Kirchlengern/Bielefeld. Mohamed Fadi Khamam kam im September vergangenen Jahres aus Damaskus nach Deutschland. Alleine. Die Sprache kannte er nicht, die Mentalität der Einheimischen auch nicht. Nur eines war ihm klar: "Hier will ich den Neustart beginnen, hier will ich studieren."
Über München und Siegen gelangte der 20-Jährige nach Kirchlengern. "Ab zehn Uhr abends ist keiner mehr auf der Straße", musste Khamam erstaunt feststellen. Dennoch lernte er "viele nette Leute kennen". Unter anderen Dagmar Nold, die in Kirchlengern im "Sprachcafé" arbeitet und damit Integration betreibt - und für viele Geflüchtete die erste Ansprechperson ist.
Sie hat ihn an die Universität Bielefeld vermittelt. Von dort aus wurde er, weil man sich gemeinsam um studierwillige Geflüchtete kümmert, an die Fachhochschule (FH) weiterverwiesen. Sandra Schoeß vom Akademischen Auslandsamt der FH: "Er kann bei uns an Vorlesungen in Minden und am Integrationskurs teilnehmen, seine Sprachkenntnisse verbessern und sich so letztlich seine Hochschulzugangsberechtigung erarbeiten."
Architektur will er studieren, das steht fest. Und die Vorbereitung sieht seit Anfang Mai so aus: Sechs Uhr in der Frühe aufstehen, dann mit dem Bus über Herford nach Minden. Vormittags während der Vorlesungszeit Hörer auf den FH-Campus: Vorlesungen in Fachenglisch, Baustoffkunde und Design. Nachmittags Teilnahme am Integrationskurs in der Inlingua- Sprachschule in Herford, ein verpflichtender Kurs, der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert wird und noch bis zum 9. September läuft.
Das Sprachcafé – mehr als nur Deutschunterricht
- Das Sprachcafé in Kirchlengern gibt es schon seit Mitte 2015.
- Es befindet sich in den Räumlichkeiten des Gemeindehauses in Kirchlengern.
- Zweimal die Woche (immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr und freitags von 10 bis 12 Uhr) treffen sich hier Flüchtlinge und Ehrenamtliche.
- Der Sprachkurs besteht nicht aus bloßem Deutschunterricht, das Sprachcafé versteht sich auch als Begegnungsstätte.
- Die Initiative wird von den Flüchtlingen sehr gut angenommen.
Mit dem Sprachniveau B 1 möchte er abschließen, und es fällt ihm nicht besonders schwer, mit der deutschen Sprache klarzukommen, wenn man bedenkt, dass er vor einem Jahr noch kein Wort verstanden hat und schon jetzt an Gespräch und Diskussion teilnimmt - auch wenn man hier und da noch ins Englische wechselt, um sich zu vergewissern.
Die Gasthörergebühr von 100 Euro hat die Fördergesellschaft der FH Bielefeld übernommen, das Akademische Auslandsamt die Fahrtkosten. Khamam profitiert zudem von der quasi "ehrenamtlichen" Tätigkeit der Mitarbeiterinnen des Akademischen Auslandsamtes, die ihm und anderen Geflüchteten stets mit Rat und Tat zur Seite stehen. So dürfen die Geflüchteten zum Beispiel an allen Veranstaltungen des Akademischen Auslandsamtes für die Incomer und die internationalen Studierenden teilnehmen.
Die Stadt Münster und die dortige Universität sind schon jetzt Khamams erklärtes Ziel. Städtebaulich und, wie er von Freunden gehört hat, auch in Sachen Architekturstudium sei das eine gute Adresse. "Ich will keine Zeit verlieren und zum Sommersemester in Münster anfangen", plant er optimistisch. "Das Leben muss weitergehen", hat er sich vor einem Jahr fest vorgenommen.
Es scheint so, dass Mohamed Fadi Khamam angekommen ist, um seinen Weg zunächst in Deutschland zu gehen. Mit Durchhaltevermögen. Mit Unterstützung - auch aus den Hochschulen. Und natürlich bleibt ihm eines im Herzen: die Heimat Syrien, die er ungern verlassen hat, und die Hoffnung, dass der Frieden irgendwann dort wieder einkehren möge.