Hiddenhausen Was der Ukraine-Krieg für hilfsbedürftige Russen bedeutet

Hiddenhausen. &bdquo;Das ist richtig scheiße.“ Heinz-Hermann Rottmann nimmt kein Blatt vor den Mund, wie immer. Seit gut 30 Jahren fährt der Hiddenhauser auf eigene Faust regelmäßig Hilfstransporte in die russische Exklave Kaliningrad, genauer gesagt: ins ehemals deutsche Gumbinnen. Natürlich hat er dort auch unzählige Freundschaften geschlossen, mit &bdquo;wichtigen“ und &bdquo;unwichtigen“ Menschen. Aber seit Ende Februar geht gar nichts mehr. Telefonieren, das sei noch möglich, sagt Rottmann. Und das mache er auch. &bdquo;Aber die haben alle Angst, dass sie abgehört werden – also sprechen wir nur über ganz unverfängliche Sachen“, so der 74-Jährige. Immerhin wisse er auf diese Weise, dass es allen gut gehe. Und zwischen den Zeilen liest er heraus, dass seine Freunde allesamt gegen den Krieg sind (den sie natürlich so nicht nennen dürfen). Von Anfang an habe keiner den Einmarsch der Russen in die Ukraine nachvollziehen können, sagt Rottmann. Ganz ohne Abenteuer und Hilfstransporte kann er nicht leben. Außerdem hat er ja noch seine treuen Großspender. Also fährt er jetzt Medikamente und Ähnliches nach Litauen, wo er durch seine Reisen in den Osten ebenfalls viele Menschen kennengelernt hat. Aber die Sache mit Russland geht ihm trotzdem leider ab. &bdquo;Von meinen Alten sind jetzt schon drei gestorben, ohne dass ich sie noch mal sehen konnte“, erzählt er. Rottmann meint damit die Bewohner eines Altenheims, das er jedes Mal, wenn er vor Ort war, mit Medikamenten und medizinischem Gerät versorgte. &bdquo;Ich will auf jeden Fall noch mal hin“ Auf seiner russischen To-do-Liste standen aber auch ganz andere Dinge: Ob komplette Wohnungseinrichtungen, warme Kleidung, ein Klavier, ein Rettungswagen oder alte ostpreußische Dokumente – es gab kaum etwas, was Rottmann nicht ins Land brachte. Häufig auf verschlungenen Pfaden und mehr oder weniger am Zoll vorbei. Je abenteuerlicher, desto besser. Rottmann machte sich oft ein Späßchen daraus. Nebenbei bewahrte er einen deutschen Soldaten-Friedhof vor dem Vergessenwerden, knüpfte weitere Kontakte, fädelte hier was ein und vermittelte dort. &bdquo;Ich kenne einen, der einen kennt“, war immer einer seiner Lieblingssätze. Und abends saß man nicht selten bei Gegrilltem und Wodka beisammen, erzählte sich vom Erlebten, schmiedete neue Pläne oder genoss einfach nur das Beisammensein. &bdquo;Wobei ich vom Wodka schon seit ziemlich langer Zeit die Finger lasse“, beteuert Rottmann und lacht. Und all das soll nun vorbei sein? &bdquo;Tja“, sagt der 74-Jährige. &bdquo;Ich werde ja nicht jünger. Wer weiß, wie lange ich noch gesund bleibe? Und wer weiß, wie sich der Krieg entwickelt?“ Eines jedenfalls steht für ihn fest: Sollte es ihm demnächst wieder möglich sein, über die russische Grenze zu kommen, fährt er auf jeden Fall noch mal hin. &bdquo;Auch, wenn noch Krieg ist“, betont er. &bdquo;Und wenn es nur ist, um meinen Leuten da noch mal in die Augen zu schauen und mich vernünftig zu verabschieden – falls politisch alles in die Hose geht.“ Insgeheim hofft er natürlich, dass die Dinge sich bald wieder einrenken und er noch den ein oder anderen Hilfstransport und Freundschaftsbesuch machen kann. &bdquo;Wäre doch schade, wenn so eine lange und schöne Geschichte so zu Ende gehen würde“, findet Heinz-Hermann Rottmann. &bdquo;Richtig scheiße“, könnte man auch sagen.

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