Katholische Kirche „Starker Mann des Glaubens“: Warburger denken an Papst Benedikt

Warburg. Vor dem Fernseher sei er schon sehr erschrocken, sagt Monsignore Konrad Schmidt. Bis spät in die Nacht verfolgt der ehemalige Leiter der Landvolkshochschule in Hardehausen in seinem Wohnzimmer im sauerländischen Stockum am Mittwoch die Sendung. &bdquo;Interviews mit Menschen, die den emeritierten Papst als Deutschlands jüngsten Theologie-Professor an der Uni Bonn erlebt hatten“, berichtet der Geistliche. &bdquo;Es wurde in der Vergangenheitsform gesprochen und ich dachte, das ist jetzt der Abgesang.“ Bis ein Uhr schaut er gebannt zu. Erst dann bemerkt Schmidt, dass es sich um eine Doku aus Anlass des 95. Geburtstages von Joseph Ratzinger handelt. &bdquo;Und ich war ein wenig erleichtert. Noch lebt er“, sagt Schmidt, bei dem die Erinnerung an seine Studentenzeit zurückkehrt. Auf den Fotos, die die Nachrichten zeigten, sehe der Papst schlecht aus, bemerkt der 81-Jährige dann. Die Nachricht vom Tod werde jeden Augenblick kommen. Update: Zwei Tage nach diesem Artikels ist der Papst gestorben. In den Semestern 1964 und 1965 habe er das Glück gehabt, den jungen Dogmatik-Professor in Münster zu erleben. Damals galt Ratzinger als jugendlich. So jugendlich, dass sich &bdquo;die Menschen erkundigten, ob denn jetzt auch schon die Priesteramtsseminaristen predigen dürften“, schmunzelt der Theologe. &bdquo;Außerordentlich erstaunlich“, wie schnell er Karriere gemacht habe. Der Professor In den Seminaren mit dem Lehrer ging es lebendig zu. An den Unis eine rebellische Zeit, in die auch das Zweite Vatikanische Konzil fiel. Ein Aufbruch sollte es werden, Ratzinger war als theologischer Berater des Kölner Kardinals Frings in der Konzilsaula in Rom dabei. Dessen Vorträge und Einlassungen habe der junge Theologe zuvor auf Latein verfasst, sagt Schmidt. Im Studium &bdquo;haben wir mit ihm über alles diskutiert.“ Der Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster beeindruckt mit seiner großen Offenheit, wusste Vernunft und Glaube zusammenzubringen. &bdquo;Ratzinger war brillant“, sagt Schmidt. &bdquo;Wir haben ihn in seiner Glanzzeit erlebt.“ Im Hauptseminar über den Kirchenbegriff bei Augustinus sei es faszinierend gewesen, wie Ratzinger jeden reden ließ, lange und einfühlsam zuhörte und später geschickt den Gesprächsfaden nachzeichnete, alle Beiträge dem entsprechenden Studenten zuordnete und auch weniger überzeugende Äußerungen zum Glänzen gebracht habe. &bdquo;Großkotzige ließ er mit wenigen Bemerkungen und Fragen kleinlaut werden, Ängstliche ermutigte er mit freundlicher und großzügiger Zuwendung.“ Ratzinger stellt das Gesagte in größere Zusammenhänge, bewundert Schmidt noch heute die Menschenkenntnis und Klugheit des späteren Oberhirten im Vatikan. In der Politik habe er allerdings nicht immer das beste Händchen gehabt. 1968 in Paderborn zum Priester geweiht, organisiert Schmidt als langjähriger Leiter der Landvolkshochschule immer wieder Fahrten nach Rom. Für eine Begegnung mit der Gruppe aus Hardehausen nimmt sich Kardinal Ratzinger auch als Chef der Glaubenskongregation Zeit. &bdquo;Bis zu zwei Stunden“, erinnert sich Schmidt an die Treffen. Die Vermittlung von Glaubensfragen gegenüber jungen Erwachsenen sei ihm wichtig gewesen &bdquo;und sollten an keiner Stelle zu kurz kommen“. Ratzinger habe &bdquo;in seiner einfühlsamen Art der Formulierung die große Schönheit des Evangeliums behutsam und angemessen zur Sprache gebracht und uns vor Augen geführt“. Seine Predigten, ein ästhetischer Genuss. Der Pop-Star Ingo Hartmann war im August 2005 einer unter der gigantischen Kulisse von 1,1 Millionen jugendlichen Teilnehmern am Weltjugendtag in Köln. 500 Gäste hatten hinter der auf einem Hügel aufgebauten Bühne Platz nehmen dürfen. Darunter als damaliger BDKJ-Vorsitzender im Kreis Höxter auch der Banker aus der Warburger Geschäftsstelle der Vereinigten Volksbank. Hartmann, heute 45, kommt dem neuen Papst besonders nah. &bdquo;Im Vorfeld hatte Benedikts Vorgänger Papst Johannes Paul II. den Weltjugendtag forciert“, erinnert sich Hartmann. &bdquo;Dann kam der Deutsche.“ Die Ankündigung des ersten Besuchs in Deutschland sei für viele Jugendliche ein Anschub gewesen, in Köln dabei zu sein. &bdquo;Im Vergleich zu Johannes Paul war er jung und lebhaft“, denkt Hartmann zurück. Vom Hügel herab schaut er auf das vor ihm liegende riesige Pilgerfeld. &bdquo;Mächtig beeindruckend, ein Adrenalinschub“, hält er gegenüber der NW fest. Zum zehnjährigen Jubiläum sei er nochmals dort gewesen. Der Papst &bdquo;ein starker Glaubensmann“, schildert Hartmann seine Eindrücke. &bdquo;Ein Papst, der dem rechtlichen Teil der Kirche nahestand und sehr auf den Glauben achtete“. Benedikts Nachfolger, Papst Franziskus, fühle sich dagegen der Nächstenliebe und der Caritas verpflichtet. Dass Ratzinger 2013 vom obersten Hirtenamt der katholischen Kirche zurückgetreten sei und seinen Weg frei und selbstbestimmt gewählt habe, &bdquo;fand ich gut“. Der Autor Man sollte den Theologen vom Kirchenfürsten abgrenzen, sagt Dechant Gerhard Pieper. Der Warburger Pfarrer schätzt die Bücher Ratzingers, von denen er einige in den vergangenen Jahren &bdquo;mit Interesse und Wertschätzung“ gelesen habe. Sie zeugten von einem tiefsinnigen Autor, der komplizierte theologische Dinge in einfachen Worten glaubhaft werden lassen könne. Diese Tiefe, Besonnenheit und Freundlichkeit habe er in Ratzingers römischen Ämtern ein wenig vermisst. Der päpstliche Emeritus sei als Autor ein barmherziger Lehrer mit &bdquo;echt schönen Gedanken, die er gekonnt formulierte“ gewesen. Seine drei Jesus-Bücher seien besonders im ökumenischen Kontext &bdquo;mit Wonne gelesen und wertgeschätzt“ worden. &bdquo;Weil er im Gegensatz zu vielen theologischen Werken, die im Elfenbeinturm entstanden, Wissenschaft und den eigenen Glauben in Verbindung bringt.“ Lesen Sie auch: Papst Benedikt und das Missbrauchsgutachten Dass Papst Franziskus auf eine sehr menschliche Art und Weise um das Gebet für seinen Mitbruder gebeten habe, rühre ihn an, sagt der Geistliche. Menschlich rühre ihn aber auch das lange Leiden von Papst Johannes Paul II. an. &bdquo;Wenn ein Mensch alt wird und sein Kranksein als Zeugnis seines Glaubens den Menschen hinhält.“ Die Krankheit nicht privatisiere und ins Geheime ziehe. In Gedanken sei er dem sterbenden Papst verbunden. &bdquo;Möchte aber dazulegen, dass ich ihm nicht weniger oder mehr verbunden bin, als allen anderen Menschen, von denen ich weiß, dass sie in einer vergleichbaren Situation sind. Denn vor Gott sind alle Menschen gleich.“ Lesen Sie auch: Als Joseph Ratzinger Paderborn besuchte Bei allem öffentlichen und medialen Interesse am Sterbeweg Benedikts erinnert der Seelsorger an die Vielen, die nicht ins Blickfeld geraten. Ob Zuhause, in Altenheimen oder dem Krieg in der Ukraine.

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