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Diplomingenieur Volker Straker (links) mit Werner und Sven Schilling sowie seinem Solarauto vor seinem Wohnhaus an der Waldspitze. - © FOTO: KIEL-STEINKAMP
Diplomingenieur Volker Straker (links) mit Werner und Sven Schilling sowie seinem Solarauto vor seinem Wohnhaus an der Waldspitze. | © FOTO: KIEL-STEINKAMP

Herford Eine Siedlung macht ihren Strom selbst

Herforder Ingenieurbüro plant das erste "stromautarke" Wohngebiet der Republik

VON HARTMUT BRAUN
27.06.2013 , 14:23 Uhr

Herford. Wer an der Müllerstraße bauen will, braucht ein Elektroauto. Er muss Photovoltaik aufs Dach und eine starke Batterie in den Keller bringen, er muss sich am Strom- und Wärmenetz der Siedlung beteiligen und höchste Dämm-Standards erfüllen. Man muss noch einiges mehr tun, um in Deutschlands erster "stromautarker Solarsiedlung" zu wohnen.

Die Müllerstraße liegt hoch im Norden in Norderstedt vor den Toren Hamburgs. Doch seine Wurzeln hat das einzigartige Projekt in Bad Salzuflen und in Herford an der Waldspitze, wo Volker Strakers Firma EST ihren Sitz hat.

Diplomingenieur Straker fährt ein Elektroauto; er hat eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach seines Hauses am Stuckenberg, nebst Ladestation, Batterie, Smart Grid, starker Wärmedämmung. Er hat sich das einiges kosten lassen.

Doch die Norderstedter Solarsiedlung ist eine ganz andere Nummer. Sie ist so geplant, dass die Bewohner ihren Bedarf an Strom und Wärme komplett selbst decken und so viel Strom übrig haben, dass sie ihre Autos damit "tanken" können.

Das klingt utopisch, ist aber schon ziemlich weit gediehen: "Die Siedlung ist komplett vermarktet; im Herbst werden die ersten Häuser bezogen", sagt Werner Schilling.

Der lippische Immobilien-Mann hatte sich von der Stadt Norderstedt mit der Planung einer "Klimaschutz-Siedlung" beauftragen lassen. Er gewann Straker als Energie-Planer, die Stadtwerke Norderstedt als Partner und einen Nissan-Autohändler für das Thema Elektro-Mobilität. "Alle Elemente für sich sind bekannt, aber in der Verknüpfung ist es einzigartig", sagt er über sein Konzept.

Mit den örtlichen Stadtwerken vereinbarte er Bau und Betrieb eines Blockheizkraftwerks (BHKW), das über ein Nahwärmenetz die 30 Häuser (und außerdem eine Grundschule) mit Wärme versorgt.
Strom- und Wärmebedarf der Siedlung sollen ausschließlich über BHKW und Photovoltaikanlagen gedeckt werden, mindestens 25 Quadratmeter Fläche pro Dach sind im Bebauungsplan festgeschrieben.

Die Netze gehören den Siedlern. Strom-Überschüsse werden in Hausbatterien gespeichert, auf die bei Bedarf auch die Nachbarn Zugriff haben. "Und dann gibt es noch die Elektroautos mit ihren Batterien", fügt Straker hinzu. "Damit stehen uns enorme Zwischenspeichermengen zur Verfügung, auf die alle Bewohner Zugriff haben."

Nach langer Suche haben sie sich für Nissan als Partner für das Elektroauto entschieden. Jeder Siedler ist grundbuchlich verpflichtet, ein Elektroauto zu besitzen, als Teil eines "Energie-Pakets", das pro Grundstück etwa 70.000 Euro zusätzlich kostet – und den Bewohnern jährliche Kosteneinsparungen von mehreren Tausend Euro bescheren soll. Bei der Vermarktung musste Werner Schilling viel vorrechnen.

Doch er fand mehr als genügend Interessenten. So viel, dass er nach dem gleichen Energiekonzept ebenfalls in Norderstedt eine zweite, größere Siedlung entwickelt. In der sollen ab 2014 schon 60 Häuser entstehen.