Erneuerbare Energie Leitlinien sollen Konflikt um Groß-Solaranlagen im Kreis Höxter entschärfen

Kreis Höxter. Sie sind in ihren Ausmaßen hochumstritten, weil sie enorme Flächen verbrauchen und das Landschaftsbild empfindlich beeinträchtigen: riesige Freiflächen-Solaranlagen. Entsprechend groß ist der Widerstand der Bürger vielerorts. Andererseits können sie einen entscheidenden Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Region leisten. Da immer mehr Investoren im Kreis Höxter große Freiflächen-Solaranlagen bauen wollen, wie aktuell das Unternehmen Arntz Optibelt auf seinem Firmengelände in Höxter, will der Kreistag den Konflikt entschärfen. Der Umweltausschuss hat dazu jetzt einen Leitfaden zum Ausbau der Freiflächenphotovoltaik im Kreis Höxter beschlossen. Er soll den Kommunen, die darüber entscheiden müssen, als Handlungsempfehlung dienen. Und nicht nur das: &bdquo;Es geht um die Zielsetzung eines natur- und bürgerverträglichen Ausbaus der Freiflächenphotovoltaik unter besonderer Berücksichtigung der agrarstrukturellen Belange“, betont Fachbereichsleiterin Kathrin Weiß. Platz für solche Anlagen gebe es eine Menge: Nach Vorgaben des Bundes sollen vor allem entlang von Schienen und Straßen und für die Landwirtschaft schlecht nutzbare Flächen für Solarparks erschlossen werden. &bdquo;Für den Kreis Höxter würde sich eine Gebietskulisse von 38.000 Hektar ergeben“, sagt Fachbereichsleiterin Weiß. Das sei aber nur eine theoretische Größe. CDU weicht Vorschlag der Verwaltung auf &bdquo;Nach den aktuellen Schätzungen bewegen wir uns in einem Rahmen von rund 2.500 Hektar allein im Bereich von Verkehrswegen, was schon jetzt eine ganz erhebliche Größe darstellt“, sagt Kreis-Landschaftsplaner Uli Wycisk, der die Einzelheiten im Ausschuss vorstellte. Diese Flächen sollen möglichst schonend genutzt werden. Darum hatte die Kreisverwaltung eigentlich vorgeschlagen, dass unter den Flächen nicht gemulcht werden darf, sondern der natürlichen Vegetation Raum gegeben werden soll. Der Kreis begründete das Mulchverbot damit, dass dadurch einerseits Kompensationsflächen nötig würden, andererseits &bdquo;beim Mulchen sämtliche Tiere und Insekten sowie deren Larven- oder Überwinterungsstadien auf der Fläche zerschlagen. Vor dem Hintergrund des bundesweit stark rückgängigen Insektenbestandes sollte das Mulchen möglichst ganzjährig unterbleiben. Das sah die CDU-Mehrheit, die sich wie die FDP besonders intensiv mit dem Leitfaden auseinandergesetzt hat, anders und ließ das Mulchverbot aus dem Katalog wieder streichen. &bdquo;Diese Möglichkeit der Flächenpflege sollte nicht von vorne herein ausgeschlossen werden, da im Fall einer reinen Mahd das Mähgut abgefahren werden müsste, um die Grasnarbe nicht zu gefährden“, erklärte die Fraktion. "Bürokratiemonster" Grüne und FDP kritisierten generell, dass mit dem Leitfaden nur ein weiteres Bürokratiemonster erschaffen werde, da diese Thematik auf Bundes- und Landesebene ausreichend ausgearbeitet werde. Dem widersprach CDU-Landwirtschaftsexperte Stefan Berens. &bdquo;Wir erleben genau das Gegenteil. Vielmehr sind die vielen Projektierer, die überall in den Startlöchern stehen, dankbar für genau abgesteckte Leitplanken, auf die sie ihre Planungen aufbauen können“, sagte Berens. Inzwischen gebe es bereits zahlreiche Beispiele, wie Photovoltaikanlagen auch mit ökologischem Mehrwert betrieben werden können. Die Anlagen böten Tieren und Pflanzen Regen- und Sonnenschutz. Außerdem kann das Regenwasser aufgefangen und zur zielgerichteten Bewässerung genutzt werden. Als Beispiel nannte er ein Projekt der Stadtwerke Bad Driburg. Sie betreiben seit knapp zehn Jahren ein Solarfeld nach ökologischen Grundsätzen, das von Skudden beweidet wird. Die Skudde ist eine selten gewordene alte Schafrasse. Die Tiere sind klein, genügsam und können problemlos das ganze Jahr draußen gehalten werden. Da sie aber nicht viel Ertrag an Fleisch und Wolle bringen, sind Skudden so selten geworden, dass sie auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen stehen. Sie eignen sich jedoch hervorragend zur Landschaftspflege. Seither muss das Gras unter den Modulen nicht mehr maschinell gemäht werden. Auch bei Nieheim ist ein ökologisches Modellprojekt in Planung. Agri-PV Zudem gebe es unter dem Stichwort Agri-Photovoltaik vor allem im Ökolandbau einen neuen Trend, Sonnenenergie und Gemüse auf derselben Fläche zu ernten, berichtet Kreis-Landschaftsplaner Uli Wycisk. Unter hoch aufgeständerten Solaranlagen werden Obst oder Gemüse angebaut, Hühner oder Schafe gehalten. Das Zusammenspiel von Ackerbau und Energieernte entschärfe die zunehmende Flächenkonkurrenz und die Landnutzungskonflikte zwischen Landwirtschaft und Energieproduktion, betonen die Agri-PV-Befürworter. Wenn unter Solarparks Obst oder Gemüse wächst oder Tiere weiden, gingen keine fruchtbaren Flächen für die Nahrungsmittelproduktion verloren. Damit dies gelingt, werden die Solarmodule auf einem Gestell montiert. Unter den bis zu sechs Meter hohen Konstruktionen lasse sich der Boden weiterhin problemlos beackern. Außerdem schützten die Solarpaneele Obst und Gemüse vor Schäden durch Hagelschauer, Starkregen oder eine intensive Sonneneinstrahlung. Solarmodule machten die Abdeckung mit großflächigen Netzen oder Folien über den Gemüsekulturen oder Obstbäumen überflüssig und spendeten zudem Schatten. Dadurch trockneten Böden und Pflanzen in Hitzeperioden weniger schnell aus. Weitere Pluspunkte: Über das Solardach lässt sich Regenwasser für eine spätere Bewässerung auffangen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sieht großes Potenzial in der Agri-PV: Rund vier Prozent der Agrarflächen würden ausreichen, um mit darauf aufgeständerten Modulen den aktuellen Strombedarf in Deutschland zu decken.

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