Rückblick Corona-Tagebuch: Leichte Schritte in Richtung Normalität

Kreis Höxter. Vor drei Jahren werden im Kreis Höxter die ersten Infektionen mit dem Coronavirus Sars-Cov-2 bekannt. In den folgenden Wochen und Monaten sollte sich der Alltag für viele von uns vollkommen verändern. Die Lokalredaktion Höxter der "Neuen Westfälischen" blickt im Corona-Tagebuch zurück. In den kommenden Wochen werden wir an dieser Stelle immer wieder Erinnerungen an den Beginn der Pandemie veröffentlichen. 5. Juni: Der zaghafte Weg zurück Von Nicole Fischer Während derzeit in den Orten des Kreises das Leben tobt, als wäre nie etwas gewesen, kehrte das Leben vor drei Jahren erst langsam wieder zurück – und das mit zahlreichen Einschränkungen. In den Kirchen darf nur mit Maske gesungen werden und man muss sich beim Besuch registrieren, in den Krankenhäusern muss man gar am Vortag anrufen und seinen Besuch ankündigen und auch der Kino-Besuch wird anders. Zwar dürfen die Lichtspielhäuser im Kreis Höxter endlich wieder öffnen, aber auch dort nur mit Maske und jede zweite Reihe leer. Aber dennoch, es finden wieder Veranstaltungen statt: Kleine Konzerte, Freibäder öffnen. Doch es gibt auch weiterhin Absagen, weil Abstände oder Regeln nicht eingehalten werden können. Die Pandemie ist noch nicht vorbei, der Versuch mit ihr zu Leben startet zaghaft. Auch für die Kinder. Anfang Juni 2020 startet die Rückkehr in den Kindergarten, aber auch hier mit einer verkürzten Stundenzahl. Aktionen, Ausflüge oder gar die traditionelle Übernachtung im Kindergarten zum Abschluss – davon ist allerdings noch lange keine Rede. Denn immer bleibt die Vorsicht und der Rat: Bei Verdacht zu Hause bleiben, um den Betrieb so lange wie möglich aufrecht zu halten. Zum 5. Juni vermeldet der Kreis 19 aktive Infektionen. 358 Menschen waren zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Coronavirus infiziert – 322 hatten sie schon überstanden. 17 Menschen aus dem Kreis waren damals schon im Zusammenhang mit dem Virus verstorben. 20. Mai: 2020 waren wir alle sehr oft zu Hause. Ein Problem für Berufsverbrecher Von Svenja Ludwig Verrückte Zeit, damals vor drei Jahren, mitten in der Corona-Pandemie. Wir alle mussten uns umgewöhnen. Verlagerten Kultur ins Digitale, die Freizeit in die Einsamkeit, wir lernten und arbeiteten größtenteils von zu Hause. Doch nicht in jeder Branche war es möglich, ins Home-Office zu wechseln. Das gilt auch für den recht unkonventionellen Zweig der Berufsverbrecher. Einbrecherbanden hatten plötzlich ganz schlechte Karten, weil die potenziellen Objekte, in die sie normalerweise einsteigen würden, von morgens bis abends durch heimarbeitende Bürokräfte oder distanzbelehrte Jugendliche und junge Erwachsene bewacht wurden. Doch nach einigen Wochen in der Pandemie hatten sich die Kriminellen offenbar den neuen Gegebenheiten angepasst. &bdquo;Einbrecher suchen sich neue Objekte", titelte die &bdquo;NW" vor drei Jahren. Statt verkehrsgünstig gelegener Eigenheime standen plötzlich andere Objekte ganz oben auf der Liste der Begierde. Imbisse und Restaurants, Vereinsheime oder Baucontainer. Gewerbe statt Gemütlichkeit. Und da legten die Einbrecher und Diebe ordentlich los. Denn nachdem die Einbruchszahlen im Kreis Höxter zu Beginn 2020 extrem zurückgegangen waren (&bdquo;Nur insgesamt fünf Einbrüche – im Vergleichszeitraum 2019 waren es noch 43. Ein Minus von 88,4 Prozent"), stiegen sie wie die Temperaturen im Frühjahr rapide an. Insgesamt registrierte die Polizei kreisweit bis zum Stichtag 13. Mai 158 Einbrüche. Im Vorjahr waren es 180 gewesen. Die Kriminellen waren also fleißig und holten auf. Richtig losgelegt hätten auch die Breitensportler im Kreis Höxter gerne. Sie hätten auch gedurft. Das Land erlaubte Vereinssport im Freien und selbst in Kursräumen wieder. Allerdings nur unter gewissen Voraussetzungen. Kein Kontakt, keine Hilfestellung, keine Umkleiden, anderthalb Meter Abstand, alles musste ständig desinfiziert werden. &bdquo;Eine schwierige Situation", nannte es Thorsten Schiller, Geschäftsführer des Kreissportbundes, damals. In der Woche ab dem 9. Mai 2020 lag Kreativität hoch im Trend Von Yannick Sonntag Es war eine Kirchen-Veranstaltung der besonderen Art: Als Erzbischof Hans-Josef Becker am 10. Mai 2020 im Wallfahrtsort Werl die Marienweihe des Erzbistums Paderborn an die Gottesmutter Maria erneuerte, waren trotz Corona-Pandemie 100 Gäste unter strengen Hygiene-Auflagen in der Kirche dabei. Alle anderen Gläubigen und anderweitig Interessierten mussten aber keine Panik haben, etwas zu verpassen. Auf der Website und über die Social-Media-Kanäle des Erzbistums Paderborn war die Marienweihe auch per Live-Stream im Internet zu verfolgen. Für viele Gläubige endete damit in Zeiten sozialer Isolation eine spirituelle Durststrecke. Kirche kann also auch digital, zumindest wenns sein muss. Und was die Kirche kann, davon lässt sich das Theater nicht einschüchtern. Das Theaterstück &bdquo;Freundschaft" von Künstlerin Gilla Cremer sollte zu dieser Zeit den Schlusspunkt der Abo-Saison 2019/20 der Kulturgemeinschaft Beverungen setzen. Aufgrund der Pandemie waren die Veranstalter jedoch gezwungen, die Aufführung um zunächst viele Monate nach hinten zu verschieben. Während die bereits erworbenen Karten den Käufern natürlich erhalten blieben, sorgte Künstlerin Gilla Cremer kurzerhand für strahlende Gesichter bei den zunächst ernüchterten Fans: Als kleiner Trost und zur Überbrückung der langen Wartezeit schenkte Cremer allen Interessierten einen virtuellen Theaterabend. Dafür hatte sie eigens das komplette Theaterstück &bdquo;Die Dinge meiner Eltern" in den Hamburger Kammerspielen ohne Publikum und mit Gema-freier Musik neu aufgenommen und im Internet ausgestrahlt. Während auch in dieser Woche Menschen im Kreis Höxter Angst vor Corona und vor den mit dem Virus verbundenen gesellschaftlichen Auswirkungen hatten, kann eine Pandemie also auch die Kreativität anregen – und neue Wege aufzeigen. 5. Mai: Mit Kreativität für ein bisschen Normalität Von Simone Flörke Es ist der Versuch, mit Kreativität und Ideen ein bisschen Normalität für die Menschen nach sieben, acht Wochen der Absagen und Schließungen zu schaffen: Der Kreis schafft Anfang Mai mit seinem Krisenstab &bdquo;Strukturen für eine längere Pandemie-Situation". Die KHWE will schrittweise wieder abgesagte und verschobene OPs aufnehmen. Die Friseursalons dürfen unter strengen Auflagen wieder öffnen (&bdquo;der Pony bleibt tabu"). Die Stadt Höxter bereitet die Öffnung der Schulen für die vierten Klassen vor. Der Beginn eines Hin-und-Her-Geschiebes von Kindern und Jugendlichen in den Schulen überall im Kreis – rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, Homeschooling, wechselweise Schulbesuche von einigen Klassen, verkleinerte Gruppen, größere Abstände. Und dann erst der Schülertransport: Das Corona-Tagebuch der &bdquo;NW" Höxter meldet zudem im Jahr 2020: &bdquo;Still ruht der Godelheimer See am 1. Mai". Nix los. Dafür sind kurz nach Beginn des Wonnemonats acht Corona-Todesfälle kreisweit zu beklagen. Lichtblick: Die Kanuten dürfen in Corvey wieder aufs Wasser und Freizeitsport betreiben – allerdings ebenfalls nur unter Auflagen. Überhaupt entdecken die Menschen die aufblühende Natur vor der Haustür. So öffnen auch der Tierpark Sababurg und der Wildpark Neuhaus wieder ihre Türen. In Beverungen wird die Burgstraße nach der Sanierung wieder freigegeben. Denn kurz drauf ist ein besonderes Spektakel an der Weser zu sehen: Die neue Beverunger Weserbrücke rückt an ihren Platz. &bdquo;Querverschub" heißt das Ganze und ist nicht jeden Tag zu sehen. Aber binnen eines Arbeitstages geht die Aktion reibungslos über die Bühne. Die Landesgartenschau-Gesellschaft verschiebt den Gesangswettbewerb für das Großevent samt Einreichungstermin für die Beiträge aufs nächste Frühjahr 2021. Die Stadt Höxter setzt einige Gebühren aus, um Einzelhandel und Gastronomie zu unterstützen – ebenso mit einer neuen Coupon-Aktion &bdquo;Höxter4Locals". Für den guten Zweck organisieren die DJs Marcus und Markus ihre Kölsche Nacht – diesmal allerdings im Live-Stream. Gut zu tun haben in dieser Zeit Entsorgungsunternehmen: Das große Aufräumen in Kellern und auf Dachböden hat begonnen. Und passend zum Muttertag sind Besuche in einigen Senioren- und Pflegeheimen wieder möglich. Tenor: &bdquo;Endlich Mama wiedersehen". Die Ärzte appellieren zudem an die Patienten, ihre Beschwerden nicht zu Hause auszusitzen: Aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus verdrängen Menschen Beschwerden oder schwerwiegende Erkrankungen oder sagen Termine ab. In Höxters Stadtbücherei gibts wieder Bücher – dafür bekommen Familien mit Kindern, Senioren und Risikogruppen nunmehr feste Zeiträume für die Ausleihen zugewiesen. Nach der ersten kompletten Mai-Woche sind im Kreis Höxter 314 Menschen offiziell mit Corona infiziert – und schon 13 Menschen sind an oder im Zusammenhang mit dem Virus gestorben, allein in Warburg fünf und in Höxter vier. 25. April: Wählen auf Abstand, wie soll das denn gehen? Von Svenja Ludwig April ist Abizeit. So wäre das auch vor drei Jahren gewesen, wenn da nicht dieses Virus gewesen wäre. Statt Gedichtanalyse und Kurvendiskussion hieß es für die Schulen damals, Wege zu finden, wie zumindest Abiturienten und Abschlussklassenschüler nach Wochen des Homeschoolings in die heiligen Hallen des Lernens zurückkehren könnten. Zur Vorbereitung auf die Prüfungen, die zu diesem Zeitpunkt schon längst auf den Mai geschoben sind. Michael Urhahne, Leiter des Berufskollegs im Kreis Höxter, denkt damals darüber nach, die Turnhalle in ein Klassenzimmer zu verwandeln, damit der Abstand gewahrt werden kann. Schülerinnen und Schüller sollen zudem möglichst kontaktarm durch die Gebäude geleitet werden. Nicht nur der Schulbetrieb wird langsam wieder aufgenommen, auch die ersten Geschäfte dürfen vor drei Jahren nach dem ersten Lockdown wieder öffnen. Die Händler sind natürlich erleichtert: &bdquo;Ich war heute Morgen so aufgeregt wie zuletzt vor 28 Jahren bei der Betriebseröffnung", erzählt Haushaltswaren- und Spielzeugfachhändler Dietmar Larusch der &bdquo;NW" damals, &bdquo;Nach so langen Wochen endlich wieder das Licht anzumachen, das war schon etwas Besonderes." Ein vielleicht nie für möglich gehaltenes Revival erlebt zu dieser Zeit das Autokino. Auch in Höxter eröffnet eines in Windeseile. Täglich werden am Wohnmobilstellplatz am Floßplatz in Höxter Filme gezeigt. Aber die Pandemie wäre nicht die Pandemie gewesen, wenn sie nicht auch ganz besondere Regeln notwendig gemacht hätte. So waren pro Auto nur bis zu zwei Erwachsene mit bis zu zwei Kindern erlaubt. Der Premierenfilm hieß übrigens &bdquo;Bad Boys for Life". Nicht fürs ganze Leben, aber zumindest für ein paar Jahre sollten im Sommer 2020 auch die politischen Vertreter auf kommunaler Ebene gewählt werden. Aber eine Wahl – mitten in einer Pandemie? Wie soll das gehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich Land, Kommunen und Parteien bereits im April. Josef Lammers, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion, riet damals davon ab, die Wahl zu verschieben. &bdquo;Keiner weiß, welche Probleme wir nächstes Jahr haben, deswegen sollten wir am Termin festhalten." Derweil verzeichnet der Kreis Höxter zu diesem Zeitpunkt mehr als 250 Infizierte, mehr als 100 von ihnen aktiv. Für damalige Verhältnisse einigermaßen alarmierende Zahlen. Zumal auch tragischerweise der fünfte Corona-Todesfall im Kreis Höxter vermeldet werden muss. Die Pandemie ist Mitte/Ende April noch relativ frisch und neu. An vielen Stellen muss die Bundesrepublik und muss auch der Kreis Höxter improvisieren wie beim Unterricht und der Kommunalwahl. In der Krise haben aber immer auch wieder Menschen innovative Ideen. Wie die Köpfe von FSB in Brakel, die der &bdquo;NW" vor drei Jahren eine Türklinke vorstellen, die bequem mit dem Ellbogen heruntergedrückt werden kann. &bdquo;Normalerweise braucht eine Produktentwicklung ein halbes Jahr, den Klinkenaufsatz haben wir in einer Woche entwickelt, getestet und bereits 50.000 Stück produziert", erklärt FSB-Chef Jochen Bauer damals. 12. April: Osterfest unter Corona-Regeln Von David Schellenberg Es war eine völlig bizarre Zeit vor drei Jahren: Statt von Wohnungseinbrüchen und schweren Autounfällen berichtet die Polizei in ihrer Wochenendbilanz Anfang April, dass sie ein Auto angehalten habe. Der Grund: Fünf Menschen saßen drin statt der erlaubten zwei. Bußgeld. Das war der neue und inzwischen fast vergessene Alltag zu Beginn der Corona-Pandemie im Kreis Höxter, an den die Lokalredaktion in einem kleinen Tagebuch erinnert. Es ist auch die Zeit, in der nicht nur unglaublich viel geholfen wird, sondern auch die Nachbarn angeschwärzt werden. So berichtet die Polizei, dass sie nach Brakel gerufen wird, wo auf einer Grundstückseinfahrt tatsächlich acht Leute stehen. Sie erhielten Anzeigen und Bußgelder. Dabei haben es die Schüler besonders schwer. Das Homeschooling klappt vielfach nur schlecht bis gar nicht. Und wie die Abschlussprüfungen für Zehntklässler und Abiturienten laufen sollen, ist völlig unklar. Außer den auf Ende Mai verschobenen Prüfungsterminen ist gar nichts klar, klagen mehrere Schulleiter. &bdquo;Wir stochern noch im Nebel herum, klagt ein Schulleiter." Einig sind sich aber alle, dass die Prüfungen durchgeführt werden sollten. Nicht nur die Schüler, auch die Kita-Kinder dürfen schon lange nicht mehr in den Kindergarten gehen. Die sind im Gegensatz zu anderen Einrichtungen aber nicht ganz geschlossen – es gibt eine Notbetreuung, die Eltern besonderer Berufsgruppen angeboten wird. Das Wort der systemrelevanten beziehungsweise systemkritischen Berufe macht die Runde. Angenommen wird das Angebot übrigens kaum, wie eine &bdquo;NW"-Umfrage zeigt. Oma und Opa springen vielfach ein, obwohl das eigentlich von den Behörden nicht gewünscht ist. Bis zum Osterfest (2020 am 12. April) steigt die Zahl der Infizierten auf 167 – auch Marienmünster als letzte Stadt in OWL meldet inzwischen zwei Infektionen. So gering die Zahl aus heutiger Sicht anmuten mag, sie bringt die Intensivstation im St.-Ansgar-Krankenhaus Höxter mit ihren damals 20 Betten an die Belastungsgrenze, wie Intensivpfleger Jens Kolle berichtet, der der &bdquo;Neuen Westfälischen" einen Einblick die die &bdquo;Arbeit im Ausnahmezustand" gewährt. Immerhin habe man sich angesichts der dramatischen Bilder aus Italien in den Wochen zuvor auf die Situation vorbereiten können. Nicht aber die Angehörigen, denen es bei Strafe verboten, ihre Lieben zu besuchen. Oftmals erfahren sie aus Datenschutzgründen nicht mal genau, wie es um den Verwandten steht. Mancher stirbt sehr einsam in dieser Zeit. Diese, so hofft Höxters damaliger Bürgermeister Alexander Fischer Anfang April, werde bald vorbei sein. Er selbst musste in Quarantäne. &bdquo;Wir sind erst am Anfang und werden noch einige Wochen gefordert sein, mit den großen Einschnitten in unsere persönliche Freiheit umzugehen", sagt Fischer in einer Videobotschaft zum Osterfest. Die Regeln für die Feiertage sind streng und undurchsichtig. So darf man das Nachbarehepaar nicht im Auto mitnehmen, wohl aber bei ihm Grillen. Auch vom Besuch bei Oma und Opa wird abgeraten. 1. April: Der erste Todesfall im Kreis Höxter Von Nicole Fischer Am 1. April 2020 vermeldete der Kreis Höxter den ersten Todesfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Trotz Vorsorge- und Schutzmaßnahmen ist im Warburger Seniorenzentrum St. Johannes ein Bewohner positiv auf das Virus getestet worden und aufgrund seiner multiplen Vorerkrankungen nach kurzer Krankenhausbehandlung verstorben. Um die Bewohner zu schützen, wurde weitere Schutzausrüstung angefordert, Mitarbeiter in Quarantäne geschickt und täglich Fiebermessungen durchgeführt. Sterben ist in Zeiten des Virus einsam geworden. Auch die Bestattungen dürfen nur noch im engsten Familienkreis stattfinden. Was genau das heißt, sei Auslegungssache, verrät Bestattungsunternehmerin Sonja Berg aus Höxter damals im Gespräch. Von der Kontaktsperre sind Beerdigungen noch ausgenommen. Es solle jeder kommen, der emotional betroffen wäre, wenn er nicht dabei sein könnte, rät die Bestatterin. Manche Kommunen lassen allerdings nur Verwandte ersten Grades zu. Trauerhallen und Kapellen dürfen nicht genutzt werden. Die Trauerfeier selbst dauert nur eine Viertelstunde und spielt sich direkt am Grab mit Abstand ab, aber es ist jede Bestattungsform möglich – auch, wenn der Verstorbene an Corona erkrankt war. &bdquo;Die Angehörigen nehmen das so hin. Diskussionen helfen da ja auch nicht weiter. Aber schön findet das keiner", fasst es Rebecca Mertens-Tölle vom Steinheimer Bestattungsinstitut Tölle zusammen. 72 Menschen im Kreis Höxter sind mit dem Virus infiziert. Jede Kommune meldet einen Fall, nur Marienmünster nicht. Die Stadt mit 13 Ortschaften und 4.945 Einwohner wird zum gallischen Corona-Dorf in OWL. Warum sich dort bisher keiner infiziert hat? Ein Geheimrezept habe die Stadt nicht, vielleicht liege es an der besonders ländlichen Umgebung. &bdquo;Wer bei uns ins Grüne gehen will, der kann das so steuern, dass er niemandem begegnet", vermutet damals der Stadtheimatpfleger Franz Meyer. Der Ausflug in die Natur ist für viele Menschen der Ausgleich in der Krise. Denn das Arbeiten ist schwieriger geworden. Die Kollegen kämpfen mit der einsamen Stille im Büro oder der Technik und dem familiären Trubel zu Hause. Andere müssen noch mehr leisten. Da Hotelbuchungen wegbrechen und Gastronomiebetreiber keine Arbeit für ihre Angestellten haben, wird auf Kurzarbeit umgestellt, doch das Geld reicht oftmals nicht. Kurzzeitig steigt die Nachfrage, als Erntehelfer einzuspringen. Die Landwirte sind dankbar, denn den ausländischen Helfern ist die Einreise untersagt. Da ist es wichtig, dass die Politik hilft. Soforthilfen für Unternehmen können ab sofort beantragt werden. Doch nicht alles kann vom Staat aufgefangen werden. Nicht jeder Arbeitsplatz kann gerettet werden. Alle bräuchten jetzt einen langen Atem, sagte CDU-Langtagsabgeordnete Matthias Goeken im NW-Internview. Und &bdquo;Ich sehe es noch nicht, dass wir im Mai oder Juni wieder Schützenfeste feiern können", sagte er. Besonders schwer ist es für Menschen mit Behinderung: Über Nacht wurden die Werkstätten im Kreis Höxter geschlossen. Mit einem Schlag wurden 500 Menschen mit einem Betätigungsverbot an ihrem Arbeitsplatz belegt. Nicht nur, dass Arbeitsaufträge weggebrochen sind und dafür andere Aufgaben bewältig werden müssen, auch die Tagesstruktur muss neu geregelt werden. Der Wegfall der Normalität des Alltages fordere alle besonders heraus, so die Verantwortlichen von Caritas und Lebenshilfe. 22. März: &bdquo;Beteiligen sie sich nicht an Gerüchten" Von David Schellenberg &bdquo;Mittlerweile hat die Lage eine Dynamik erreicht, die uns vor völlig neue Dimensionen stellt", erklärt der damalige Landrat Friedhelm Spieker am 22. März 2020 über die Coronasituation im Kreis Höxter. Eine Woche zuvor hatte der Kreis den ersten Coronafall öffentlich gemacht. Inzwischen waren 21 Infektionen bestätigt. Eine völlig unvorstellbare Entwicklung hatte sehr rasant eingesetzt. Im Corona-Tagebuch beleuchtet die &bdquo;NW" Höxter, was vor drei Jahren passierte. Ende März, der Lockdown ist keine zwei Wochen alt, beginnt die Zeit der Mahnungen und Durchhalte-Parolen. So warnt Friedhelm Spieker davor, sich an der Verbreitung von Gerüchten zu beteiligen, die zu Zwietracht und Anfeindungen anderen gegenüber führen könnten. Und er mahnt, den Weisungen der Ordnungsbehörden folge zu leisten. Die &bdquo;Weisungen" sind rigoros: Geschäfte sind geschlossen, Spielplätze gesperrt, private Treffen verboten. Die städtischen Ordnungsämter kündigen Kontrollen an, mahnen zur Einhaltung und drohen mit Bußgeldern bis 25.000 Euro. Auch Polizeisprecher Jörg Niggemann kündigt eine stärkere Polizeipräsenz an. Sie löst am vorletzten Märzwochenende einen syrischen Gottesdienst in Warburg und eine große Familienfeier in Bad Driburg auf. Auch mehrere Personengruppen auf Spielplätzen werden angezeigt. Firmen und Vereine, darunter der SC Paderborn und die &bdquo;Neue Westfälische" werben in Anzeigen dafür, Zuhause zu bleiben. Für manchen Arbeitnehmer, der ins zwangsfrei geschickt wird, hat die stille Zeit auch eine gute Seite: Endlich kann der Dachboden und Keller ordentlich entrümpelt werden, das sonnige Frühlingswetter lockt bereits zu ersten Gartenarbeiten. Vor allem Einzelhändler beginnen aber, sich große Existenzsorgen zu machen. Denn ohne Käufer kein Umsatz, die Ware für den Frühling bleibt in den Regalen. In Supermärkten werden die Einkaufswagen abgezählt. Und langsam wird klar, dass der Lockdown nicht nur ein paar Tage oder wenige Wochen dauern wird. Dennoch hofft beispielsweise die Werbegemeinschaft Höxter, den Höxteraner Frühling noch nachholen zu können. Zugleich bemüht sich der Kreis um mehr Tests. In Brakel wird am 24. März zusätzlich zum mobilen Diagnosedienst am Stadtteilzentrum in Windeseile ein stationäres Diagnosezentrum eröffnet. Es schafft 75 Coronatests täglich. Im Nachbarkreis Lippe gab es ein solches Test-Drive-in schon 14 Tage eher. Die Kirchenglocken im Kreis Höxter läuten gemeinsam, am Sonntagabend sind 3.000 Musiker im Kreis Höxter aufgerufen, gemeinsam die Eurovisionshymne zu spielen. Als Solidaritätsaktion. Denn die Bilder aus anderen Ländern wie Italien sind noch deutlich dramatischer als hierzulande. Dennoch warnt Holzmindens Landrat Uwe Schünemann hier vor Panikreaktionen. Aus dem Blick geraten die Kinder, weshalb Grundschullehrer und Kita-Erzieher mit verschiedenen Aktionen versuchen, die Jüngsten zu erreichen. Auch Mitarbeiter der Lebenshilfe beschreiben, wie schwer behinderten Mitmenschen die Isolation fällt. Erste psychosoziale Beratungsangebote starten. Bis zum 27. März steigt die Zahl der Infizierten auf 34. Nur Willebadessen und Marienmünster sind noch ohne Infektionsfälle. 14. März: Betretungsverbote und Musik gegen Einsamkeit Von Simone Flörke Am 14. März vor drei Jahren meldete der Kreis Höxter die beiden kreisweit ersten bestätigten Corona-Fall – zurückdatiert auf den 8. März. Zwei Beverunger, die aus dem Skiurlaub in Österreich zurückgekommen waren. Damit nahm das Virus deutlich Fahrt auf. Im Corona-Tagebuch beleuchtet die &bdquo;NW" Höxter, was vor drei Jahren passierte. Erinnern Sie sich? 34 Menschen waren zu dem Zeitpunkt in behördlich angeordneter Quarantäne, der damalige Landrat Spieker aktivierte einen Krisenstab, ein mobiles Diagnosezentrum sollte den Betrieb aufnehmen. In den ersten Gemeinden gab es Einschränkungen bei Beerdigungen – als Vorsichtsmaßnahme, wie es aus dem Pastoralen Raum Steinheim-Marienmünster-Nieheim hieß: &bdquo;Eine große Bewährungsprobe." Schüler mussten zuhause lernen, weil das Land die Schulen geschlossen hatte. Am 17. März vermeldete die &bdquo;NW" Höxter: &bdquo;Corona: Abstrich an neutralem Fahrzeug": Ärzte fuhren durch den Kreis und testeten Patienten auf das Virus. Damit sollten Hausärzte entlastet werden, auf die gewaltige Aufgaben zukamen. Der Kreis richtete eine Beratungshotline ein, denn die Menschen waren verunsichert und hatten viele Fragen rund um die Infektion und das Virus. Einen Tag später schreibt die &bdquo;NW": &bdquo;KHWE erlässt absolutes Betretungsverbot für Kliniken und Seniorenhäuser" – es begann eine lange Zeit der Einsamkeit für Patienten und Senioren. Nachdem auch Kitas sukzessive die Tore dicht machten, gab es trotz Frühjahrswetters ein absolutes Betretungsverbot für Spielplätze – die Angst vor der Infektion mit dem Unbekannten zog Kreise im Alltag der Menschen. Aber es gab auch schöne Nachrichten, denn das Virus brachte trotz Verbots von Treffen die Menschen näher zusammen: Kerstin und Rainer Düwel aus Höxter gründen auf Facebook ihre Corona-Hilfe – als Kontaktbörse, aber auch, um Menschen in Quarantäne mit Besorgungen zu helfen. Auch optisch ändert sich die Zeitung: Die Gruppenfotos mit Menschen dicht an dicht in Zweierreihen verschwanden. Stattdessen: viel Luft und Abstand auch auf Bildern. In Höxter verkündete der Pastoralverbund Corvey am 19. März, dass es Gottesdienste nur noch via Internet geben werde. Hochzeiten fanden nur mit Brautpaar und Trauzeugen statt. Der Einzelhandel schloss in der Innenstadt. Am 19. März gab es sieben laborbestätigte Infektionen im Kreis. Die &bdquo;NW" hatte Überschriften wie &bdquo;Blutspenden abgesagt", &bdquo;Konzert verschoben", &bdquo;IKK geschlossen", &bdquo;Ausschusssitzungen fallen bis 19. April aus". Der damalige Höxteraner Bürgermeister Alexander Fischer wandte sich mit einem Appell an die Bürger, die Stadt richtete ein Bürgertelefon ein. Und es wurden Solidaritätszeichen gesetzt. Nicht nur Glocken riefen zum Gebet: 3.000 Hobbymusiker waren aufgerufen, &bdquo;Freude schöner Götterfunken" an Fenstern und Türen gemeinsam zu spielen. Musik gegen den Corona-Blues. 8. März: Von Hamsterkäufen und massenhaften Absagen Von Simone Flörke Es gab damals noch viele Fotos, auf denen die Menschen dicht an dicht standen: ohne Maske. Anfang März 2020 breitete sich weltweit das Corona-Virus aus. Die &bdquo;NW" Höxter beleuchtet in einem wöchentlichen Corona-Tagebuch, wie sich die Lage damals zuspitzte – und was gerade akuten Handlungsbedarf erforderte. Gerade mal drei Jahre ist das her. Und mittlerweile scheinbar schon wieder aus der Zeit gefallen. Am 6. März 2020 wurden beim Rockkonzert der AC/DC-Tribute-Band Barock Rockfans in Beverungen namentlich erfasst. Erste Veranstaltungen wegen des Virus im Kreis waren da bereits abgesagt worden. Am Tag zuvor berichtete die NW davon, dass die Hamsterkäufe zunehmen und sich Menschen mit Nudeln, Mehl, Zucker und Konserven bevorraten. &bdquo;Toilettenpapier ist teils ausverkauft." Schülerausflüge standen auf dem Prüfstand. Brauns-Heitmann in Warburg fuhr Sonderschichten, um Desinfektionsmittel herzustellen. Dazu gab es erhebliche Probleme mit der Lieferung von Weihnachtsdeko – inklusive enormer Preissteigerung. Zu dem Zeitpunkt war das Osterhasen-Fest in Warburg bereits abgesagt. Am 10. März schrieb die NW Höxter vom &bdquo;Krisentreffen der Bürgermeister", weil Gesundheitsminister Jens Spahn die Empfehlung ausgegeben hatte, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Gästen wegen der Ansteckungsgefahr abzusagen. Am 13. März lautete die Überschrift &bdquo;KHWE-Ärzte warnen vor Corona-Hysterie". Im Helios Klinikum Warburg verschwanden Desinfektionsmittel. Am 11. März hatte der Landkreis Holzminden den ersten offiziell bestätigten Corona-Infizierten. Derweil wurden im Kreis Höxter immer mehr Veranstaltungen verschoben oder abgesagt. Kommentar von Veranstaltern: &bdquo;Katastrophal". Es gab massenweise Anrufe beim Gesundheitsamt, die Rettungskräfte trafen erste Vorsorge. Und dann meldete auch der Kreis Höxter am 14. März die ersten beiden bestätigten Corona-Fälle – sie wurden zurückdatiert auf den 8. März.

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