Steinheim Steinheimer Messerstecher vor Gericht: Eine ganz andere Sicht der Dinge

Steinheim. Gleich mehrere Kameras sind auf dem Gelände des Steinheimer Schulzentrums angebracht. Sie sind gut zu sehen. Vor ihnen erhofft man sich, dass so Sachbeschädigungen, Verschmutzungen, Einbruchversuche und vielleicht auch Gewalttaten verhindert werden. Eine trügerische Sicherheit. Denn Stefan T. (alle Namen geändert) hat ihr Vorhandensein letztlich nicht schützen können. Vor den laufenden Kameras geriet der 21-Jährige Denis P. am Abend des 15. Januar zusammen mit einigen Kumpels so richtig in Stimmung. Sie leerten dort zwei, drei Flaschen Gin, führten laute, aggressive Gespräche. Denis P. pöbelte zusammen mit seinen Kumpanen Leute an, die die Örtlichkeiten passierten. Am Ende stach der Steinheimer in einer Nebenstraße auf Stefan T. ein, dem er bis dahin niemals zuvor begegnet war. Der 30-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt. Ein halbes Jahr später muss sich Denis P., wie berichtet, vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Staatsanwalt Kai Uwe Waschkies wirft ihm versuchten Totschlag vor. Obschon der 21-Jährige bereits am ersten Verhandlungstag gestanden hat, den gefährlichen Messerstich gesetzt zu haben, ist die Beweisaufnahme vor der 5. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Nicole Klein nicht einfach. Denn der 20-Jährige beteuert, dass er Stefan T. nur habe verletzen wollen, will aber nicht mehr zu dem Abend sagen. Und so müssen die Richter die Geschehnisse mit Hilfe von Zeugen Revue passieren lassen. Kein einfaches Unterfangen, denn die Freunde des Angeklagten haben ihre ganz eigene Sicht der Geschehnisse. So schildert ein 23-Jähriger Stefan T. und seinen Freund Kurt V. letztlich als zwei Aggressoren, von denen einer bei einem ersten Treffen auf dem Schulhof sofort zugeschlagen habe und bei einer zweiten Visite auf dem Schulhof unter Vorhalt einer Softair-Pistole die Portemonnaies der jungen Männer gefordert hätte. Der jung Mann tut seine Erinnerungen mit vielen Widersprüchen kund, die selbst Verteidiger Holger Rostek verärgern. Dieser hat zuvor in Aussicht gestellt, dass ein sogenannter Täter-Opfer-Ausgleich erfolgen soll, es stehe ein bestimmter Geldbetrag im Raum, kündigt er ein finanzielles Trostpflaster an. "Ich weiß, dass das ein Fehler war" Worte, die Stefan T. nicht hört. Er ist an diesem Verhandlungstag nicht im Gerichtssaal, ebenso wenig seine Eltern. Sie haben schon eine Woche zuvor die Ereignisse der Januarnacht geschildert und sichtlich bewegt erzählt, wie ihnen bei ihrem späten Hundespaziergang der schwer verletzte Sohn taumelnd entgegenkam und sie ihm draußen vor ihrem Zuhause erste Hilfe leisteten. &bdquo;Wir hatten Angst, dass er unter unseren Händen stirbt“, so die Mutter des 30-Jährigen. Auch Kurt V. fürchtete um das Leben seines Freundes, als er diesen in der Nacht auf einer Bank am Straßenrand, umsorgt von seinen Eltern, wiederfand. Aber er habe sich sofort selbst Vorwürfe gemacht, so der 29-Jährige. Er wünsche sich, dass er damals vor einem halben Jahr die Softair-Pistole nicht mitgenommen hätte. &bdquo;Ich weiß, dass das ein Fehler war“, sagt er mit Blick auf das Geschehen, das seinem guten Freund fast das Leben gekostet hätte. Auch er selbst wurde beträchtlich verletzt, denn er wurde mächtig geschlagen. Selbst als er bereits zu Boden gegangen war, trat ihm jemand mehrfach mit dem Fuß gegen den Kopf, sodass er ohnmächtig wurde. Kurt V. vermutet, dass diese Tritte gleichfalls Denis P. zuzuordnen sind. Er habe den 20-Jährigen vor allem an der Stimme erkannt. Schwere Kopfverletzungen blieben dem 29-Jährigen erspart. Dass in dieser Nacht eine Schulterfraktur davongetragen hatte, stellte sich erst zwei Wochen später heraus, als Kurt V. erneut einen Arzt aufsuchte, weil er weiterhin unter starken Schmerzen litt. Diese Verletzung war in dem Krankenhaus, in das ihn die Rettungskräfte im Verlauf der Tatnacht gebracht hatten, übersehen worden. &bdquo;Es ist traurig, dass so etwas passiert“, fasst der Vater von Stefan T. am Ende seiner Zeugenvernehmung zusammen. Für ihn, seine Frau, aber auch für den Sohn und dessen Kumpel kam die Attacke völlig unvermittelt. Auf dem Schulhof hatten sich die beiden Freunde nur ein zweites Mal eingefunden, weil Kurt V. dort sein Portemonnaie verloren hatte. Außer seinem Ausweis und diverser Karten seien nur 40 Euro darin gewesen, &bdquo;und dafür so ein Aufriss“, sagt der 29-Jährige. Die Verhandlung wird am Dienstag, 26. Juli, fortgesetzt. Dann sollen die Aufnahmen der Kameras in Augenschein genommen werden.

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