Steinheim Wie zwei Mühlen vielen Steinheimern das Leben retteten

Steinheim. Inzwischen stillgelegt, dienten sie früher sogar dem Überleben: die Steinheimer Mühlen. Mögen sich die einen jetzt fragen, wo genau sich überhaupt in der Emmerstadt einst große Wasserräder gedreht haben, so kennen andere noch detailreich nahezu die ganzen Geschichten der Mühlen. Und diese Geschichten sind durchaus wechselvoll: Nach 1945 gelang es nur durch die beiden Mühlräder, die Steinheimer Bürger mit Brot zu versorgen. Doch sie wurden auch baufällig, bedurften großer Reparaturen. Eine fing zudem Feuer und war bereits zuvor zum Schauplatz eines Unglücks geworden. Die Institution der &bdquo;Tafel“, so wie man sie heute kennt, gab es in Steinheim in ähnlicher Form wohl schon vor etwa 200 Jahren. Denn Chronistin Heike Sternberg-El Hotabi hat im städtischen Archiv eine umfangreiche Akte aus dem Jahre 1831 entdeckt, in der die Versorgung der ärmeren Einwohner durch die Stadt mit Brotkorn durchaus anschaulich dokumentiert worden ist. &bdquo;Seitenweise sind hier listenartig die Empfängernamen und der geringe Obolus verzeichnet, den die Armen für Roggen und Gerste entrichten mussten“, so die ehrenamtliche Archivarin der Emmerstadt. Die Stadt hielt nämlich für Jahre der Missernten, die jeweils mit immensen Getreideteuerungen für die Bevölkerung einhergingen, aufgeschüttetes Korn vor. &bdquo;So berichtet etwa die Steinheimer Chronik im Jahr 1847 nach schlechter Ernte von der großen Not unter den weniger begüterten Steinheimern“, so Sternberg-El Hotabi. Die Stadt habe sich deshalb gezwungen gesehen, sowohl Brot als auch Bargeld zur Verfügung zu stellen. Auch eine Haussammlung erbrachte Geld: 394 Reichstaler. Drei Monate lang wurden Speisen zu den Ärmsten gebracht. &bdquo;Im Januar wurden damals 742 Portionen Essen, 438 Brote und zwei Reichstaler und zehn Silbergroschen Geld verteilt. Im Februar und März waren es bereits 8.555 Portionen Essen, 4.080 Brote und 25 Reichstaler“, weiß Sternberg-El Hotabi. Steinheim zählte zu dieser Zeit rund 2.300 Einwohner. Es war genau festgelegt, in welcher Mühle wer zu mahlen hatte Das Getreide wurde damals zum Mahlen in die Amtsmühlen gebracht. Diese Mühlen sicherten den Landesherren – für Steinheim war dies der Fürstbischof von Paderborn – das alleinige Recht zum Bau und zum Betreiben einer Mühle zu. Es galten strenge Regeln: &bdquo;Bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestand ein Mahlzwang: Jede Mühle besaß demnach einen festen Kundenstamm, denn die Bauern der anliegenden Gemeinden waren gezwungen, ihr Getreide ausschließlich dort mahlen zu lassen. Die Mühlenbenutzer konnten den Multer, den Mahllohn, dem Müller in bar oder in Naturalien zahlen“, schildert Sternberg-El Hotabi das einträgliche Geschäft der Mühlenpächter. Die Archivarin erzählt auch: &bdquo;Steinheim selbst hatte von Alters her zwei Mühlen, die von künstlich angelegten Wassergräben und vom Heubach angetrieben wurden: Die sogenannte Buitermühle (Mühle Ottomeyer), die sich außerhalb befand, und die Binnermühle (Lückings-Mühle), die sich innerhalb des alten Stadtkerns drehte“. Wann die beiden Mühlen erbaut wurden, ist unklar. Aber beide sind namentlich bereits in Dokumenten des 16. Jahrhunderts belegt. Eine Urkunde aus dem Jahr 1584 etwa erwähnt Rechtsstreitigkeiten, die sich auf die zwangsweise Benutzung einer Mühle beziehen: &bdquo;Acht Steinheimer und sechs Bergheimer beschweren sich darüber, dass die Beamten zu Steinheim diesen verboten hatten, ihr Korn in die Mühle zu Eichholz zu bringen, da sie per Gesetz verpflichtet seien, die Mühlen in Steinheim zu benutzen. Die Beschuldigten verwiesen aber darauf, dass die Binnermühle in Steinheim längere Zeit &bdquo;bauloß und ungangbar“ gewesen und man deshalb nach Eichholz ausgewichen sei“, erzählt Sternberg-El Hotabi. Wie Adolph Hörling in der Binnermühle starb &bdquo;Am 30. Dezember des Jahres 1860 brach in der sogenannten Binnermühle hieselbst Feuer aus, wodurch das Gebäude fast gänzlich zerstört wurde. Die thätige Hilfe der hiesigen Einwohner und die herrschende Windstille trugen zur Dämpfung des Feuers bei und verhüteten ferneres Unglück“, berichtet die Steinheimer Chronik. Die Ursache des Feuers konnte nie ermittelt werden. Und Sternberg-El Hotabi weiß, &bdquo;dass sich schon 1813 ein schreckliches Unglück in der Mühle ereignete“. Die Chronik berichtet: &bdquo;Der Schuhmacher Gesell Adolph Hörling, 18 Jahre alt, Sohn des Schuhmachers Heinrich Hörling, wurde in der Binnermühle beim Kornmahlen, wie er die Unvorsichtigkeit beging und an das Getriebe faßte, von denselben ergriffen und zerquetscht, fand man ihn todt in der sogenannten Kammkuhle“. Die Steinheimer Mühlen mussten immer wieder instandgesetzt werden, wie Sternberg-El Hotabi in ihrer Archivale berichtet. Zu finden ist diese auf der Homepage der Stadt Steinheim, unter www.steinheim.de. Zu lesen ist dort auch, dass die Buitermühle 1878 durch das Verschulden des Besitzers Heinrich Brand zur Zwangsversteigerung vorgesehen war: Der aus dem Lippischen stammende Friedrich Ottomeyer kaufte die Mühle und machte aus ihr eine sogenannte Kunstmühle. Heißt: Eine Mühle, die einen für die damalige Zeit besonders hohen technischen Standard aufwies. Die Steinheimer Binnermühle wurde erst 1971 stillgelegt &bdquo;Zudem ließ er eine Fabrik zur Anfertigung landwirtschaftlicher Geräte bauen. Der Mahlbetrieb wurde erst 1965 eingestellt“, so Sternberg-El Hotabi. Heute sind die Überreste der Buitermühle in einen Bürokomplex an der Detmolder Straße verbaut. Das Gebäude der Binnermühle, an der Wallstraße, wurde erst 1971 stillgelegt. Drehen sich die Steinheimer Mühlräder derzeit auch nicht mehr, so macht die Chronistin dennoch auf eines aufmerksam: &bdquo;Nur Dank der nach dem Zweiten Weltkrieg noch intakten Steinheimer Mühlen gelang es 1945 mit Monaten ohne Strom und Benzin die Brotversorgung der Steinheimer Bürger zu sichern, da dort das Getreide nach althergebrachter Weise mit Wasserkraft noch gemahlen werden konnte“.

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