Höxter. "Eine ganz besonders schöne Sache, dass das geklappt hat", sagte Manfred Kollmann. Der Höxteraner geht regelmäßig in Corvey und am Weserbogen spazieren. Gestern Morgen führte ihn der Spaziergang zu einem neuen Weltkulturerbe: "Wir haben alle mitgefiebert. Und schon während des Glockenläutens am Samstag das erste Schild angebracht: Corvey ist Welterbe. Das ist gut für diese Anlage und für die Region." Auch Renate Niedzballa erfuhr es durch die Glocken: "Prima, eine gute Sache. Das war Gänsehaut pur", sagte sie. "Wir haben lange genug drauf gewartet." Für Roswitha Kempka war es auch ganz persönlich ein besonderes Erlebnis: "Wir haben vor 43 Jahren in dieser Kirche geheiratet, hier wurde unsere Enkelin Letitia getauft. Das ist total schön!"
Pastor Frank Grunze hatte gestern Morgen nur kurz die Abteikirche mit dem karolingischen Westwerk hinter sich geschlossen. Um dann symbolisch die Türen "für alle ganz weit zu öffnen", sagte er vor mehreren Hundert Menschen und lud ein: "Herzlich willkommen im Weltkulturerbe Corvey." Langen und herzlichen Applaus gab es von den Menschen, die gut gelaunt und mächtig stolz in die Kirche der ehemaligen Reichsabtei drängten. Um dort zu beten und gemeinsam mit Grunze, der herzoglichen Familie und Gästen mit einem innig gesungenen "Großer Gott, wir loben Dich" Danke zu sagen.
Pastor Grunze - in Vertretung des in Doha weilenden Hausherrn der St. Stephanus und Vitus-Gemeinde in Corvey, Pfarrdechant Ludger Eilebrecht - dankte auch denen, die den Menschen die Augen für das Kleinod in der Region geöffnet haben. "Viele wissen das, was vor ihrer Tür liegt, nicht so sehr zu schätzen und fahren weit weg." Dies sei kein einfaches Erbe, sondern "eine Herausforderung", sagte er mit Blick auf die anstehende Restaurierung der Corveyer Orgel oder die noch unter der Grasnabe versteckte Civitas Corvey, Bestandteil des Welterbes. Sie hervorzuholen und für jedermann zugänglich zu machen, das sei eine Aufgabe. Diese Herausforderung gelte es nun, mit dem kulturellen und religiösen Leben zu füllen. "Wir werden dem Welterbe am Besten gerecht, wenn wir uns einig sind." Es sei ihnen schon vorher bewusst gewesen, dass man hier ein kulturelles Erbe von Weltrang habe: "Jetzt weiß es die ganze Welt - schriftlich verbrieft", so Grunze mit "unsagbar großer Freude".
Bürgermeister Alexander Fischer sprach von einem "großartigen Tag", einem "Tag der Freude für die Stadt, den Kreis und das Land NRW". Corvey werde nun in einem Zuge mit dem Eiffelturm oder der Chinesischen Mauer genannt. Fischer erinnerte an den verstorbenen Landrat Hubertus Backhaus, der früh mit seiner Initiative für Corvey die Chance eines Welterbes für die Region erkannt habe: "Vor uns liegen eine wunderbare Aufgabe und eine große Verpflichtung, dass mit einer gemeinsamen Herangehensweise dieser besondere Leuchtturm für die Region wie einst in die Welt strahlen wird." Landrat Friedhelm Spieker sprach vom "Flaggschiff Corvey" und dachte schon über die Kreisgrenzen hinaus an Chancen, das Welterbe zusammen mit dem Bergpark Wilhelmshöhe (Titel 2013) touristisch vermarkten zu können. Gemeinsam wolle man nun neue Strukturen dafür auf den Weg bringen. "Jetzt sind wir?s. Jetzt geht die Arbeit weiter. Mit Rückenwind wird es gelingen."
Mit ihren Kindern hatte Alexandra Herzogin von Ratibor die Entscheidung am Samstag verfolgt: "Wir haben in der Kirche im Westwerk anschließend eine Kerze entzündet." Der außergewöhnliche und universelle Wert Corveys sei ihnen immer klar gewesen, nun habe man die Anerkennung - auch für die 200 Jahre währende konservatorische Arbeit der Familie und der Kirche - erhalten. "Wir sind bereit, die Aufgaben und die Verpflichtungen wahrzunehmen. Ich freue mich darauf."
Viele Interviews hatte Museumsleiterin und Kulturkreis-Geschäftsführerin Claudia Konrad in den vergangenen Tage und Wochen bewältigt: "Ich war am Samstagabend so erschöpft, dass ich die erste Nacht seit langem wieder durchgeschlafen habe. Auf dem Weg nach Hause habe ich nur geweint - die ganze Anspannung ist nun weg", erzählte sie gestern, wieder mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. "Das Telefon stand am Samstag gar nicht mehr still. Bis nach Mitternacht habe ich 40 bis 50 SMS bekommen."