Mordfall Tino Werner: Widersprüchliche Aussagen werfen neues Licht auf Ermittlungsarbeit

Bad Driburg/Paderborn. Es war um 14.10 Uhr, als er den Einsatzbefehl bekam: Der 73-jährige Polizeihauptkommissar wird zur Wohnung Tino Werners geschickt, um nachzuschauen, was dort los ist. Heute vor 21 Jahren und 11 Monaten war es für ihn noch ein einfacher Vermisstenfall: Dass der 29-jährige Werner zu dem Zeitpunkt schon tot gewesen sein dürfte, wird erst später bekannt. Beim zweiten Verhandlungstag im Mordprozess gegen den Beschuldigten Michael L. (Name geändert) geht es um seine erste Aussage gegenüber der Polizei - und um die Widersprüche, die bei weiteren Zeugenaussagen immer offener zutage traten. Eine Frage rückte dabei vorm Paderborner Landgericht immer mehr ins Zentrum: Warum waren die Ermittler den Widersprüchen damals nicht intensiver nachgegangen? Er erinnere sich &bdquo;in groben Zügen“ an den Tag, sagt der Polizist. Wie jeder der sechs als Zeugen geladenen Polizeibeamten hatte er vor wenigen Tagen Einsicht in den Teil der Ermittlungsakten genommen, der ihn betrifft - zur Auffrischung der Erinnerung. Wie berichtet, hat die Ermittlungsgruppe &bdquo;Cold Case“ der Bielefelder Polizei im Mai dieses Jahres einen Erfolg vermeldet. Sie hatte sich den Fall noch einmal vorgenommen und mithilfe neuester Kriminaltechnik einen Tatverdächtigen identifiziert. Eine der gesicherten DNA-Spuren kann Michael L. (Name geändert) zugeordnet werden. Er wohnte vor 22 Jahren im selben Haus wie Tino Werner. Lesen Sie auch: Mordfall Tino Werner aus Bad Driburg: Ist Hass auf Homosexuelle der Grund? Der Angeklagte äußert sich an diesem Prozesstag überhaupt nicht Trotz mehrmaligen Schellens habe in der Wohnung des Vermissten niemand geöffnet, erinnert sich der Polizist. Er drückte auf weitere Klingelknöpfe am Haus. Zunächst passierte nichts. &bdquo;Irgendwann kam dann ein Mann an die Tür und gab sich als Vermieter aus“, blickt der Zeuge zurück. An diesem Verhandlungstag äußert sich der Angeklagte überhaupt nicht, seine Miene bleibt meist ausdruckslos. Der Blick ruhig und nachdenklich. Heute reden nur seine Anwälte und stellen den Zeugen kritische Fragen. Der Mann, der dem Polizeibeamten schließlich öffnete, so legen es die Akten nahe, muss der Angeklagte gewesen sein. Allerdings war der Polizist davon ausgegangen, dass der den Namen seiner Lebensgefährtin trägt - der tatsächlichen Vermieterin. Erst später stellte sich heraus, wie seiner lautet. &bdquo;Er sagte mir, Tino Werner sei am Vorabend verreist“, erklärt der Zeuge. Dabei sei die Rede davon gewesen, dass Werner einen Koffer oder einen Trolley benutzt habe. Und auch die Homosexualität des Vermissten habe der Mann angesprochen - ohne danach gefragt worden zu sein. Passend dazu: &bdquo;Das wird nicht einfach“: Familie von Mordopfer aus dem Kreis Höxter will bei Gericht dabei sein Für den Polizeibeamten war die Aussage des Angeklagten nachvollziehbar Da aber die Dienststelle den Namen des Vermieters bestätigt habe und die Geschichte von der Reise nachvollziehbar gewesen sei, schöpfte der Beamte keinen Verdacht. &bdquo;Das war alles schlüssig vorgetragen, es gab für mich keinen Anlass, Argwohn zu hegen“, sagt der Polizist im Zeugenstand. Diese Bilanz fällt Jahre später anders aus. .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-Uo26jsoknzRRZ0Mr-map-0509-bad-driburg-cold-case { padding-top: 142.86%; } } Viele Befragungen als Zeuge hat L. seitdem hinter sich gebracht. Und dabei haben sich offenbar Widersprüche angesammelt. In einem der ersten Verhöre durch Beamte der Mordkommission betont er, weder eine Tasche noch einen Koffer gesehen zu haben. Diesem Widerspruch war zunächst aber nicht intensiv nachgegangen worden - L. wurde als Zeuge geführt, nicht als Tatverdächtiger. Auch lesenswert: Termin für Prozessauftakt steht: Anklage wegen Mordes im Höxteraner Cold-Case Tino Werner Der Angeklagte soll bei Vernehmung ausweichend geantwortet haben Im Juni 2005 war es womöglich kurz davor, dass sich das ändert: Ein letztes Mal sollen alle Zeugen verhört werden, bevor der Fall vorerst zu den Akten kommt. Der Polizeioberkommissar, der L. damals dem mehrere Stunden andauernden Verhör beiwohnt, berichtet, L. habe entweder ausweichend oder abwehrend auf die Fragen reagiert. &bdquo;Das reichte von Sätzen wie ’Ich weiß es nicht’ über ’ich kann es nicht sagen’ bis zu Vorwürfen, andere Aussagen seien gelogen“, sagt der Beamte. 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Höxter Besonders die wirtschaftlich prekäre Situation des Zeugen sei zur Sprache gebracht worden. Der Beamte spricht davon, dass er das Gefühl gehabt habe, ein &bdquo;Umkippen“ im Verhalten des Zeugen zu bemerken: Unter anderem habe dieser eingeräumt, Frauen &bdquo;stets auf der Tasche“ gelegen zu haben. Der Leiter des Verhörs brachte die Sprache auf die widersprüchliche Aussage zum Koffer oder zur Tasche. Im allerersten Verhör hatte er noch erwähnt, Werner damit gesehen zu haben, warum dementierte er das später ausdrücklich? Laut Protokoll und Zeugenaussage des Beamten, der das Verhör leitete, hatte er ihm gerade diese Frage gestellt, als das Gespräch von einer Pause unterbrochen wurde. Ebenfalls lesenswert: Durchbruch im Mordfall Tino Werner aus Bad Driburg: Verhaftung mehr als 20 Jahre nach der Tat Ein Zeuge hätte die Vernehmung am nächsten Tag fortgesetzt Der vorsitzende Richter Eric Schülke wollte vom Zeugen wissen, warum das Thema nach der Pause nicht wieder aufgegriffen worden war. &bdquo;Ich weiß es nicht“, gab der Beamte zu Protokoll. Sein Kollege, der dem Verhör damals beiwohnte, betonte, dass das Verhör eigentlich am nächsten Tag hätte fortgesetzt werden sollen. Das ist nicht passiert. Er stellte am Ende der Verhandlung klar: Wenn er ihn damals hätte weiter vernehmen können, dann mit dem Status des Beschuldigten. Die Verhandlung wird am nächsten Mittwoch, 19. November, mit der Aussage weiterer Zeugen fortgesetzt. Passend dazu: Familie des Bad Driburger Mordopfers Tino Werner: &bdquo;Auf dem guten Weg der Gerechtigkeit“

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