Hiddenhausen Wie Geflüchtete aus der Ukraine Deutsch lernen

Hiddenhausen. Seit Ende März geht es für 22 Geflüchtete zweimal wöchentlich ins Café Miteinander: Deutsch steht auf dem Tagesplan. Der Kurs soll die Grundlage für Kommunikation und Anschluss zu liefern. Die Gemeinde hat weitere Angebote geplant - denn das Interesse ist groß. Zu den rund 20 Menschen, die den Unterricht besuchen, gehört der 17-jährige Artem aus Kiew. Was als Initiativ-Projekt der VHS startete, läuft inzwischen in Eigenfinanzierung der Gemeinde weiter. Artem, der über Warschau nach Hiddenhausen kam, wartet auf einen Platz an einem Berufskolleg. Online nimmt er weiter am Unterricht in seiner Heimat Kiew teil, auch seine Prüfungen will er dort ablegen. Erste Erleichterungen im Alltag spürbar Nach weniger als zwei Monaten Deutschunterricht sind kleinere Unterhaltungen schon drin, sagt Artem. Der Kurs helfe ihm beim Small Talk in Geschäften und beim Basketballtraining. "Wenigstens ein paar Wörter", um den Alltag besser zu meistern. Das helfe ihm, sich sicherer zu fühlen und etwa mit der Beschilderung klarzukommen. Sein Vorteil: Er hat bereits Spanisch gelernt und kennt damit die lateinischen Buchstaben, spricht fließend englisch. Das ist nicht bei allen Geflüchteten so. Anderthalb Wochen war er nach seiner Flucht in Warschau. Seine Mutter blieb zunächst in der Ukraine, über einen kirchlichen Träger kamen sie schließlich nach Hiddenhausen - Kontrastprogramm zu Kiew. "Es ist ein bisschen klein, aber okay", sagt Artem. Mit dem Zug kommt er zum Basketball nach Herford, schließt erste Kontakte. Sport helfe ihm. Sein Fokus liegt gerade aber auf dem Deutschunterricht: "Ich möchte besser werden", sagt der Jugendliche. Dafür lerne er neben dem Kurs weiter, bekommt von Lehrerin Zeinab Kaawar Zusatzaufgaben. Sprache von Null auf lernen - ohne Übersetzungen Übersetzer oder Dolmetscher gibt es im Unterricht nicht. "Das Lernmaterial ist so ausgelegt, dass du nicht übersetzen musst", sagt Shpetim Kaludra, Sozialarbeiter der Gemeinde und verantwortlich für die Beratung zu Flucht und Asyl. Viele Bilder und Improvisation der Lehrkraft sind dafür wichtig. So hätten alle die gleichen Voraussetzungen. 20 Personen gleichzeitig zu unterrichten - mit verschiedenen Niveaustufen, da die Lerngeschwindigkeit individuell ist - sei aber eine Riesenherausforderung. In Ausnahmefällen erklärt Lehrerin Kaawar auf englisch. "Fünf Teilnehmer sprechen sehr gut englisch und übersetzen manchmal", so Kaawar. Allgemein sei die Hilfsbereitschaft untereinander sehr hoch. Und der Kurs kommt anscheinend an: "Wir hatten immer wieder neue Personen vor der Tür stehen, Freunde von Teilnehmern." Doch Plätze sind derzeit rar. Schön sei es nicht, die Lernwilligen wegzuschicken. "Aber es bringt auch nichts, mit 40 Menschen hier zu sitzen und wir kommen nicht voran", sagt sie. Lesen Sie auch:Willkommensklasse in Hiddenhausen: Ukrainische Kinder starten an der OPG Teilnehmerin Viktoria ist erst seit zwei Wochen dabei. Drei Tage war sie unterwegs, über Polen bis nach Hiddenhausen. Trotzdem steigt die junge Mutter einfach mit ein - in dieser Woche direkt mit W-Fragen statt einzelnen Vokabeln. Ihr Mann und Vater sind noch in der Ukraine, ihre beiden Kinder werden während des Unterrichts von ihrer Mutter betreut. Anders wäre es gar nicht möglich, die dreistündigen Kurse zu besuchen. Nicht alle haben diese Unterstützung. Diese Mischung und die vielen Neustarts macht es für Lehrerin Kaawar nicht unbedingt einfacher. Flexible Unterrichtsgestaltung möglich Weil es kein vorgegebener Integrationskurs ist, kann die Gemeinde Inhalt und Form frei gestalten. Im Gegensatz zu Integrationskursen, die auf 700 bis 900 Stunden ausgelegt sind und 25- bis 30-Wochenstunden umfassen, soll der Deutschkurs so lange laufen, bis Alternativen gefunden werden. Das niedrigschwellige Angebot soll Sprache und Erstorientierung verbinden, sagt Kaludra. Integrationskurse werden bereits geplant. "Wir wollen Angebote vor Ort haben und sind mit der VHS im Gespräch." Rund 200 Geflüchtete sind in Hiddenhausen angekommen, viele davon Kinder. Mit 20 Personen sei der Deutschkurs schon jetzt eigentlich überfüllt. Man habe geschaut, "wo der Schuh am meisten drückt", sagt Kaludra. Daneben besuchen einige der ukrainischen Geflüchteten den Erstorientierungskurs vom Bundesamt, der ohnehin über die VHS angeboten wird. Zudem gebe es Kurse in Herford. "Das hier ist erste Hilfe", betont Jörg Luttmann, Leiter des Amtes für Wohnen und Soziales. Weitere Angebote seien im Aufbau. Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Bürgern "In den Jahren 2015 bis 2017 sind 300 Menschen nach Hiddenhausen gekommen. Jetzt sind es 200 in zwei Monaten", sagt der Amtsleiter. An einem Wochenende seien 50 Personen angekommen. Daher müsse jetzt schneller gehandelt werden. Anfragen von Kontaktpersonen waren daher eine Entlastung. "Wir haben zu Kontaktpersonen aus Hiddenhausen, die Menschen aufnehmen wollten, immer ja gesagt", sagt Luttmann. "Dann haben die Menschen hier schon Anschluss." Viele Aufgaben würden aktuell von den Bürgerinnen und Bürgern in Eigenregie übernommen. Und das werde wertgeschätzt. "Aber ihr müsst das Rad nicht neu erfinden - vielleicht wissen wir die Antwort", sagt Kaludra. Immerhin könnte die Gemeinde auf die Erfahrungen von 2015 und den Folgejahren zurückgreifen und stünde bei Fragen und Schwierigkeiten allen Bürgerinnen und Bürgern gern zur Verfügung.

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