Oerlinghausen Wie die Oerlinghauser die NS-Zeit erlebten

Oerlinghausen. Wie war das Leben während des Nationalsozialismus in Oerlinghausen für die Menschen vor Ort? Dieser Frage geht jetzt ein Projekt nach, an dem sich im besten Fall viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen werden. Mit Erzählungen aus der eigenen Kindheit zu der Zeit, mit Geschichten, die Oma oder Opa weitergegeben haben, mit Fotos oder Dokumenten, die noch im Keller oder auf Dachböden lagern. Am Samstag stellt sich das bundesweite Projekt &bdquo;Das Dritte Reich und wir“ während des Wochenmarktes in Oerlinghausen auf dem Rathausplatz vor. Projektleiter für Oerlinghausen ist Christian Stüber von der Freiwilligen Feuerwehr Oerlinghausen, Löschzug Helpup, und ehemaliger Sprecher der Feuerwehr. Er war bereits vor zwei Jahren auf das Projekt gestoßen, als er im Internet wegen des 100-jährigen Bestehens der Helpuper Feuerwehr (2022) recherchierte. Damals ging es bei dem Projekt noch um das Thema &bdquo;Feuerwehren in der NS-Zeit“. Bundesinnenministerium fördert das Projekt Die Coronapandemie brachte dann erst einmal alles zum Stocken, das Projekt wurde ein Jahr später neu ausgeschrieben und um den Aspekt &bdquo;Das Dritte Reich und wir“ erweitert. Es ist ein bundesweites Projekt des Deutschen Feuerwehr-Verbandes und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Gefördert wird es vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und von der Bundeszentrale für politische Bildung. Vier Feuerwehren arbeiten dabei ihre NS-Geschichte auf. Für das &bdquo;Dritte Reich und wir“ haben sich insgesamt 14 Kommunen angemeldet, aus NRW ist die Bergstadt dabei. Die Dörfer und Städte sollen so die Möglichkeit bekommen, sich mit Spuren des Nationalsozialismus in der eigenen Gemeinde auseinanderzusetzen und die Ergebnisse vor Ort zu präsentieren, heißt es in der Mitteilung der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen. &bdquo;Jetzt geht es um einzelne Geschichten, die mal erzählt werden könnten“ Oerlinghausen sei generell schon &bdquo;gut aufgestellt“, was die Dokumentation des Geschehens während der NS-Zeit betreffe, sagt Christian Stüber. Karl Banghard vom Archäologischen Freilichtmuseum, Ortshistoriker Werner Höltke, Horst Biere, Jürgen Hartmann, der bereits zu NS-Opfern recherchierte, der Heimatverein – von ihnen allen sei bereits viel zu den Jahren 1933 bis 1945 in Oerlinghausen, Helpup und Lipperreihe zusammengetragen worden, sagt der 35-Jährige, der sich selbst sehr für Geschichte interessiert. &bdquo;Jetzt geht es um einzelne Geschichten, die mal erzählt werden könnten“, sagt Christian Stüber. Er selbst will seinen Fokus auf die Geschichte der Feuerwehr legen. Es gebe wenig Material, vermutlich sei 1999 viel verloren gegangen, als das Feuerwehrgerätehaus auf dem Marktplatz abgebrannt war. Aber &bdquo;das Projekt ist nicht nur für Feuerwehrleute oder Hobbyhistoriker“, erklärt Stüber. Jeder interessierte Bürger, jeder Verein sei willkommen. Und jedes erhaltene Stück Erinnerung könne helfen. Ein Wehrpass, ein Soldatenabzeichen des Großvaters oder Ur-Großvaters, Geräte, die in der Zeit für die Familie eine besondere Bedeutung hatten – was auch immer zu dem Thema etwas beitragen könne. &bdquo;Es gibt unzählige Publikationen zu lokaler NS-Geschichte“, sagt die Projektleiterin und Professorin Ulrike Weckel. Nur wenige Bürgerinnen und Bürger hätten allerdings je persönlich die Geschichte des Nationalsozialismus erforscht. Sie lehrt am Historischen Institut der JLU Fachjournalistik Geschichte und sagt: &bdquo;Es ist eben ein Unterschied, ob ich eine Dokumentation im Fernsehen über Zwangsarbeit sehe oder ob ich etwas über einen Zwangsarbeiter beim Bauern oder Gastwirt im eigenen Ort erfahre.“ Für die Uni begleitet und unterstützt Projektmitarbeiter Clemens Tangerding die Oerlinghauser Gruppe. Unterschiedliche Ansichten zur Aufarbeitung, unterschiedliche politische Haltungen – das alles dürfe gerne zusammenkommen. &bdquo;Natürlich kann es Streit darüber geben, wie freiwillig im Einzelfall eine NSDAP-Mitgliedschaft war, was den Einzelnen antrieb und wie wir das heute einordnen und bewerten“, erklärt der Historiker. Aber es gebe keinen Grund, Angst vor etwaigen Konflikten zu haben. &bdquo;Vereinsmenschen, Feuerwehrleute und Kirchenmitglieder vor Ort haben schon vor diesem Projekt viele schwierige Probleme gelöst“, sagt der 44-Jährige. Christian Stüber weiß darum, dass nicht jeder die Beschäftigung mit der NS-Zeit positiv sieht oder gar noch für erforderlich hält. Er ermuntert jeden, sich über das Projekt zu informierten – und dann vielleicht beim ersten Treffen mitzumachen. Die Geschichten, die zusammengetragen werden, dürfen gerne vielfältig sein. An diesem Samstag, 16. Oktober, 9 bis 13 Uhr, gibt es erste Infos zu dem Projekt an einem Stand auf dem Rathausplatz. Ein erster Workshop ist für Mittwoch, 3. November, 17 Uhr im Saal des Bürgerhauses an der Tönsbergstraße geplant. Dann sollen auch die weiteren Schritte – Ergebnisse und Recherchen, Themenauswahl, Vorbereitung und schließlich Präsentation – abgesprochen werden.

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