Oerlinghausen

Wie mit Falschmeldungen in sozialen Medien Stimmung gemacht wird

Soziale Medien: Wer bewusst Falschmeldungen verbreitet, macht sich möglicherweise strafbar. Auch in einer geschlossenen Gruppe wie „Wir sind Oerlinghausen“

Wir sind Oerlinghausen: In der geschlossenen Gruppe tauschen sich mehr als 2.800 Mitglieder über Freizeit, Tipps und Interessen aus . Die beiden Administratorinnen suchen derzeit Unterstützer, unter anderem einen Juristen, der sie bei Entscheidungen beraten kann. | © Sreenshot

Sigurd Gringel
07.02.2018 | 08.02.2018, 07:01
Wehrt sich gegen Fake News: SPD-Politikerin Aydan Özoguz. - © Tim Brakemeier / dpa
Wehrt sich gegen Fake News: SPD-Politikerin Aydan Özoguz. | © Tim Brakemeier / dpa

Oerlinghausen. Soziale Medien spielen eine große Rolle, Nutzer teilen ihre privaten Erlebnisse mit, greifen darin aber auch gesellschaftliche und politische Themen auf und diskutieren sie. Manchmal kontrovers, manchmal zielen Kommentare auch deutlich unter die Gürtellinie oder verstoßen sogar gegen Gesetze. Politikern werden mitunter erfundene Meldungen zugeschrieben. Wehren können sich Betroffene dagegen kaum, zu schnell verbreiten sich diese Falschmeldungen (Fake News) auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. So wie jetzt auf der Facebookseite „Wir sind Oerlinghausen".

Thema ist die Berichterstattung über die gestiegenen Einbrüche in der Südstadt und in Lipperreihe. In die Diskussion schaltet sich ein User mit dem Kommentar ein: „Darum wird sich nichts ändern, solange wir solche . . . in der Politik haben." Dazu postet er ein Foto der SPD-Bundestagsabgeordneten Aydan Özoguz mit einem Zitat. Der verkürzte Inhalt: Deutsche seien Schuld daran, dass Asylbewerber kriminell werden, weil die Spendenbereitschaft nachgelassen habe.

Keine Reaktion vom Verbreiter der Falschmeldung

Der Post erweckt den Anschein, als sei das Zitat ein Auszug aus einem Interview und die Politikerin habe das tatsächlich so gesagt. Allerdings ist die Fälschung dilettantisch in Bezug auf Inhalt und Rechtschreibung, weshalb auch ein User skeptisch fragte, ob das Zitat authentisch sei. Möglicherweise ist Aydan Özoguz nicht zufällig als Opfer gewählt worden. Die Hamburgerin ist Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, AfD-Politiker Alexander Gauland löste mit einer Aussage über sie im Sommer 2017 Empörung aus.

Fachmann: Thorsten Ising ist Social Media Manager und kennt die Tricks der Fälscher. - © Bernhard Preuss
Fachmann: Thorsten Ising ist Social Media Manager und kennt die Tricks der Fälscher. | © Bernhard Preuss

Die hier verbreitete Falschmeldung kursiert schon seit einigen Wochen in den sozialen Medien, Aydan Özoguz hatte sie bereits gelesen. Die NW-Redaktion hat den Verbreiter der Özoguz-Falschmeldung auf „Wir sind Oerlinghausen" um eine Stellungnahme gebeten, aber keine Reaktion auf die Anfrage erhalten.

Straftat der üblen Nachrede oder Verleumdung

Die Bundestagsabgeordnete antwortet: „Leider kursieren in den sozialen Netzwerken immer wieder mir zugeschriebene gefälschte Zitate. Manche Zitate, arrangiert mit Fotos von mir und Partei-Logo oder Bundesadler, sind so plump gefälscht und strotzen vor Rechtschreibfehlern, dass jedem sofort klar sein müsste, dass es sich um Fake News handelt. Trotzdem scheinen sich einige nicht daran zu stören, wenn sie diese Posts teilen und geradezu mutwillig Lügen weiter verbreiten. Ihnen geht es vermutlich eher darum, mit Lügen und Hetze Stimmung zu machen. Mein Team und ich versuchen, dagegenzuhalten. Und mittlerweile gibt es immer mehr Unterstützer. Aber es bleibt mühsam."

Thorsten Ising aus dem lippischen Schlangen ist Fachmann für Social Media. Er bezeichnet diese Aufbereitung eines Inhaltes mit Text und Bild als „simples Storytelling". Die Kombination bleibe im Kopf. Der Inhalt werde häufig geteilt und schnell konsumiert. Die Nutzer müssen nicht einmal mehr ein Bildbearbeitungsprogramm beherrschen. Es gebe kostenlose Smartphone-Apps, sagt Thorsten Ising, mit denen auch Ungeübte mit Hilfe von Vorlagen innerhalb weniger Minuten derartige Beiträge erstellen können. Allerdings auch Fälschungen.

Strafbare Inhalte

Seiner Einschätzung nach sind lokale oder regionale Politiker von diesen bewussten Falschmeldungen eher nicht betroffen. Im Kreis Lippe ist ihm zumindest kein Fall bekannt. Es gebe sowohl Privatpersonen als auch Organisationen, die bewusst Falschmeldungen schüren. Ob die Menschen, die diese Falschmeldungen verbreiten, den Inhalt selbst glauben oder nur Stimmung machen wollen, sei schwer zu sagen, sagt Thorsten Ising.

Wer Falschmeldungen wie die der Politikerin Aydan Özoguz auf Facebook verbreitet, macht sich möglicherweise sogar der üblen Nachrede oder der Verleumdung strafbar. Seit einem halben Jahr ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, das Opfer von Falschmeldungen stärken soll. Die können gegen – in diesem Fall – Facebook vorgehen und gegebenenfalls gegen auch den Beitragsersteller. Bußgelder sind in Vergleichsfällen bereits ausgesprochen worden.

Die Administratoren der Seite haben den Post inzwischen gelöscht.

INFORMATION


Herr Ising, wie kann der User gefälschte Politiker-Zitate in sozialen Medien entlarven?
Thorsten Ising: Ein Patentrezept gibt es dafür leider nicht. Ich empfehle hier, besonnen nach einer weiteren Quelle zu suchen. Sie kennen das  sogenannte Zwei-Quellen-Prinzip im Journalismus – Nutzer haben durchaus die Möglichkeit das Zitat mal schnell bei Google einzugeben und zu schauen, ob andere – seriöse Medien – dieses Zitat vielleicht auch aufgegriffen haben. Ist das nicht der Fall, würde ich das Zitat zumindest in Frage stellen.

Wie sollte der User damit umgehen? Ignorieren, melden oder gegenreden?
Ising: Das ist ja nichts anderes als eine Falschmeldung. Fake News – und die gehören nicht in die Welt. Gegenreden erwirkt oft das Gegenteil – plötzlich entstehen Diskussionen und der Beitrag bekommt eine Aufmerksamkeit, die er nicht verdient hat. Daher: eher melden als ignorieren oder dagegenreden.

Was raten Sie einem betroffenen Politiker?
Ising: Auf jeden Fall den Fall den Beitrag zu melden und vielleicht auch eine Gegendarstellung zu schreiben (auf der eigenen Seite). Im Zweifelsfall natürlich auch rechtliche Schritte zu erwägen, wenn es unvermeidbar ist.