligte Zweifel. Eine wichtige Rolle spiele sie trotzdem. "Das Nachtatverhalten der Frau ist mir noch äußerst suspekt", sagt Verteidiger Johannes Salmen. "Dass man da bisher einfach drüber hinweg gesehen hat, ist für mich unverständlich." Der Prozess wird am 6. Februar fortgesetzt.

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