Kreis Höxter Kirchen unter Druck: Im Kreis Höxter steigt die Zahl der Austritte

Kreis Höxter. Missbrauchsvorwürfe und Kirchenskandale gehen auch an den Kirchen im Kreis Höxter nicht spurlos vorüber. Besonders dramatisch ist die Situation im Zuständigkeitsbereich der Amtsgerichte Warburg und Brakel: Dort sind in diesem Jahr bereits mehr Menschen aus den Kirchen ausgetreten als im gesamten Jahr 2021. Aber auch in den übrigen Teilen des Kreises zeichnet sich ein dramatischer Anstieg der Kirchenaustritte ab. Nw.de hat darüber mit den beiden großen Kirchen gesprochen. Das Amtsgericht Warburg bearbeitet die Kirchenaustritte aus Warburg, Willebadessen und Borgentreich. Im gesamten Jahr 2021 hat das Amtsgericht von dort 236 Kirchenaustritte angenommen und bearbeitet. Zum Stichpunkt 7. Juli sind es laut Amtsgericht bereits 249 Austritte. Das heißt: Perspektivisch dürfte sich die Zahl der Kirchenaustritte in den drei Kommunen bis Jahresende nahezu verdoppeln. Das Erzbistum Paderborn hat wegen der steigenden Austrittszahlen bereits eine neue Stelle geschaffen, die sich mit Austrittswilligen und deren Anliegen beschäftigt. &bdquo;Jede und jeder Einzelne, der die Kirche verlässt, ist für uns als Gemeinschaft ein Verlust“, sagt dazu Generalvikar Alfons Hardt. Mit den vorhandenen Realitäten müsse das Erzbistum leben. &bdquo;Umso mehr kommt es darauf an, unseren spezifischen Auftrag zu erfüllen: das Evangelium freudig zu verkünden und zu leben.“ In der Kreisstadt Höxter ist die Zahl der Kirchenaustritte auch bereits deutlich über der Marke des Vorjahreszeitpunktes: 246 Personen haben ihren Austritt aus der Kirche zum Stichpunkt 30. Juni in Höxter erklärt. Im Vorjahr waren es zum Stichpunkt 30. Juni erst 162 Personen. Insgesamt haben in der Kreisstadt im vergangenen Jahr 323 Personen der Kirche offiziell ihren Rücken gekehrt. Das Amtsgericht Höxter ist mit Blick auf die Kirchenaustritte für die Kreisstadt, Marienmünster und Beverungen zuständig. Mit digitalem Projekt auf junge Mitglieder zugehen Beim evangelischen Kirchenkreis Paderborn, zu dem die Gemeinden in Höxter gehören, will man der Austrittswelle auch dadurch entgegentreten, dass gezielt auf junge Gemeindemitglieder zugegangen wird. &bdquo;&bdquo;Der Evangelische Kirchenkreis Paderborn geht seit März 2022 einen neuen Weg, um speziell mit Menschen zwischen 18 und 35 Jahren in Kontakt zu treten und eine Beziehung aufzubauen“, sagt der stellvertretende Synodalassessor Claus-Jürgen Reihs. Das Projekt Digitale Kirche sei auf drei Jahre angelegt und richte sich &bdquo;mit lockeren, unterhaltsamen und inspirierenden Inhalten in den sozialen Medien an Menschen, die bislang mit der Kirche nur wenige Berührungspunkte hatten“. Beim Amtsgericht Brakel, das für Nieheim, Bad Driburg Brakel und Steinheim zuständig ist, sind in diesem Jahr bereits 350 Menschen aus der Kirche ausgetreten – 2021 waren es insgesamt 329. Die Einschätzung des Amtsgerichts ist, dass sich die Zahl der Austritte in diesem Jahr verdoppeln wird. Besonders zu Beginn des Jahres habe es einen großen Run auf die Austrittserklärungen gegeben. Wie viele von denen, die ausgetreten sind, evangelisch sind, vermag Reihs nicht zu sagen: &bdquo;Aktuell liegen noch keine genauen Zahlen für den Evangelischen Kirchenkreis Paderborn vor, aber jeder einzelne Kirchenaustritt tut weh“. Er stellt auch klar, dass nicht klar erfasst werde, warum Mitglieder austreten: &bdquo;Bei einem Kirchenaustritt müssen die Gründe nicht angegeben werden, wir erfahren von Kirchenaustritten durch die Mitteilung des Amtsgerichts.“ Kirchensteuer ist ein häufiger Grund Er habe es bisher nicht erlebt, dass Gemeindeglieder das Gespräch mit der Gemeinde suchen, bevor sie austreten. Untersuchungen zufolge sei ein häufiger Grund die Kirchensteuer: &bdquo; Wenn sie zum Beispiel beim Eintritt in den Beruf zum ersten Mal fällig wird, kann das zu Austrittsüberlegungen führen. Auch Kritik an der Kirche ist ein Grund, wobei da nicht immer unterschieden wird. Negative Schlagzeilen über eine Kirche können durch einen Mitnahmeeffekt auch zum Austritt aus einer anderen Kirche führen“, sagt Reihs wohl auch mit Blick auf die sich in den letzten Monaten häufenden Berichte über Missbrauch in der katholischen Kirche. Überhaupt: Wie sich die Kirchenaustritte auf die beiden Konfessionen verteilen, wird von den Amtsgerichten nicht erfasst, Austritt ist Austritt, egal ob ein katholischer oder evangelischer Austritt. Das Erzbistum hat aber zumindest für das Jahr 2021 Zahlen: &bdquo;Zum Stichtag 31. Dezember 2021 gab es im Dekanat Höxter 528 Austritte bei einer Katholikenzahl von 77.691“, sagt Sprecher Ronald Pfaff auf Nachfrage der Neuen Westfälischen. 888 Kirchenaustritte gab es im Jahr 2021 insgesamt bei beiden Konfessionen. Allerdings ist der überwiegende Teil der Christen im Kreis Höxter ohnehin – katholisch. Das Erzbistum sucht den Dialog Das Erzbistum geht in die Offensive: &bdquo;Austrittswillige und Ausgetretene haben uns als Kirche etwas zu sagen, dabei können wir sehr viel lernen“, ist der Generalvikar des Paderborner Erzbischofs, Alfons Hardt, überzeugt. Das Erzbistum suche verstärkt den Dialog mit Menschen, die über einen Kirchenaustritt nachdenken oder ihn bereits vollzogen haben. Seit dem 1. Juni 2022 gibt es in der Abteilung Evangelisierung &bdquo;Labor E“ eine Projektstelle für den Austausch mit Menschen, die die Kirche nicht mehr als Heimat erleben. Ruth Nefiodow, die zuvor im Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik tätig war, hat die Aufgabe übernommen und freue sich auf die neue Herausforderung: &bdquo;Wir möchten nicht mehr passiv zusehen, wie Menschen sich von der Kirche abwenden, sondern ihnen aktiv das Angebot machen, uns ihre persönliche Geschichte zu erzählen“, sagt die Theologin. Nutzen können Menschen die Angebote der neuen Projektstelle auf verschiedene Weise, teilt das Erzbistum mit: Es werde ein Internet-Portal geschaffen und eine Hotline eingerichtet, bei der sich Menschen jederzeit melden könnten. &bdquo;Zudem möchten wir eine Vernetzung mit den Kirchengemeinden aufbauen, um den Dialog vor Ort zu fördern und neue Kommunikationsformate mit austrittswilligen Menschen zu finden“, kündigt Nefiodow an.

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