Rückblick: Spanische Grippe überrollte Hiddenhausen mit enormer Wucht

Hiddenhausen. Durch die Corona-Pandemie gerät die sogenannte Spanische Grippe, eine Influenza-Erkrankung aus den Jahren 1918 bis 1920, wieder in das öffentliche Gedächtnis. Damals wurde kaum über die Krankheit gesprochen, weil sie sich zum Ende des Ersten Weltkrieges auf beiden Seiten der kriegsführenden Parteien ausbreitete, und niemand Interesse daran hatte, Zahlen über eigene Opfer bekanntzugeben. Erst später kamen Zahlen von 27 und 50 Millionen Toten ans Licht, nach anderen Schätzungen sogar noch mehr. Die erste Grippewelle breitete sich im Frühjahr und Sommer 1918 von den USA ausgehend weltweit aus. In der zweiten Welle - der Herbstwelle - hatte das Virus eine Veränderung durchlaufen, und war schneller und aggressiver. 1919 bis Anfang 1920 gab es eine dritte Welle, bei der die Infizierten nicht so häufig starben wie bei den vorangegangen Umläufen. Pastor Meyer führt Buch über die Pandemie-Opfer In Hiddenhausen findet die erste Welle, die im Frühjahr und Sommer durch die Welt raste, keine Erwähnung. Hiddenhausen, das waren damals die Dörfer Oetinghausen, Eilshausen, Lippinghausen, Bustedt und das Dorf Hiddenhausen selbst. Sie waren zusammengefasst als kirchlicher Bezirk unter dem damaligen Namen "Kirchspiel Hiddenhausen". Auskünfte über die Spanische Grippe finden sich im örtlichen Sterberegister. Der damalige Pastor Meyer notierte in seinen Einträgen viele Einzelheiten. Er beschrieb die Todesursachen und manchmal auch die Todesumstände sehr genau. Allerdings war er kein Mediziner. Deswegen ist anzunehmen, dass er Angaben notiert hat, die ihm Ärzte oder auch Angehörige mitteilten. Insofern sind die Todesursachen häufig nur umschreibende Angaben. Während Meyer keine bekannten Aufzeichnungen über die erste Welle der Spanischen Grippe hinterlassen hat, dokumentierte er die zweite Welle sehr präzise. Sie beginnt am 1. Oktober 1918. So erfährt man aus Meyers Aufezeichnungen, dass der Eisenbahnarbeiter Gustav Hake aus Eilshausen Nr. 104 - heute Bünder Straße 391 - zu Besuch in Rattau bei Kolmar in Posen war und dort an Grippe und Lungenentzündung verstarb. Danach folgen fast täglich Einträge ins Sterberegister. So heißt es dort zum Beispiel: &bdquo;Grippe mit Durchfall und Magen- und Darmkatarrh“. Ebenfalls finden sich Beschreibungen wie &bdquo;Lungenleiden und Grippe, Grippe und starke Kopfschmerzen, Grippe mit Kopfschmerzen und Schwindel“, sowie &bdquo;Grippe mit Herzschwäche oder Lungenverschleimung“. Zumeist taucht die Formulierung &bdquo;Grippe mit Lungenentzündung“ auf. Im Oktober sterben insgesamt 42 Menschen, davon 32 an Grippe. Im September sind es insgesamt 19. Davon 13 Grippetote. Für den Dezember notiert Pastor Meyer vier Tote. Drei davon erliegen der Grippe. Zum Vergleich: Im letzten Friedensjahr 1913 notiert der Pfarrer jeweils für den Oktober und den November fünf und für den Dezember 15 Verstorbene. Für das kleine Kirchspiel Hiddenhausen bedeuten die Zahlen: Die weltweite &bdquo;Herbstwelle“ schlägt auch in den fünf Dörfer voll durch. Der Oktober ist der folgenreichste Monat - mit einer für das kleine Hiddenhausen verheerenden Bilanz: nämlich ein Grippetoter pro Tag. Ende Dezember hin läuft die Welle langsam aus. Zu Beginn des Jahres 1919 ist von Grippe nur noch selten die Rede. Die dritte Welle ist kaum noch feststellbar. Spanische Grippe ähnelt Corona Aufschlussreich ist ein Blick in die Statistik zum Lebensalter der Verstorbenen. Zwölf Pandemie-Opfer sind bis 20 Jahre alt, zehn im Alter zwischen 21 und 40 Jahren. 16 Tote sind zwischen 41 und 60 Jahren alt und neun älter als 61 Jahre. Im Deutschen Kaiserreich gab es sehr viele Kinder und Jugendliche. Ihre war geringer als die der Älteren. Zudem waren aus der Gruppe der 21- bis 40-jährigen viele Männer an der Front, also kaum noch in Hiddenhausen anzutreffen. Die Gruppe der Alten, also der Menschen älter als 61 Jahre, wird entsprechend der Alterspyramide ebenfalls nicht sehr groß gewesen sein. So wiegt die Zahl von neun Toten in dieser Altersgruppe sehr stark. Als Fazit lässt sich aus Pastor Meyer Aufzeichnung herauslesen, dass die Spanische Grippe das Kirchspiel Hiddenhausen im Oktober und November des Jahres 1914 mit großer Schnelligkeit und enormer Wucht überrollte. Nichts hingegen erfährt man in den Aufzeichnungen des Pfarrers Meyer über die vielen Menschen, die erkrankt waren und später genesen. Opfer der damaligen Pandamie waren wie in der derzeitigen Corona-Pandemie weniger Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Sondern Menschen mittleren und höheren Alters.

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