Hiddenhausen Das Warten hat ein Ende: Lasse fährt jetzt mit einem Rollstuhlfahrrad

Hiddenhausen. Die Sonne lacht, die Sommerferien stehen vor der Tür. Viele Familien bereiten sich auf den Urlaub und auf Ausflüge vor. Beliebt dabei sind oft auch Tagestouren mit dem Fahrrad. Solche, wie sie die Familie Ihrig jetzt auch endlich machen kann - alle zusammen. Denn bislang ging das nur zu dritt. Sohn Lasse, der geistig und körperlich schwer beeinträchtigt ist, konnte nie mit. Das ist jetzt dank eines Rollstuhl-gerechten Fahrrads möglich. "Lasse hat richtig Spaß, wenn wir unterwegs sind", sagt die Hiddenhauserin Nicole Ihrig. Lasse ist blind, daher liebe er es, den Wind bei der Fahrt zu spüren, und auch das Fahren über kleine Huckel fände er lustig. Seit den Osterferien sei er jeden Tag mit dem Fahrrad unterwegs. Also immer zusammen jemanden. Meist mit der Mutter Nicole Ihrig, aber manchmal fährt auch die Schwester Neele (10) mit ihm los. Wenn man den Dreh erst einmal raus hat, ist das Rad leicht zu bedienen, sagt Ihrig. Es hat einen Elektroantrieb, drei Räder und vorne den Rollstuhl - ähnlich wie bei einem Lastenrad. Das Beste daran sei aber, dass der Rollstuhl im Ganzen daran befestigt werde. Sodass man das Fahrrad abstellen und dann auch mit dem Rollstuhl zu Fuß weiter gehen könne. "Das ist praktisch, wenn wir zum Beispiel ein Eis in der Stadt essen fahren wollen." Waldfreibad und Spielplätze nicht barrierefrei Ansonsten gäbe es eher wenige Freizeitmöglichkeiten für Kinder mit Beeinträchtigungen in Hiddenhausen, sagt Ihrig. Auf den Spielplätzen befänden sich bis auf die Nestschaukel meist keine Spielgeräte, die für Lasse seien. Oft könne sie den Spielplatz mit Lasse im Rollstuhl noch nicht einmal betreten, weil der Weg dorthin durch zwei Stangen versperrt sei. Mit Lasse schwimmen gehen, sei auch nicht einfach. Ins Waldfreibad gehe die Familie schon lange nicht mehr. Ein einfaches Betreten würde durch das Drehkreuz schon nicht gehen. Dann müssten sie immer erst klingeln. Dann gibt es dort keine Behindertenumkleide. Lasse müsste auf dem Platz umgezogen werden, weil er dabei liegen müsse, sagt Ihrig. Da sei das Schamgefühl mit einem 15-Jährigen Sohn mittlerweile schon zu groß. Dann müsse sie - weil sie ihn ja nicht mehr tragen kann - mit dem Rollstuhl durch das Fussbecken zum Nichtschwimmer, weil es sonst kein Durchkommen dahin gebe. Das alles mache einen Ausflug zum Waldfreibad sehr schwer. Aber: "Lasse liebt Wasser", deshalb fährt die Familie dann oft nach Enger ins Schwimmbad. Vereinsmitglieder können Rollstuhlfahrrad ausleihen In diesem Sommer können sie dann auch eine Fahrradtour dahin machen. 8.800 Euro hat das Fahrrad gekostet - und lange musste Ihrig dafür kämpfen. Sich das Fahrrad einfach mal so leisten konnte sich die Familie nicht. Deshalb hatte sie ihr Glück bei Aktion Mensch versucht. Die Organisation hatte 1,5 Milliarden im Zusammenhang mit Barrierefreiheit ausgeschüttet. Dort konnten aber nur Vereine einen Antrag stellen, deshalb wandte sie sich an den Verein der Freunde und Förderer des Johannes-Falk-Hauses. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden ging sie die "sehr komplizierten" Formulare durch. Im Februar 2021 beantragten sie das Fahrrad O'Pair von der Firma MSM, im Sommer wurde es bewilligt und im April 2022, kurz vor den Osterferien, kam es an. Auch über die Spendenorganisation Glückstour kamen 3.000 Euro für das Fahrrad zusammen. "Wir sind so dankbar. Alleine hätten wir das nicht geschafft", sagt Ihrig. Jeder, der im Verein der Freunde und Förderer ist, darf sich das Rollstuhlfahrrad gerne ausleihen und Probe fahren, sagt Ihrig. Das Kämpfen sei die zweifache Mutter bereits gewohnt. Egal was sie bei der Krankenkasse für ihren Sohn beantrage, für alles müsse sie kämpfen. Ob es nun die spezielle Matratze für den Jungen ist, der viel liegen muss oder der neue Toilettenstuhl - immer wieder heisse es: Formulare ausfüllen, Absage bekommen, Einspruch einlegen. "Das kostet sehr viel Kraft und Energie", so Ihrig. Aber das sei es wert.

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