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Leopoldshöhe „Man stößt ein Messer in ein Stück Fleisch“

Im Interview: Arno Strobel schreibt Psychothriller. Am Freitag, 29. April, liest er ab 19.30 Uhr in der Mensa des Schulzentrums in Leopoldshöhe. Wir sprachen mit ihm über seine Arbeit.

Gunter Held
27.04.2022 , 08:11 Uhr

Herr Strobel, Sie haben ähnlich wie Sebastian Fitzek, erst spät mit dem berufsmäßigen Schreiben begonnen. Halten Sie das, wie Fitzek, auch für eine Gnade?

Arnold Strobel: Ich glaube, dass es zumindest nicht schadet. Wenn man spät anfängt, hat man einen ganz anderen Zugang zum Schreiben, weil man einfach schon mehr erlebt hat als ein junger Mensch. Ich habe andere Gedanken, ich habe andere Möglichkeiten an eine Geschichte heranzugehen, als ein junger Mensch. Also von daher halte ich den späten Einstieg definitiv nicht für schlimm.

Von der Ausbildung her haben Sie nichts mit Psychologie zu tun – Sie sind IT-Spezialist. Trotzdem schreiben Sie Psychothriller. Wie gehen Sie an die Themen heran?

Ich wende mich an Menschen, die sich damit auskennen. Das ist eine ganz einfache Geschichte, das ist Recherche. Vielen meiner Bücher liegen psychische Krankheiten zugrunde, die der Täter oder die Täterin haben und wenn das der Fall ist, wende ich mich an entsprechende Fachleute.

Ihr Protagonist Max Bischoff wird in Ihrem neuen Roman „Mörderfinder – Die Macht des Täters“ charakterisiert als jemand, der ein großes kriminalistisches Fachwissen hat, sehr empathisch ist und über viel psychologisches Wissen verfügt. Er ist neudeutsch ein Profiler . . .

Ja, so wird das umgangssprachlich genannt. Die korrekte Bezeichnung ist aber tatsächlich Fallanalytiker. Er hat sich schon während seines Studium für die Fallanalyse interessiert und sich als Polizist in diesem Bereich weitergebildet.

Wie umfangreich ist die Recherche für einen solchen Roman?

Das hängt vom Thema ab. Wenn es um psychische Krankheiten geht, ist die Recherche recht umfangreich, denn wenn ich medizinische Fakten einbringe, müssen die Hand und Fuß haben, auch wenn die Geschichte erfunden ist. Ähnlich aufwendig ist es, wenn es die Arbeit der Polizei betrifft. Bei Max Bischoff ist da relativ simpel, weil er immer im Bereich Düsseldorf unterwegs ist. Aber meine Solo-Psychothriller spielen in unterschiedlichen Bundesländern. Wenn ich dort die Polizei einsetze, muss ich berücksichtigen, das gleiche Dinge in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden. Das heißt, dass ich in einer Stadt mit meiner langen Liste an Fragen in einem Polizeipräsidium vorstellig werde und die mit den Polizisten dort abarbeite. Das mache ich jedes Mal.

Gibt es da Ressentiments oder werden Sie überall mit offenen Armen empfangen?

Ich wurde definitiv überall mit offenen Armen empfangen. Ich habe noch kein einziges Mal erlebt, dass man unwillig war. Und das mit einer simplen Begründung: Die Polizeibeamten sagen, dass es Ihnen viel lieber ist, wenn ein Autor sich die Mühe macht und Fragen stellt, als wenn er sich Sachen aus den Fingern saugt. Das erlebt man leider Gottes oft – auch im Fernsehen.

Aus einer bizarren Situation entsteht ein neues Buch

Wie weit würden Sie gehen, um ein Faktum erschöpfend zu recherchieren?

So weit, wie es nach meinem Dafürhalten notwendig ist. Wenn es in Bereiche gehen würde, bei denen ich sagen würde, dass das an meine persönliche Grenze geht, müsste ich meine Handlung und die Situation im Buch noch einmal überdenken.

Woher wissen Sie, dass, wenn man ein Messer aus einem Körper herauszieht, ein schmatzendes Geräusch entsteht?

Na ja, man nimmt sich einfach ein großes Stück Fleisch von einem Tier, stößt ein Messer hinein und zieht es mit Wucht wieder heraus. Und dann muss man einfach nur genau hinhören.

Haben Sie da wirklich gemacht?

Ja, ja, genau so habe ich das gemacht.

Sie sagen, dass Ihre Geschichten aus Alltagssituationen heraus entstehen. Könnten Sie ein Beispiel nennen?

Ja, da gibt es ein bildhaftes Beispiel aus dem heraus mein erster Psychothriller „Der Trakt“ entstanden ist. Es geht darum, dass eine Frau in einem Krankenhaus erwacht. Man sagte ihr, sie hätte zwei Monate im Koma gelegen,weil sie einen Schlag auf den Kopf bekommen hat. Sie fragt nach ihrem Sohn und man sagt ihr, sie hätte keinen Sohn. Sie türmt aus dem Krankenhaus, ahnt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie läuft nach Hause zu ihrem Mann, klingelt, der macht die Tür auf, sie fällt ihm um den Hals und er stößt sie zurück und fragt: Wer sind Sie? In dem Buch geht es darum, dass sie auf der einen Seite auf der Suche nach ihrer Existenz ist, auf der anderen Seite auf der Suche nach ihrem Sohn. Soweit zum Buch. Jetzt eine Beobachtung aus meinem Umfeld, die mich dazu gebracht hat: Ich hatte eine Freundin zu Gast, die ihren fünf Jahre alten Sohn dabei hatte. Der junge Mann war an diesem Tag ziemlich anstrengend. So sehr, dass die Mutter irgendwann die Augen schloss und sagte: Ich stelle mir jetzt mal für zwei Minuten vor, dass ich keinen Sohn habe. In dem Moment sprang bei mir etwas an und ich dachte: Wenn der Kleine jetzt zur Toilette gehen würde und nach zwei Minuten fragt die Mutter: Wo ist eigentlich mein Sohn – und ich dann sage: Welcher Sohn? Du hast keinen Sohn. Bizarr – die ganze Situation. Und daraus musste ich ein Buch machen. So entstehen Ideen zu Büchern.

Wie realistisch müssen Ihre Krimis sein?

Ich versuche, sie so realistisch wie möglich zu halten, wobei bei Psychothrillern die Grenze etwas aufgeweicht ist. Ich glaube, da darf man hier und da einen Schritt über die Grenze des Realismus hinaus wagen, solange es nicht übertrieben wird.

Haben Sie als Schriftsteller ein Vorbild?

Definitiv Stephen King. Und zwar wegen der Art, wie er schreibt. Er ist der einzige Schriftsteller, der es schafft, zwanzig Seiten über einen Stein zu schreiben – und es bleibt spannend.

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