Nieheim Pleiten, Pech und Pannen: Wirbel um Nieheims Vorzeigeprojekt

Nieheim. Große Unruhe zog zu Beginn des Jahres über Nieheims Stadtkern auf und mündete in langen Debatten – doch zum Ende des Jahres liegt das Areal des Richterplatzes nun eingehüllt in einem fast friedvollen weißen Winterwetter. Heftige Diskussionen gab es um die Gestaltung – bis hin zur Beschwerde bei der Kommunalaufsicht. Jüngst explodierende Baukosten, nicht lieferbare Pflastersteine und dazu noch eine Mauer, die zu hoch gezogen wird – kaum eine Baumaßnahme rund um Nieheim erregte in diesem Jahr so sehr die Gemüter wie die Umgestaltung des Richterplatzes. Einmalige Chance genutzt Dabei hatte die Ackerbürgerstadt nach dem aufwendigen Umbau des Richterhauses und dem brandbedingten Abriss des Westfälischen Hofes die einmalige Chance ergriffen, aus einem Parkplatz die neue Mitte der Stadt zu gestalten. Er soll wieder ein offener Platz für Handel und Markt und Begegnung werden, flexibel in der Nutzung mit hoher Aufenthaltsqualität. Eine großangelegte Treppe und ein bodenbündiges Wasserspiel runden den Komplex ab. Und stellt man das Wasserspiel ab, erhält man eine Potenzialfläche, um dort Marktbuden aufstellen zu können – zum Beispiel für den Käsemarkt, die Holztage und Feierabendmärkte. Nach mancher Aufregung in diesem Jahr ist das schließlich doch gut gelungen: &bdquo;Der Richterplatz ist jetzt weitgehend fertig. Eine Teilabnahme ist bereits erfolgt“, so Nieheims Bauamtsleiter Florian Greger. Auch er ist am Ende weitgehend zufrieden – nach den Diskussionen im Frühjahr und den kleinen archäologischen Funden hatte es einige Verzögerungen beim Baustart gegeben, der schließlich erst im Juni erfolgte. Dann aber wurde umso schneller gearbeitet. Nur kleinere Restarbeiten seien noch nötig. &bdquo;Was noch fehlt, ist die Fertigstellung der Mauer, die das Areal der Tagespflege im Richterhaus abgrenzt. Hier hat der einsetzende Frost den Bauarbeitern einen Strich durch die Rechnung gemacht“, so Greger. Im Frühjahr soll hier die Verblendung angebracht werden. Erst dann kann das Geländer montiert werden. Kosten Und die Kosten? &bdquo;Noch haben wir keinen Strich drunter gezogen“, sagt Greger. Aber viele Rechnungen sind bei der Stadt bereits angekommen und geben zumindest eine Tendenz. &bdquo;Wir werden uns in dem Rahmen bewegen, den der Rat nach der Überarbeitung vorgegeben hat.“ Es waren vornehmlich die stark steigenden Baukosten, weshalb die Verwaltung die längst beschlossene Umgestaltung Anfang des Jahres noch einmal neu diskutieren ließ. Es musste abgespeckt werden. Bei den ersten Planungen 2019 hatte die Stadt mit rund 800.000 Euro Gesamtkosten kalkuliert – davon 581.000 Euro als Förderung aus dem Städtebauförderprogramm des Landes. Doch schon vor der Umsetzung wurde deutlich, dass die Preise derzeit aus dem Ruder laufen. Teurer wurde vor allem das Pflaster, zumal Nieheim nicht das ursprünglich geplante Material bekommen hat, weil dafür die Nachfrage – vor allem aus Höxter – zu groß war. Um das zu kompensieren, wird unter anderem im nordwestlichen Teil eine Privatfläche aus den Umbauplänen herausgenommen – etwa 250 Quadratmeter, die eine Einheit mit dem restlichen Platz bilden sollten. Sie könnte nachträglich noch angepasst werden. Trotz der Streichungen kalkulierte die Verwaltung im Sommer dann mit rund 1,15 Millionen Euro Baukosten.Poltern gegen die Pläne Die Diskussion um die Gestaltung rief auch Stadtheimatpfleger Ulrich Pieper auf den Plan. Das angedachte Wasserspiel sowie die Grünanlagen und die Beleuchtung seien Steuerverschwendungen, poltere er im Ortsausschuss Nieheim. Zudem bezweifelte er, dass das Gesamtkonzept der geplanten Platzumgestaltung rechtens sei. Vom Ausschuss und der Stadt gab es viel Widerspruch, doch im Rat legte Pieper, kaum gemäßigter im Ton, noch einmal kräftig nach. &bdquo;Ein Springbrunnen, der vielleicht vier Monate springt, mit einer Bausumme von 100.000 Euro und laufenden Kosten von jährlich 5.000 Euro – hier müssten die Dörfer auf die Barrikaden gehen – sind den Bürgern nicht zuzumuten. Der neue Brunnen in der Langen Straße konnte wegen fehlender Haushaltsmittel längere Zeit nicht mit Wasser gefüllt werden, und der Zappen (Wasserentnahmestelle), keine 100 Meter vom Richterhaus entfernt, läuft seit Jahren nicht mehr. In der Wasserstraße wurde der Bachlauf wegen der Kosten – ohne den Ortsausschuss – einfach entfernt“, erklärte er beispielsweise öffentlich.Die Planungen, so seine Sichtweise, verstießen gegen die Gestaltungs- und Erhaltungssatzung, die sich der Stadtrat 2013 selbst auferlegt hatte, um bei Erneuerungen den historisch bedeutenden Stadtkern zu erhalten. Deshalb hatte der Stadtheimatpfleger Beschwerde bei der Kommunalaufsicht – dem Kreis Höxter – eingereicht. Damit wollte er erreichen, dass die Planungen &bdquo;neu aufgerollt“ werden. Zugleich drohte er mit dem Austritt aus der CDU, der er mehr als 60 Jahre angehörte, weil die Partei seiner Linie nicht folgte. Zudem wollte er als Stadtheimatpfleger zurücktreten. Wäre die Kommunalaufsicht zu dem Schluss gekommen, dass die Planungen für den neuen Richterplatz gegen die Satzung verstoßen, hätten der Stadt nach Kreis-Angaben bis zu 50.000 Euro Bußgeld gedroht. Allerdings teilte die Kommunalaufsicht Piepers Einspruch nicht und lehnte ihn mit der Begründung ab, dass die Gestaltungssatzung hier nicht zum Tragen komme.Scharfer Widerspruch kam auch von der Verwaltung und der Politik. Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Menne warf Pieper Rufschädigung gegenüber dem Stadtplaner und dem Planungsbüro vor. Übrigens: Pieper trat anschließend tatsächlich aus der CDU aus, blieb aber doch Stadtheimatpfleger.Zu hoch Und dann gab es da noch einen Architekten, der wohl zu hoch hinaus wollte: Zumindest war die Mauer zwischen Tagespflege und Richterplatz mit mehr als 1,20 Metern deutlich zu hoch angelegt. So hoch, dass den Senioren der Tagespflege statt eines Blicks auf den Richterplatz nur noch die Sicht auf die Mauer geblieben wäre. Die Bauarbeiter berichteten, dass auch sie die Maße des Bauwerks komisch fanden – mauerten aber zunächst fröhlich drauf los. Nach den ersten rund 15 Metern stoppte die Stadt den Bau – früh genug für eine Rettung: Die Mauer wurde aufgeschnitten und bis auf wenige Zentimeter wieder abgebaut. Nur kleine Reste blieben stehen, die nun als Pfeiler für Zaun-Elemente dienen sollen. Zu Mehrkosten kam es dadurch aber nicht, weil die Mauer wesentlich kleiner und die Verkleidung entsprechend weniger kostenintensiv ist.

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