Einzelhandel Der Wandel im Warburger Drawe-Handel ruht nie

Warburg. Ein Traditionshandel in der Warburger Innenstadt: Die Familie Drawe blickt auf eine lange Firmengeschichte zurück. In fünfter Generation führte Martin Drawe in der Neustadt ein Geschäft, das sich in den mehr als 150 Jahren des Bestehens einige Male verändert und dem Markt angepasst hatte. Von der Goldschmiede über das Autohaus und dem Fachbetrieb für Näh- und Schreibmaschinen bis zur Papeterie. Am Silvestertag drehte Drawe jetzt letztmalig den Ladenschlüssel um. Der Ursprung des Familienunternehmens liegt auf dem Areal des Amtsgerichts. &bdquo;Drei kleine Hütten“, sagt Drawe. Die tauscht sein Ururgroßvater gegen das Grundstück an der Ecke Josef-Wirmer- und Kalandstraße. &bdquo;Von dem Deal profitieren beide“, sagt Drawe, die Justiz und der Gold- und Silberschmied. Die baufällige Stadtwache an der Stelle lässt Heinrich Drawe abreißen. Noch heute steht dort das Wohn- und Geschäftshaus, das er neu errichten lässt. In dem Neubau eröffnet um 1870 sein Juweliergeschäft. Gleichzeitig wird das Amtsgericht hochgezogen. &bdquo;Zwei neue Gebäude in der Neustadt“, weist Drawe auf den Wandel hin. Sohn Wilhelm übernimmt das Haus vom Vater, verkauft es und gründet 1908 an der damaligen Langen Straße ein Geschäft für Waffen, Fahrräder, Nähmaschinen, Wasch- und Wringmaschinen und Geldschränke, dazu eine Reparaturwerkstatt. Ein Sammelsurium an Waren und Dienstleistungen, mag man meinen, in dem Haus, in dem heute an der unteren Hauptstraße eine Optiker-Kette ihre Dienste anbietet. Waffenhandel endet mit einem Bauchschuss An einem der langen Geschäftstage steht ein Bauer aus der Börde erbost vor der Theke, den Karabiner in der Hand, Wutschnaubend schüttelt der Landwirt das vermeintlich kaputte Ding vor der Nase des Händlers wild hin und her. &bdquo;Dann macht es Bumm“, erzählt Drawe. Sein Uropa überlebt den Bauchschuss und verabschiedet sich vom Waffengeschäft. Mit 92 Jahren verstirbt Wilhelm 1962. 1913 hatte er den Bauplatz eines abgebrannten Hauses an der Hauptstraße 54 erworben. Familie Drawe baut erneut. Doch wirbelt ein Jahr später der Erste Weltkrieg die Pläne durcheinander. Wilhelm wird eingezogen, muss an die Front, der Neubau ist noch nicht fertig. Die Türen sind noch nicht drin, die Familie zieht ein. Geschäftsmann Wilhelm überrascht bei den Bauplanungen mit einer neuen Geschäftsidee, mit der bereits 1913 die erste Kraftfahrzeug-Vertretung nebst einer Autowerkstatt in die Hansestadt kommen sollte. Noch heute ist unter dem rechten Schaufenster des Gebäudes im Pflaster ein Abgang zu erkennen. Die Abfahrt führte durch ein großes Holztor ein Geschoss tiefer. &bdquo;Nach unten in gleicher Richtung und Neigung wie die benachbarte Hellepfortengasse“, beschreibt Drawe die Besonderheit. In der dortigen Grube, die heute verfüllt und mit Brettern überdeckt ist, gelangen die Mechaniker an die Böden und Achsen der Autos. Mit stolz geschwellter Brust Martin Drawe erinnert sich an ein Foto im Familienalbum. Es zeigt den damaligen Baron von Brakel aus Welda, der mit stolz geschwellter Brust neben dem urgroßväterlichen Autohändler seinen neuen Opel, den er im Warburger Autohaus mitten in der Stadt und zwischen den Weltkriegen erworben hatte, zeigt. &bdquo;Ein großes Modell mit geschwungenen Kotflügeln“, schildert Drawe. &bdquo;Verkauft wurden Autos der Marke Opel und Motorräder von BMW und NSU“, sagt Drawe. Auf vielen der damaligen Nähmaschinen und Fahrräder hatte der Name Opel gestanden. Nach dem Tod des Firmengründers Adam Opel forcierte dessen Gattin den Automobilbau. &bdquo;Und wir hatten durch das Warenangebot den Kontakt“, erklärt Drawe die neue Geschäftsidee. Außerdem schuf Drawe in dieser Zeit das erste Taxi-Unternehmen und die erste private Fahrschule in Warburg. Umtriebig und rege: Chef Wilhelm beschäftigt bis zu acht Mitarbeiter allein in der Werkstatt, vier weitere sind zuständig für den Verkauf. Auch im Zweiten Weltkrieg ruht der Drawe-Handel nicht. Auch wenn fast alle anderen Warburger Ladenbesitzer ihre Fensterscheiben mit Farbe düster streichen. Die Drawes nicht. Willi versucht weiter Waren zu erhalten, bezahlt die Güter mitunter auch mal mit einem Schinken. Das Geschäft mit der weißen Ware Nach dem zweiten Weltkrieg übergibt Wilhelm Drawe 75-jährig dann die Geschäfte an seinen Sohn Willi. &bdquo;Damals ein Reisender für Miele, als Vertreter für das Unternehmen aus Gütersloh unterwegs“. Herde und Öfen, Waschmaschinen und Haushaltswaren, Näh- und Büromaschinen sind in den Nachkriegsjahren und den späteren Wirtschaftswunderjahren der Begehr der Warburger Kundschaft. Willi Drawe hat sie im Angebot. Der Opa habe geraucht &bdquo;wie ein Schlot“, bemerkt sein Enkel. 1968 verstirbt Willi Drawe und Sohn Peter übernimmt. Mit seiner Frau Elisabeth führt er das Geschäft, passt es erneut an den Markt an. &bdquo;Als Büromaschinen-Mechaniker-Meister legte er weit mehr Aufmerksamkeit auf diese Sparte“, sagt Sohn Martin. Die Waschmaschinen-Sparte wird dagegen aussortiert. Das Geschäft mit der weißen Ware: Den Verkauf und die Pflege übernehmen am Ende der 1970er Jahre mit den Elektrobetrieben in der Stadt andere. Neben den Büromaschinen sei dann der Abverkauf von Büromöbeln hinzugekommen, blättert Drawe ein Stück weiter im Kopf in der Chronik der Familienfirma. &bdquo;Die Nähmaschinen und die Reparaturwerkstatt blieben aber weiterhin die Standbeine des Geschäftes“. Die Wünsche der Kundinnen und Kunden Und wieder sind es die Wünsche der Kundinnen und Kunden, auf die Familie Drawe reagiert: Ab 1987 nehmen die Geschäftsleute verstärkt Bürobedarf ins Sortiment auf. Nach einem größeren Umbau des Ladenlokales an der Hauptstraße, das bis 1991 mit der Parfümerie Kohlschein im linken Teil des Erdgeschosses ein weiteres Geschäft beherbergt hatte, werden Büroartikel zum Hauptpfeiler der Drawes. Büromaschinen und Büromöbel sind aber weiterhin im Angebot zu finden. &bdquo;Aus den Ursprungsjahren blieben ebenfalls die Nähmaschinen im Programm“, hält Drawe fest. Das Geschäft mit dem Papier hatte auf Kundenwunsch mit 500 Blatt aus dem Großhandel begonnen. &bdquo;Dazu hatte meine Mutter ein Päckchen Prospekthüllen eingekauft und die folgende Nacht nicht geschlafen“, lächelt Drawe. Zu sehr drückte die Sorge, die Sachen im Laden überhaupt los zu werden. &bdquo;Sie waren ratzfatz weg“, sagt Drawe. &bdquo;Und das Geschäft muss weitergehen“ In den Geschäftsräumen, die man sich teilte, ging einst auch ein Schuster seinem Handwerk nach. &bdquo;Schumacher Düring fertigte überm Leisten handgemachtes Schuhwerk“, erinnert sich Drawe. &bdquo;Im Haus roch es noch lang nach Lederkleber“, bis der Schuster starb und die Wand zwischen den Läden eingerissen wurde. 1999 gibt Peter Drawe das Geschäft an Sohn Martin weiter. 2003 folgt ein weiterer Umbau. Mit der neuen, erweiterter Ladeneinrichtung legt Martin das Augenmerk stärker auf die Bereiche Schreibkultur, Papeterie und Schenken. Ganz der Familientradition verhaftet, erlernt er in der Werkstatt eines großen Unternehmen in Düsseldorf das Handwerk des Büromaschinen-Mechanikers. Die Rückkehr fällt schwer, zumal der heute 58-Jährige in Erlangen noch ein Informatik-Studium anhängt. Doch die Aussichten auf einen späteren Job sind in diesen Jahren dünn. &bdquo;Und das Geschäft muss weitergehen“, drängen sowohl Kunden, als auch Stadtverantwortliche. Drawe verlegt den Studienort nach Paderborn, bringt sich im Laden ein. Nach und nach überwiegen die Stunden im Geschäft. Standort im ehemaligen Schlecker-Laden 2011 vermietet Martin Drawe den Laden an der Hauptstraße 54 an Optiker Fielmann und eröffnet nach Renovierungs- und Umbauarbeiten den neuen Standort an der Marktstraße 11 im ehemaligen Schlecker-Laden. Jetzt ist Schluss, &bdquo;trotz eines guten Jahres im vergangenen“, wie Drawe sagt. Doch mit der Familientradition wird er nicht so ganz brechen. &bdquo;Die Belieferung von Industrie und Gewerbe mit Bürobedarf in und um Warburg wird weitergeführt“, kündigt er an.

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