Stadtgeschichte Oerlinghausen Die wechselvolle Geschichte des Oerlinghauser Rathauses

Oerlinghausen. Humor haben die Oerlinghauser offenbar stets besessen – sogar in schlimmen Krisenzeiten. &bdquo;Geht dir der Draht aus, geh aufs Rathaus“ ist auf einem Geldschein zu lesen, den die Gemeinde als Notgeld im Inflationsjahr 1923 herausgab. Die astronomische Summe von 500.000 Mark steht auf dem Schein. Im September des Jahres 1923 konnte man dafür gerade mal ein Ei kaufen. Viele Städte und Gemeinden druckten seinerzeit eigenes Notgeld, das im Zuge der Inflation jedoch auch immer weniger wert war. Aber nicht nur der Betrag auf dem Oerlinghauser Geldschein ist bemerkenswert, sondern das Motiv insgesamt. Es zeigt das Oerlinghauser Rathaus im Gebäude des Stadthotels. Schon im Juni 1923 waren im Seitenflügel des Hotels einige Büroräume als Verwaltungssitz der Gemeinde eingerichtet worden. Zuvor wechselte das Gemeindebüro immer wieder den Ort. Gemeindevorsteher war damals August Reuter, der – als Oerlinghausen 1926 die Stadtrechte erhielt – zum ersten Bürgermeister der Bergstadt avancierte. Gastwirt Alfred Gräber verlangte das Gebäude von der Verwaltung zurück Im Jahre 1933 aber wollte der neue Gastwirt des Stadthotels, Alfred Gräber, das komplette Gebäude für seinen eigenen Restaurantbetrieb nutzen und verlangte die Räume von der Verwaltung zurück. Notgedrungen suchte die Stadt Oerlinghausen ein neues Quartier. Mit dem Kaufmann Heinrich Bremer wurde man sich nach langem Hin und Her einig und man mietete das Haus Detmolder Straße 1 (heute Fliesenhaus) von ihm an. Zuvor hatte das Gebäude dem Geschäftsführer des Elektrizitätswerks, Joe Meyer, gehört. Das zentral gelegene Haus wurde übrigens 1882 vom jüdischen Holzhändler Isaak Meyer gebaut, der dort lange Zeit seinen Holzhandel betrieb, sagt dazu Heimatforscher Werner Höltke. Alle Ratsversammlungen oder größere Ausschusssitzungen fanden aber nach wie vor in den Räumen des Stadthotels statt. Bürgermeister Reuter konnte allerdings nicht mehr in das neue Verwaltungsgebäude einziehen. Im März 1933 musste er – und viele Ratsherren – den Posten räumen. Als die Nazis seinerzeit die Macht übernommen hatten, setzten sie nur linientreue NS-Parteigenossen im Oerlinghauser Stadtrat ein. August Reuter wurde aus der Bergstadt vertrieben. Sein Weg führte ihn über Brackwede schließlich nach Münster, wo er als gelernter Kommunalbeamter eine untergeordnete Stellung bei der Landesregierung bekam. Nazis hoben Friedrich Möller ins Bürgermeisteramt Als neuen Bürgermeister hoben die Nazis den bisherigen Blomberger Stadtsekretär Friedrich Möller ins Amt. 12 Jahre lang residierten Bürgermeister Möller und die braunen Machthaber im Rathaus an der Detmolder Straße. Doch sein Ende und das des gesamten Regimes wurde im Frühjahr 1945 eingeläutet. Dramatische Szenen spielten sich im und rings um das Rathaus an den Ostertagen 1945 ab. Die alliierten Truppen erkämpften sich in einer dreitägigen Schlacht den Durchgang durch den Teutoburger Wald. Ein größenwahnsinniger Leutnant versuchte mit 70 jugendlichen Soldaten die Stadt halten und hatte Oerlinghausen zur Festung erklärt. Bürgermeister Möller vernichtete noch große Teile der Rathausakten, wurde kurz darauf von den amerikanischen Truppen gefangen genommen und später ins Lager gesteckt. Der verbrecherische Offizier soll nach Angaben von Zeitzeugen kurz vor Eintreffen der Alliierten das Rathaus in Zivilkleidung verlassen und sich abgesetzt haben. August Reuter aber erlebte ein Comeback als Bürgermeister. Nach dem Zusammenbruch des braunen Regimes baten ihn Freunde – mit Billigung der amerikanischen Besatzer – noch einmal, das Amt anzutreten. August Reuter übernahm den Posten in schwierigster Lage ein weiteres Mal. Die Aufgaben der Stadtverwaltung aber waren riesig. Es mussten Lebensmittel besorgt werden, Brennmaterial war herbei zu schaffen, Wohnraum musste beschafft werden. Doch Reuters Gesundheitszustand war nicht der beste, und er übergab sein Amt bald wieder. Ein gutes Jahr später wählte der neuformierte Stadtrat Heinrich Kramer als Bürgermeister. Der gute Draht zur Landesregierung hilft Bürgermeister Heinrich Kramer Dank Kramers politischen Geschicks und seiner guten Drähte zur Landesregierung gelang es ihm, die größten Nachkriegsprobleme wie die Wohnraumnot und die Unterbringung der Geflüchteten durch Neubaumaßnahmen zu stemmen. Auch die Schulfrage ging er gemeinsam mit dem Stadtrat mutig an. Das historische Schulgebäude in der Innenstadt, das im Jahre 1887 gebaut worden war, bekam einen neuen Seitenflügel. Im Jahre 1949 war der Anbau an das Schulgebäude fertiggestellt. Ein Progymnasium fand nun – gemeinsam mit der Volksschule – in dem Gebäude Platz. Ohne es zu ahnen, hatte der Stadtrat jedoch damit bereits den Sitz des späteren Rathauses begründet. Denn die Volksschule zog 1959 in neugebaute Schulgebäude an der Weerthstraße und verließ die alte Immobilie. 1975 siedelte auch das gesamte Städtische Gymnasium an die Zeppelinstraße über (ab 2000 Niklas-Luhmann-Gymnasium). Und endlich konnte die Oerlinghauser Stadtverwaltung auch die längst zu klein gewordenen Büroräume an der Detmolder Straße 1 nebst weiteren angemieteten Räume verlassen. Nach einem großen Umbau des Schulgebäudes, bei dem man die ursprüngliche Fassade beibehielt, bezogen die Mitarbeiter der Verwaltung Anfang des Jahres 1976 das komplett renovierte und zweckmäßig gestaltete, denkmalgeschützte neue Rathaus.

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